| # taz.de -- Berliner Zweitliga-Fußball: Unions Angst vor dem Ende | |
| > Am Samstag spielt der Zweitligist gegen Sandhausen. Vom Ergebnis dürfte | |
| > abhängen, ob es nur noch um den Klassenerhalt geht. Und ob Trainer Düwel | |
| > bleiben darf. | |
| Bild: So wie hier beim 1:1 gegen Darmstadt will der 1. FC Union Berlin auch am … | |
| Vor etwa eineinhalb Jahren war man sich in der Fachwelt des Fußballs | |
| erstaunlich einig darüber, wer denn nun der nächste leuchtende Stern am | |
| Firmament werden sollte, welcher Verein der Klub der Stunde sei. Das | |
| Magazin 11 Freunde titelte im April 2013 mit jenem Verein, der nicht als | |
| Shooting-Star daherkam, sondern über Jahre hinweg eine Fußballkultur | |
| vorgelebt hatte, die nah am Fan, nah an den Menschen war. „Vorbild für | |
| alle?“, fragte 11 Freunde damals – gemeint war mit der Frage der 1. FC | |
| Union Berlin. | |
| Ein Zweitligist. Einer, der sich erstligareife Strukturen aufgebaut hatte | |
| und der mit seinem Ziel nicht mehr hinterm Berg hielt: „Wir wollen in die | |
| Bundesliga, keine Frage“, sagte Klub-Präsident Dirk Zingler vor der Saison | |
| 2013/14. | |
| Die neue Haupttribüne, ein so schlichter wie schmucker Klinkerbau, wurde | |
| frisch eröffnet, die Spiele waren wie immer mit rund 20.000 Menschen gut | |
| besucht, und während sich andere Klubs immer mehr von Fans und Ultras | |
| wegbewegten, rückte die Union-Führung eher näher an sie heran. Alles | |
| richtig gemacht, hätte man also konstatieren können. Oder etwa nicht? | |
| Es fehlte dann doch seit geraumer Zeit etwas nicht ganz Unwesentliches bei | |
| Union, und zwar guter Fußball. Sportlich stagnierte der Klub, zumindest die | |
| Profiabteilung der Männer. Am Ende der Spielzeiten 12, 13 und 14 standen | |
| zwei siebte Plätze, zuletzt Rang 9. Dabei gehörte der Verein mit einem | |
| Gesamtetat von über 20 Millionen Euro und einem Lizenzspieleretat von etwa | |
| 11 Millionen Euro finanziell zu den Top-Klubs. Eine Zäsur war nötig. | |
| Sie kam mit Beginn dieser Saison. Sie hörte auf den Namen Norbert Düwel. | |
| Ein selbsternannter „No-Name“-Trainer, der vor vier Monaten die Nachfolge | |
| des langjährigen Coaches Uwe Neuhaus übernahm. Düwel, einst Ko-Trainer von | |
| Mirko Slomka, geht bislang bei seiner ersten Profistation als Cheftrainer | |
| volles Risiko und pokert hoch: Der 46-Jährige will den Kader verjüngen, auf | |
| Tempo- und Konterfußball setzen. Den langjährigen Führungsspieler Torsten | |
| Mattuschka ließ man Richtung Cottbus ziehen. Düwel forcierte die | |
| Machtverschiebungen im Klub. Kein Stein steht mehr auf dem anderen. | |
| „Ich mache mich völlig frei von dem, was vorher war. Wichtig ist mir, dass | |
| der jeweilige Spieler versteht, welche Art von Fußball ich spielen will“, | |
| sagte er zum Amtsantritt. Nur neun Pflichtspiele später, vor dem wichtigen | |
| Spiel am morgigen Samstag gegen Sandhausen (13 Uhr), steht das Projekt | |
| Neuanfang vor dem Scheitern. Einige Fans riefen nach der letzten | |
| Auswärtspartie bei St. Pauli (0:3) „Düwel raus!“. Ein einziges Spiel hat | |
| Union bisher unter ihm gewonnen. Das Team teilt sich mit Erzgebirge Aue den | |
| letzten Tabellenrang. Wie konnte das passieren? Warum funktioniert Düwels | |
| Fußball nicht? | |
| Es wäre sicherlich überraschend gewesen, wäre der Umbruch von einem auf den | |
| anderen Tag gelungen. Dass aber das Spielkonzept vor allem in der Offensive | |
| bisher so wenig Früchte trägt (gerade mal fünf Saisontore), ist | |
| besorgniserregend. „Wir müssen uns an die eigene Nase fassen. Da hilft es | |
| auch nicht, am Trainer zu rütteln“, sagte Verteidiger Fabian Schönheim nach | |
| dem St.-Pauli-Spiel. | |
| Verantwortlich aber ist nun mal Düwel, und der wird auch gesehen haben, | |
| dass es dem Team nicht gelingt, spielerische Lösungen auf engem Raume zu | |
| finden. Das Konterspiel – Düwels Steckenpferd – sah streckenweise gut aus. | |
| Aber der Kader gibt einfach mehr her, da stehen Offensivtalente wie Björn | |
| Jopek und der bisher kaum berücksichtigte Eroll Zejnullahu neben feinen | |
| Technikern wie Baris Özbek – und all jenen gelingt es nicht, Dominanz | |
| auszuüben. | |
| Düwel ist kein Freund von Schemata und Statistiken, die etwas über das | |
| Spiel aussagen sollen. Allerdings weisen einige Zahlen deutlich darauf hin, | |
| woran es den Köpenickern im bisherigen Saisonverlauf mangelt. Bei den | |
| Torschüssen stehen sie ligaweit ganz weit hinten, Union schoss pro Spiel | |
| weniger als zehn Mal aufs Tor – schlechter sind nur der morgige Gegner | |
| Sandhausen und Ko-Schlusslicht Erzgebirge Aue. Düwels Team hat mit am | |
| wenigsten Laufstrecke zurückgelegt, gleichzeitig sind 22 kassierte Karten | |
| Ligaspitze – bei den begangenen Fouls ist Union oben mit dabei. Diese | |
| Zahlen zeigen, was fehlt: eine Linie. Spielideen. Spielwitz. | |
| In dieser Hinsicht wäre Union vom Potenzial her weit oben zu sehen. Bleibt | |
| es aber die einzige Idee des Teams, mit langen Bällen zu agieren – wie zum | |
| Teil gesehen –, so dürfte die große Union-Reform misslingen. Hoffen konnte | |
| man, dass eine durchaus jetzt schon verjüngte Union-Elf mit frischem, | |
| respektlosem Fußball die Liga rockt. | |
| Stattdessen ist nun bereits die Angst in den Köpfen. | |
| Vor dem Spiel am Samstag herrscht Showdown-Atmosphäre. Zwar sagt Präsident | |
| Dirk Zingler: „Es gibt kein Ultimatum an den Trainer.“ Klar ist aber auch, | |
| dass das Experiment nicht lange Bestand haben dürfte, wenn nicht sehr | |
| schnell Erfolg in Köpenick einkehrt. Einen Abstieg wird man kaum riskieren, | |
| weil mit der Dritten Liga auch der freie Fall droht. Düwel hat schon jetzt | |
| auf eine Notmaßnahme zurückgegriffen: Er fuhr gemeinsam mit den Spielern in | |
| ein Kurztrainingslager ins Bundesleistungszentrum Kienbaum. | |
| „Wir können in kompletter Ruhe und in einer sehr sportbezogenen Atmosphäre | |
| viel Zeit miteinander verbringen und Dinge noch einmal intensiver | |
| trainieren und ansprechen“, sagte Düwel. So ruhig und sachlich er die Sache | |
| auch angeht, so sehr weiß er doch auch, dass heute im Profifußball Kulanz | |
| auf den Rängen und auf den Vorstandsstühlen nicht mehr zu den | |
| ausgeprägtesten Tugenden gehört. Will er aus Union wieder den angesagten | |
| Klub machen, der einmal aus ihm werden sollte, gehört die Zutat attraktiver | |
| Fußball zwingend dazu. | |
| 16 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
| ## TAGS | |
| Union Berlin | |
| 2. Bundesliga | |
| Experten | |
| Union Berlin | |
| Fußball | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Union Berlin vs. Paderborn: Der absolute Tiefpunkt | |
| Keine Spur von Balance zwischen Defensive und Offensive: Union Berlin | |
| unterliegt gegen Paderborn 0:2 und kann sich auf den Abstiegskampf | |
| einstellen. | |
| Saisonstart für Union Berlin: Ein fast gelungener Auftakt | |
| Am ersten Spieltag der 2. Bundesliga sieht lange alles nach einem Sieg der | |
| Berliner gegen Düsseldort aus. Doch es soll nicht sein. | |
| Berliner Fußballexperten auf Sendung: „Rumlabern, wie man Bock hat“ | |
| Sven-Ole Knuth und Waldefried Forkefeld sind unterhaltsame Fußballexperten. | |
| Ihre Radioshow „Die Runde Stunde“ bietet ein Potpourri der Fußballfloskeln. | |
| Union-Fan wandert zu Auswärtsspiel: „Mich zu quälen reizt mich“ | |
| Der Berliner Union-Fan Sascha Koschitzke geht 630 Kilometer zu Fuß zum | |
| Auswärtsspiel seines Teams ins württembergische Aalen. Warum bloß? | |
| FUSSBALL: Der Arbeiter-Trainer muss gehen | |
| Nach sieben Jahren trennt sich Union Berlin von Coach Uwe Neuhaus – und | |
| sendet damit ein eindeutiges Signal. | |
| Friedliche Problemfans: Entschiedenes Nichtstun | |
| Union Berlin scheidet im DFB-Pokal gegen Kaiserslautern aus und diskutiert | |
| weiter den massiven Polizeieinsatz beim letzten Spiel der beiden Klubs. |