| # taz.de -- Berliner Fußballexperten auf Sendung: „Rumlabern, wie man Bock h… | |
| > Sven-Ole Knuth und Waldefried Forkefeld sind unterhaltsame | |
| > Fußballexperten. Ihre Radioshow „Die Runde Stunde“ bietet ein Potpourri | |
| > der Fußballfloskeln. | |
| Bild: Ein echter Fan trägt auch mal ne alberne Mütze. | |
| taz: Herr Forkefeld, Herr Knuth, die Winterpause geht heute zu Ende. Wie | |
| lange ist die eigentlich noch zu halten, wenn das jetzt weitergeht mit den | |
| milden Wintern? | |
| Waldefried Forkefeld: Die Winterpause ist wichtig, deswegen sind wir ja | |
| Weltmeister geworden. Die Italiener, Spanier, Engländer mussten ja | |
| durchziehen und deshalb waren die im Sommer platt. | |
| Sven-Ole Knuth: Außerdem gibt’s in der Winterpause die wichtigen | |
| Trainingslager. | |
| Sportjournalisten fahren da gern mal mit, um im Januar raus aus Berlin zu | |
| kommen. | |
| Forkefeld: Ein echter Grund, allerdings auch der einzige. Ich habe vor | |
| Jahren mal ein Trainingslager von Werder Bremen in der Türkei mitgemacht, | |
| für einen Bericht fürs WM-Studio Mitte. Eine total sinnlose Unternehmung. | |
| Essen, schlafen, trainieren, mehr passiert da nicht. Die mitreisenden | |
| Journalisten stehen die ganze Zeit am Trainingsplatz und warten, dass ein | |
| Spieler einem anderen eine Schelle verpasst. Andererseits ist das natürlich | |
| sehr wichtig, denn ein Urteil über eine Mannschaft kann man sich erst | |
| erlauben, wenn du weißt, wer mit wem kann oder nicht. | |
| Wie beobachtet ihr denn die Vereine, um auf dem Laufenden zu sein? | |
| Beide zugleich: Gar nicht. | |
| Eure „Runde Stunde“ widmet sich der gepflegten Fachsimpelei über alle | |
| Facetten des Fußballs und Vereine. Braucht man dazu keine Grundlage? | |
| Knuth: Wir beziehen sie schlicht aus der Vergangenheit. Wir sind die | |
| Fußballexperten, sagen wir mal, bis 1990. Als Kinder und Jugendliche haben | |
| wir Fußball extrem aufgesogen, begleitet von Fernsehreportern wie Klaus | |
| Schwarze, Adi Furler, Gerd Rubenbauer, nicht zu vergessen Waldi Hartmann. | |
| Und Waldefried Forkefeld? So hieß doch ein bekannter DDR-Sportreporter? | |
| Forkefeld: Tja, wir sind eben mit Ost- und Westfußball aufgewachsen. Wir | |
| wissen immer noch die Namen der Spieler von damals und zwischen welchen | |
| Vereinen die hin und her geschoben wurden. Wenn man das in halbwegs | |
| flüssige Sätze packt und noch zwei, drei Fußballvokabeln dazu, ist man ja | |
| bei den meisten Leuten schon Fußballexperte. | |
| Knuth: Leute, die sich wirklich mit Fußball beschäftigen und da richtig | |
| durchblicken, finden uns natürlich nicht so prickelnd, weil wir uns über | |
| den Fußball auch viel zu lustig machen. | |
| Stört euch das? | |
| Forkefeld: Nö, warum? Beim Fußball geht’s doch darum, rumzulabern, wie man | |
| Bock hat. Ob die Meinung stimmt oder nicht, kann ja keiner richtig | |
| beurteilen. Da wir selbst Fußball spielen, wissen wir, dass man nur | |
| innerhalb eines Teams oder Vereins weiß, wie es intern läuft. | |
| Zu den Berliner Bundesligisten. Was haben Hertha und Union, was ihre | |
| Ligakonkurrenten nicht haben? | |
| Knuth: Hertha hat ein Stadionproblem, ihnen fehlt eine Fußballarena. | |
| Wenigstens muss Berlin dem Verein nicht mehr die Miete stunden. Dass beide | |
| Vereine, Hertha und Union, mittlerweile solide wirtschaftende Klubs sind … | |
| Forkefeld: … ja, denkt man, aber weiß man’s? Außerdem ist solides | |
| Wirtschaften im Fußballgeschäft heute eher ein Minus. Das führt nur noch | |
| zum Abstieg, siehe Bremen, Stuttgart. Hoffen wir mal, dass Hertha nicht | |
| solide wirtschaftet und sich heillos verschuldet, um künftig ein bisschen | |
| was zu reißen. Das gilt natürlich auch für Union. | |
| Beide Klubs haben im Winter keine Hammerverpflichtung gemacht. | |
| Forkefeld: Bedenklich, aber das kommt sicher noch. | |
| Knuth: Ich glaube sogar, dass bei Hertha und Union im Transfergeschäft | |
| langsam der Berlin-Faktor greift. Siehe Herthas Kalou. Der hatte sich | |
| bestimmt gedacht: Okay, geile Stadt, hier kann man mal für ein halbes Jahr | |
| leben. Alle wollen ja heute nach Berlin. | |
| Forkefeld: Ich vermute mal, Sven-Ole, dass der Berater des Herrn Kalou ein | |
| schönes Angebot von Hertha auf dem Tisch hatte und nicht den Berliner | |
| Veranstaltungskalender. | |
| Knuth: Sicher, aber bei gleichwertigen Angeboten aus Frankfurt oder Mainz | |
| hat Berlin vielleicht den entscheidenden Pluspunkt. | |
| Wann gibt’s das nächste Stadtderby? | |
| Forkefeld: Hoffentlich nicht so bald – aus Sicht der Herthaner. | |
| Union könnte ja aufsteigen. | |
| Knuth: Dass Union für ein Jahr hochgeht und es dort zum Derby kommt, ist | |
| tatsächlich eher denkbar. Obwohl, man weiß es nicht. Eigentlich ist die | |
| Aufstiegsgefahr bei Union momentan genauso groß wie die Abstiegsgefahr bei | |
| Hertha. Wenn die Eisernen einen Lauf kriegen, sind die plötzlich oben drin, | |
| und wenn Hertha einen schlechten Lauf kriegt, können die auch absteigen. | |
| Wir bewegen uns im Reich der Spekulation. | |
| Für wen ist das Halten der Liga überlebenswichtiger? | |
| Forkefeld: Es gibt ja viele echte Unionfans, die sagen: Ist mir egal, ob | |
| wir zweite oder dritte Liga spielen, Hauptsache kein Kommerz. Oben spielen | |
| ja sowieso bald nur noch Unternehmen oder Unternehmervereine. Wolfsburg, | |
| Hoffenheim, demnächst der FC Ingolstadt. Da sollte man ruhig mehr | |
| Ehrlichkeit zeigen und die Vereine wieder umbenennen, wie zu Ostzeiten. | |
| Also Medizin Leverkusen oder Sachsenring Ingolstadt – Audi ist ja nach dem | |
| Krieg aus Sachsen rübergemacht – oder Hoffenheim, äh … | |
| … Robotron Hoffenheim. | |
| … genau, wie das alte EDV-Kombinat. Warum eigentlich nicht gleich eine | |
| Werksliga aufmachen? RB Leipzig, die ja auch nach oben drängen, könnten | |
| sich Getränkekombinat Ost nennen oder Konsum Leipzig. Das würde bei den | |
| alten Fans sicher gut ankommen. | |
| Knuth: Die Kluft zwischen den Franchiseklubs und den anderen wird ja immer | |
| deutlicher. Das gibt es nicht nur bei Union, dass die Fans lieber ein | |
| volles Stadion und geile Gegner sehen wollen statt Hoffenheim. Ist doch | |
| schön, wenn sich das Ritual des Fußballfanseins immer mehr vom sportlichen | |
| Erfolg abkoppelt. | |
| Welche Traditionsvereine werden in der nächsten Saison an die Alte | |
| Försterei kommen statt ins Olympiastadion? | |
| Forkefeld: Köln, Stuttgart oder den HSV, der Dino, die Uhr tickt. | |
| Knuth: Ich bin sicher, dass Paderborn und Freiburg absteigen und der Dino | |
| oder Werder oder Stuttgart sich in der Relegation durchsetzen werden. | |
| Vielleicht ja gegen Union. | |
| Das wäre natürlich die perfekte Abrundung der großen Berliner | |
| Fußballfesttage mit DFB-Pokal- und Champions-League-Finale. Wie lautet | |
| eigentlich eure Erklärung, dass das DFB-Pokalfinale traditionell ohne | |
| Berliner Beteiligung stattfindet? | |
| Forkefeld: Als guter Gastgeber will man, dass die Gäste Spaß haben. | |
| Außerdem ist es nur fair gegenüber der Berliner Tourismuswirtschaft, denn | |
| so kommen ja viel mehr Gäste in die Stadt. | |
| Knuth: Das Pokalfinale findet nun seit 30 Jahren in Berlin statt. | |
| Vielleicht sollte man Hertha zum 40. Jahrestag eine Wildcard fürs Endspiel | |
| schenken oder das Finale doch mal wieder in eine andere Stadt vergeben, | |
| damit der Verein wieder eine realistische Chance hat. Union war ja 2001 | |
| gerade erst gegen Schalke im Endspiel, das muss reichen. | |
| Damals begann ja auch eure Reporterkarriere beim WM-Studio Mitte, mit dem | |
| ihr das etablierte TV-Reporterwesen angegriffen habt. Was ist aus euren | |
| Ansprüchen denn letztlich geworden? | |
| Forkefeld: Das WM-Studio ist eigentlich ein Produkt aus den Neunzigern, wo | |
| wir uns als Jugendliche aus Ostberlin viel in Mitte austobten. Damals gab | |
| es viele Aktionen, die so Freestyle waren. Für uns, aber auch für viele | |
| andere Leute gab es damals wichtigere Dinge als Fußball. Als das Interesse | |
| am Fußball nach der 1998er-WM explodierte, wollten wir eine Art Brücke | |
| bauen von der Altbackenheit der Reporter in die neue Zeit. | |
| Knuth: Wir hatten damals keinen Bock mehr auf diese langweilige | |
| Nüchternheit der Fußballübertragungen auf ARD und ZDF. Einiges von der Art, | |
| wie wir in unserem WM-Studio die Spiele kommentierten und worüber sich die | |
| Leute beeumelten, hören wir heute manchmal im normalen Fernsehen. Da haben | |
| wir sozusagen unsere Aufgabe erfüllt. | |
| Inzwischen ist Fußball anerkanntermaßen Pop, aber ihr seid auch Teil des | |
| Übersättigungsangebots. | |
| Knuth: Deshalb haben wir gerade Motivationsprobleme. Noch vor etlichen | |
| Jahren hatten wir jeden Bundesliga- und Champions League-Spieltag | |
| kommentiert, sodass irgendwann alle Witze zehnmal erzählt waren. Jetzt | |
| öffnen wir unser WM-Studio nur noch zu Highlights wie dem | |
| Champions-League-Finale in Berlin. Wir haben sogar überlegt, die „Runde | |
| Stunde“ aufzugeben. | |
| Aha?! Was gab den Ausschlag für Weitermachen? | |
| Knuth: Ursprünglich wollten wir es von den Wintertransfers abhängig machen. | |
| Aber es gab doch gar keine spektakulären. | |
| Knuth: Die Meldung, dass Miro Klose vielleicht nach Bremen zurückkehrt, | |
| reichte. | |
| Forkefeld: Noch schöner wäre natürlich, wenn Jérôme Boateng zurück nach | |
| Berlin käme. Oder ein Mäzen die Reinickendorfer Füchse übernimmt und alle | |
| zurückholt, die da mal gespielt haben: Kevin-Prince Boateng, Thomas Häßler, | |
| Andreas Neuendorf. | |
| Bräuchte Berlin auch wieder einen Möchtegernglamourverein wie Tennis | |
| Borussia in den Neunzigern nach der Übernahme von Schlagermogul Jack White? | |
| Forkefeld: Dass die Skandalvereine nicht mehr aus Berlin kommen, ist | |
| wirklich schade. Wenn Vereine noch von älteren Männern mit Riesenego | |
| geführt werden und die beim Aufeinanderprallen für totales Chaos sorgen – | |
| herrlich. Siehe HSV. So einen Spaß, den es früher auch bei Hertha gab, | |
| erlebt man leider immer seltener. Bei den kalten Industrievereinen wie RB | |
| Leipzig gibt es nur noch ein, zwei Entscheider und da werden leider auch | |
| keine Fehler mehr gemacht. Alles sehr professionell. | |
| Knuth: Und sehr langweilig, weil extrem vorhersehbar. | |
| 30 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Gunnar Leue | |
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