# taz.de -- Sichere Grundversorgung: Wenn der Hahn abgedreht wird | |
> Weil sie die Strompreise nicht mehr bezahlen können, müssen viele Bremer | |
> um die Grundversorgung bangen. Nun wird über Maßnahmen verhandelt. | |
Bild: Bleibt die Rechnung unbezahlt, dreht der Versorger auch mal ab. | |
BREMEN taz | Die Bremer Grünen sind dabei, ihr sozialpolitisches Profil zu | |
schärfen: Mitte der Woche hatte die Bürgerschaftsfraktion in einer | |
Expertenrunde mögliche Wege aufgezeigt, wie sich Wasser- und Stromsperren | |
künftig vermeiden lassen. Weil davon fast immer Hartz-IV-Empfänger oder | |
Menschen mit sehr niedrigen Einkommen betroffen sind, spricht sich die | |
Partei für einen Härtefonds nach Hannoverschem Vorbild aus. | |
Dort stellt der Energielieferant Enercity jährlich 150.000 Euro bereit, um | |
alten, kranken und alleinerziehenden Menschen bei den Energiekosten | |
finanziell unter die Arme zu greifen. „Solche Beispiele aus anderen | |
Kommunen zeigen: Durch einen Härtefonds können einige Sperren abgewendet | |
werden,“ betont die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Anne | |
Schierenbeck. | |
Christoph Brinkmann von der SWB ist dagegen skeptisch, ob ein solcher | |
Härtefonds tatsächlich hilft: „In Hannover müssen diejenigen, die | |
Rechnungen nicht zahlen können, erst einmal einen ganzen Ämter-Parcours | |
durchlaufen, bis sie schließlich einmalig Geld bekommen.“ Doch in Bremen | |
hat sich die Lage und damit der Handlungsdruck in den letzten Jahren | |
verschärft. In insgesamt 6.700 Fällen hat der Bremer Energieversorger SWB | |
im vergangenen Jahr Strom, Wasser oder Gas abgestellt – 5.131 in Bremen und | |
1.569 in Bremerhaven. | |
Den größten Anteil haben daran Stromsperren: Mit 5.063 Abschaltungen stieg | |
die Zahl im Vergleich zum Vorjahr 2012 um fast 700. Angeblich, so betont | |
der Versorger, komme eine Sperre von Wasser und Strom für die SWB immer nur | |
als das „allerletzte Mittel“ zum Einsatz. Doch Grüne und | |
Verbraucherzentrale bezweifeln, dass damit alle Handlungsspielräume | |
ausgeschöpft sind. | |
In Saarbrücken hat ein tragisches Brandunglück dazu geführt, dass sich die | |
Politik darum bemüht, Stromsperren mit einem Vier-Punkte-Plan zu vermeiden. | |
Dort waren 2012 vier Kinder in einer Wohnung verbrannt, in der der Strom | |
abgestellt war. Ursache für das Feuer war vermutlich eine brennende Kerze. | |
Die Bremerhavener Grünen wollen vermeiden, dass es auch hier soweit kommen | |
muss, und haben das Thema in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht. | |
Zuletzt stand die SWB in der Kritik, als sie im April in einem | |
Mehrfamilienhaus in Aumund mehrere Monate lang das Wasser abstellte. Die | |
Bewohner – unter ihnen Familien und Schwangere – hatten die Wasserkosten | |
gezahlt, aber der Vermieter hatte das Geld nicht an die SWB weitergeleitet. | |
„Es kann nicht sein, dass Schwangeren und Kranken einfach die Versorgung | |
abgestellt wird“, sagt Susanne Wendland, die sozialpolitische Sprecherin | |
der Grünen-Fraktion. In solchen Fällen sei es wichtig, eine Rechtsberatung | |
einzuführen, um zu prüfen, ob die SWB überhaupt sperren darf. | |
Irmgard Czarnecki von der Bremer Verbraucherzentrale hält neben der | |
Soforthilfe in Notlagen auch grundsätzlichere Maßnahmen für erforderlich. | |
„Die Zahl ist ein Armutskennzeichen“, sagt sie. Weil die Betroffenen meist | |
mehrfach verschuldet seien, reiche es nicht, einen Härtefonds einzurichten. | |
Auch eine umfassendere Budgetberatung und Ablesungen in kürzeren Zeiträumen | |
seien wichtig, um Schulden zu vermeiden. Eine monatliche Abrechnung kostet | |
allerdings bislang 15 Euro extra – für Geringverdiener ist das viel zu | |
viel. | |
Neben einer Budgetberatung müsste Schierenbeck zufolge mit dem | |
Energieversorger auch über leistbare Ratenzahlungen verhandelt werden. Die | |
meisten Betroffenen verfügen über ein Einkommen unterhalb der | |
Pfändungsgrenze. Von kleinen Ratenzahlungen hält die SWB jedoch wenig: Ihre | |
Mindestrate beträgt 50 Euro. | |
Am 23. Oktober lädt die SWB nun erstmals selbst zu einem runden Tisch, an | |
dem Sozialbehörde, Jobcenter, Verbraucherzentrale und Schuldnerberatungen | |
beteiligt sind. Czarnecki begrüßt, dass „endlich Bewegung in die Diskussion | |
kommt“. Ob die aber dazu führen wird, dass die SWB ähnlich wie in Hannover | |
einen Härtefonds finanzieren wird und Bremen ein wirksames Maßnahmenpaket | |
auf die Beine stellt, bleibe weiterhin nur zu hoffen. | |
10 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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