| # taz.de -- Fußball zwischen Ost und West: 1950 wurde es ernst | |
| > Am Sonntag kommt es zu einem ungewöhnlichen Freundschaftsspiel: SC Union | |
| > 06 gegen 1. FC Union. Die ungleichen Teams haben eine gemeinsame | |
| > Geschichte. | |
| Bild: Union-Spieler vom 1. FC nach einer Partie. | |
| Wenn am Sonntag im Poststadion der SC Union 06 in einem Benefizspiel auf | |
| den 1. FC Union Berlin trifft, dann ist das ein besonders Spiel. Zum einen | |
| ist es durchaus bemerkenswert, dass der Zweitligist nur einen Tag vor der | |
| Abreise zum Trainingslager in Spanien und ganz ohne Gage zu einem | |
| Freundschaftsspiel aufläuft. Zum anderen verbindet beide Vereine eine | |
| gemeinsame Geschichte, die sie jedoch in den letzten 65 Jahren in | |
| unterschiedliche Richtungen geführt hat. | |
| „Willkommen in Berlin“, lautet das Motto des Spiels, das Bezug nimmt auf | |
| die Unterbringung von Geflüchteten in zwei Traglufthallen, die auf einem | |
| der Nebenplätze des Poststadions stehen. Es ist ein Zeichen, wenn | |
| Sportvereine sich gerade in Zeiten wie diesen zu einer Willkommenskultur | |
| bekennen. Doch es ist mehr als das; für den SC Union ist es auch ein | |
| Verweis auf die eigene Migrationsgeschichte. | |
| Seine Wurzeln hat der Verein im Stadtteil Oberschöneweide, wo er oder | |
| besser sein Vorläufer, der SC Union Oberschöneweide, in den 1920er Jahren | |
| seine erste Blütezeit erlebte und mehrfach Berliner Meister wurde. Seine | |
| Heimspiele trug der Verein in der Sportanlage Sadowa in der Wuhlheide aus – | |
| heute bekannt als Stadion an der alten Försterei und Spielstätte des 1. FC | |
| Union. | |
| Das ist natürlich kein Zufall, ebenso wenig wie die Ähnlichkeit der | |
| Vereinsnamen. Bis Ende der 1940er hat es nur eine Union gegeben, und die | |
| spielte in blau und weiß im Südosten Berlins. Doch dann kam das turbulente | |
| Jahr 1949 und alles wurde anders. Im Mai wurde die Bundesrepublik | |
| Deutschland gegründet, im Oktober folgte die Deutsche Demokratische | |
| Republik, und aus dem einen Berlin wurden langsam aber sicher zwei. | |
| Union Oberschöneweide saß dabei irgendwie zwischen allen Stühlen. Der | |
| Verein trainierte zwar im Osten, trug seine Spiele jedoch im Westberliner | |
| Poststadion aus – offiziell weil in der Wuhlheide der Rasen erneuert werden | |
| musste. Inoffiziell dürfte aber auch eine Rolle gespielt haben, dass | |
| bereits 1948 in Ost und West unterschiedliche neue Währungen eingeführt | |
| worden waren und durch die Spiele in Moabit hartes Westgeld verdient werden | |
| konnte. | |
| Rein sportlich war die Teilung Berlins noch nicht vollzogen worden, als die | |
| beiden deutschen Staaten entstanden, und so spielten mit Union und dem VfB | |
| Pankow auch zwei Ostvereine mit um die Berliner Meisterschaft. Die | |
| sportliche Führung der DDR stellte das allerdings vor nicht unwesentliche | |
| Probleme. Zum einen sollte zur Saison 1950/51 der Status des | |
| Vertragsspielers in der obersten Berliner Liga eingeführt und so die schon | |
| lange üblichen Zahlungen endlich legalisiert werden, was sich jedoch mit | |
| dem Amateurismus des Arbeiter- und Bauernstaats nicht vereinbaren ließ. Zum | |
| anderen war Union schlicht zu erfolgreich. Der Verein war drauf und dran, | |
| sich für die Endrunde der Deutschen Meisterschaft zu qualifizieren. | |
| Ein Ostverein, der im Westen um eine solche schon durch seine bloße | |
| Teilnahme gesamtdeutsche Meisterschaft mitspielte, war für die Sportführung | |
| der DDR selbstredend undenkbar. Die Spieler von Union freilich waren da | |
| ganz anderer Meinung. Während sie sich weiter mit dem späteren Meister | |
| Tennis Borussia ein spannendes Titelrennen lieferten, wurde unter der Hand | |
| bereits daran gearbeitet, auch in der kommenden Saison und zwar mit einer | |
| Mannschaft aus Vertragsspielern in der Berliner Stadtliga aufzulaufen. | |
| Im Mai 1950 wurde es ernst. Durch den Sieg in zwei Entscheidungsspielen | |
| gegen den Berliner SV hatte Union Oberschöneweide sich für die Endrunde zur | |
| Deutschen Meisterschaft qualifiziert. Einige Tage später sollte das Team in | |
| Kiel gegen den Hamburger SV antreten. Die sportliche Führung der DDR jedoch | |
| legte ein Veto ein. Die Spieler mussten sich entscheiden. „In Einvernehmen | |
| zwischen Vorstand und Mannschaft setzten wir uns nach einer Krisensitzung | |
| über dieses Verbot hinweg“, erinnerte sich der damalige Verteidiger Richard | |
| „Hardi“ Strehlow Jahrzehnte später in einem Interview. „Wir flogen nach | |
| Kiel, um unsere Teilnahme an diesem Spiel wahrzunehmen.“ | |
| Zwar gingen die Berliner dort dann mit 0:7 regelrecht unter, doch ein | |
| Zurück gab es für sie nun nicht mehr. Bis auf zwei Spieler siedelte binnen | |
| kürzester Zeit das ganze Team nach Westberlin über. Den Anfang machte Heinz | |
| Rogge, damals mit 29 Treffern amtierender Torschützenkönig der Liga. „Mit | |
| Kind und Kegel mit einem Lkw nach Westberlin“, sei er gefahren, erzählte er | |
| kurz vor seinem Tod 2011 dem Journalisten Matthias Koch, als der gerade für | |
| sein Buch über den 1. FC Union recherchierte. Die anderen folgten wenig | |
| später. „Es versuchte uns auch niemand umzustimmen“, so Rogge. | |
| Wahrscheinlich war man in der Sportführung der DDR sogar froh, die | |
| Unruhestifter los zu sein. | |
| In den folgenden Jahren war der SC Union 06, der weiter in blau-weiß und im | |
| Poststadion spielte eines der Topteams Westberlins. Zu den Spielen kamen in | |
| den ersten Jahren meist mehr als 10.000 Menschen – viele davon aus dem | |
| Osten. Doch mit den Jahren wurden es immer weniger. Dann kam 1961 der | |
| Mauerbau und die Verbindungen rissen endgültig ab. Aus dem Ostverein im | |
| Exil wurde langsam aber sicher ein Westberliner Amateurverein unter vielen. | |
| Im Osten hingegen wurde vier Jahre später nach einigem Hin und Her der 1. | |
| FC Union gegründet. Der spielte zwar nun in rot und weiß, berief sich | |
| jedoch ebenfalls auf die Tradition der alten Union aus Oberschöneweide. Das | |
| aber ist wieder eine andere Geschichte. | |
| 15 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Tölva | |
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