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# taz.de -- Islamisten in Nigeria: Mysteriöser Waffenstillstand
> Die Regierung vermeldet einen Waffenstillstand mit Boko Haram. Richtige
> Gespräche stehen noch aus. Die Gewalt geht vorerst weiter.
Bild: Ein Zeitungsverkäufer verbreitet die zweifelhaften Neuigkeiten
BERLIN taz | Verwirrung herrscht in Nigeria, seit die Regierung am Freitag
abend ein Ende des Krieges mit der islamistischen Untergrundarmee Boko
Haram ankündigte. Es sei bei Gesprächen im Tschad unter Führung des
tschadischen Präsidenten Idriss Déby ein Waffenstillstand vereinbart
worden, bestätigten offizielle Stellen in Nigeria am Freitag abend; sie
beinhalte auch eine Freilassung der über 200 Schulmädchen, die Boko Haram
im April aus dem nordostnigerianischen Ort Chibok entführt hatte und deren
Schicksal das Land seitdem in Atem hält.
Bis Sonntag aber waren weder die Mädchen frei noch die Kämpfe zu Ende. Bei
neuen Angriffen auf mehrere Dörfer am Samstag töteten Boko-Haram-Einheiten
mehrere Dutzend Menschen. Die Gruppe kontrolliert weite Landstriche im
Nordosten Nigerias an der Grenze zu Kamerun und hat dort ein „Kalifat“
ausgerufen.
In der nigerianischen Öffentlichkeit werden Gespräche mit Boko Haram
mehrheitlich strikt abgelehnt und ein härteres militärisches Vorgehen
gefordert. In sozialen Medien wird jetzt der Vorwurf laut, Nigerias
Präsident Goodluck Jonathan wolle die Armee ruhigstellen und mit
Erfolgsmeldungen seine Kandidatur zur nächsten Präsidentschaftswahl im
Februar 2015 vorbereiten.
Die Waffenstillstandsvereinbarung wurde zuerst von Nigerias obersten
Generälen bekanntgegeben – in einer Weise, die klarmachte, dass sie nicht
daran beteiligt waren. Auf seiner Webseite veröffentlichte Nigerias
Generalstab am späten Freitag nachmittag folgende Erklärung: „Während des
Abschlusses einer Koordinierungskonferenz zwischen Nigeria und Kamerun über
grenzüberschreitende militärische Operationen informierte Generalstabschef
Luftmarschall Alex Badeh die Delegierten, dass unabhängig von ihrem
dreitägigen Austausch und den Beschlüssen des Forums ein
Waffenstillstandsabkommen zwischen der Bundesregierung von Nigeria und
Ahlul Sunna Li Daawa Wal Jihad (der offizielle Name von Boko Haram, Anm. d.
R.) beschlossen wurde. Er wies die Stabschefs an, sofortiges Befolgen
dieser Entwicklung im Feld sicherzustellen.“
## Boko Haram schweigt
Alhaji Hassan Tukur, Sonderberater des nigerianischen Präsidenten und
Leiter der Regierungsdelegation bei den Gesprächen, sagte der Tageszeitung
This Day, Boko Haram habe die Initiative zu den Verhandlungen ergriffen.
„Die Organisation nahm Kontakt mit Tschads Regierung auf, die ihre eigenen
Verifizierungen vornahm und uns informierte. Sowohl die (nigerianische)
Bundesregierung als auch die tschadische Regierung sagten, dass es eine
Einstellung der Kämpfe geben muss, bevor ernsthafte Gespräche beginnen
können.“
Die Waffenstillstandsvereinbarung sei somit lediglich ein erster Schritt.
Präsidentensprecher Mike Omeri sagte darüberhinaus am Samstag, es gebe noch
keine Vereinbarung über eine Freilassung der entführten Schulmädchen.
Dieses Thema werde ab Montag besprochen. Boko Haram, heißt es, wolle die
Mädchen nicht alle auf einmal freigeben, sondern in kleinen Gruppen,
abhängig von der weiteren Entwicklung.
Offenbar fanden also zwei parallele Diskussionen statt – einmal zwischen
Nigerias und Kameruns Militärs in Kamerun, einmal zwischen Nigerias
Regierung und Boko Haram im Tschad. In Kamerun ging es eher um die Folgen
der jüngsten militärischen Erfolge gegen Boko Haram dort. In einer
Erklärung am Freitag sprach Kameruns Regierung von 107 toten Rebellen bei
Kämpfen vergangene Woche.
Auch Kamerun fährt allerdings eine Doppelstrategie. Wie Kameruns Präsident
Paul Biya am Samstag verkündete, gab Boko Haram in der Nacht zum Freitag 27
Geiseln frei, darunter zehn im Mai von einer Baustelle in Kamerun
gekidnappte Arbeiter aus China und die im Juli entführte Ehefrau des
Vizepremiers Amadou Ali. Im Gegenzug soll die Gruppe die Freilassung von
vier inhaftierten Boko-Haram-Führern sowie umgerechnet 300.000 Euro
Lösegeld erhalten haben.
In Nigeria stießen die Berichte über einen Waffenstillstand am Wochenende
auf Skepsis. Der wichtigste Dachverband muslimischer Politiker
Nordnigerias, ACF (Arewa Consultative Forum), sagte, auf eine Einstellung
der Kämpfe müsse die Rückgabe der von Boko Haram kontrollierten Gebiete
folgen. Zeitungen weisen darauf hin, dass weder der Abkommenstext bekannt
sei noch, mit wem genau die Regierung eigentlich gesprochen habe. Boko
Haram selbst schweigt.
19 Oct 2014
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Nigeria
Boko Haram
Islamismus
Entführung
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