| # taz.de -- Arbeitskampf der Eisenbahner: Die Bahn steht. Na und? | |
| > Wegen des Streiks der Lokführergewerkschaft fallen am Wochenende | |
| > deutschlandweit zwei von drei Fernzügen aus. Die Reisenden nutzen Busse. | |
| Bild: Schön bunt, mit Internet und billig: Fernbusse als Ersatz für die Bahn. | |
| BERLIN taz | Am Berliner U-Bahnhof Kaiserdamm drängten am Sonntagnachmittag | |
| Fahrgäste mit Rollkoffern in Richtung Ausgang. Sie wollten zum Zentralen | |
| Busbahnhof, wo schon Hunderte Reisende warteten. Den verstärkten Andrang | |
| hatten die Busanbieter der Gewerkschaft deutscher Lokführer (GDL) zu | |
| verdanken. | |
| Die Lokführer hatten in der Nacht zu Samstag die Arbeit niedergelegt, der | |
| Streik dauerte bis Montagmorgen um 4 Uhr. Die GDL verlangt 5 Prozent mehr | |
| Lohn und kürzere Arbeitszeiten. Kern des Konflikts ist aber, dass sie dies | |
| nicht allein für die 20.000 Lokführer fordert, sondern auch für rund 17.000 | |
| Zugbegleiter und Rangierführer. | |
| Vor den Anzeigetafeln am Busbahnhof suchten Reisende nach Abfahrtszeiten. | |
| „Ich bin Freitag mit der Bahn aus Oldenburg gekommen, um meine Schwestern | |
| in Berlin zu treffen“, sagte Frau Brandes. Sie hatte erst am Berliner | |
| Hauptbahnhof von dem Streik des Zugpersonals erfahren. „Ich musste mir eine | |
| Alternative suchen. Die 44 Euro für den Bus werden mir von der Bahn | |
| erstattet“, sagt sie. Die Tickets kosten sonst etwa die Hälfte. | |
| „Aber das ist doch normal; wenn die Nachfrage so prompt steigt, steigen | |
| eben auch die Preise“, sagte ein Mitreisender. Er und seine Frau wären | |
| sowieso Bus gefahren. „Es ist günstiger, man muss nicht umsteigen, und es | |
| gibt sogar Internet“, sagt er, während er seinen Koffer in Richtung | |
| Haltestelle zieht. | |
| Das Reisezentrum am Berliner Hauptbahnhof war am Freitag überlastet. An den | |
| Infoständen bildeten sich lange Schlangen; nur um eine Nummer zu ziehen, | |
| musste man anstehen. „Wir warten schon seit zwei Stunden, und achtzig | |
| Nummern sind noch vor uns“, berichtete eine Reisegruppe aus Frankfurt. Die | |
| Bahn hatte für das Wochenende einen Notfahrplan erstellt. Es fuhr rund | |
| jeder dritte Zug im Fernverkehr, auf einigen Regionalstrecken wurden Busse | |
| eingesetzt. Die erhöhte Nachfrage zur Feriensaison konnte damit aber nicht | |
| gedeckt werden. | |
| ## „Werbung für den Fernbus“ | |
| Den Busunternehmern hat die GDL mit dem Streik einen Gefallen getan. | |
| Bundesweit waren viele Anbieter ausgebucht. In München etwa rechnete | |
| Flixbus mit einem Umsatzanstieg von über 30 Prozent. „Wir haben Zusatzbusse | |
| und Doppeldecker eingesetzt. Es war ein Rekordwochenende“, sagte Sprecherin | |
| Bettina Engert. In Berlin klang die Wochenendbilanz ähnlich. | |
| Noch wichtiger aber sei das langfristige Potenzial, sagte ein Mitarbeiter | |
| von ADAC Postbus. „Eine bessere Werbung könnte es nicht geben. Die Bahn | |
| schickt uns Erstkunden, denen wir jetzt zeigen können, was wir können“, | |
| sagte er. Die GDL schade der Bahn und dem Personal. „Die Lokführer sägen an | |
| ihren eigenen Arbeitsplätzen, denn die Verärgerung über die Bahn ist unter | |
| den Fahrgästen deutlich zu spüren.“ | |
| Dass einige Busse wegen des Andrangs Verspätung haben, stört die Fahrgäste | |
| nicht. „Die Bahn kommt ja auch oft zu spät“, sagte Frau Grentz aus Lemgo. | |
| „Viele sehen das anders, aber ich denke, dass die Gewerkschaft zu viel von | |
| der Bahn verlangt. Aber am Ende baden es ja sowieso wieder die Fahrgäste | |
| über die Ticketpreise aus“, sagte sie. | |
| Erst am Freitagabend hatte die GDL ein Angebot der Bahn abgelehnt. Das | |
| Unternehmen wollte den Streik doch noch abwenden und bot für die Lokführer | |
| eine dreistufige Einkommenserhöhung um 5 Prozent an. GDL-Chef Claus | |
| Weselsky sprach von einem „Scheinangebot“, mit dem die Solidarität | |
| ausgehebelt werden solle, und blieb beim Streikaufruf. Die Bahn warf | |
| Weselsky daraufhin vor, jedes Maß verloren zu haben. Es werde immer | |
| deutlicher, dass es nicht um die Interessen der Lokomotivführer gehe, | |
| „sondern um Allmachtsfantasien eines Funktionärs“. | |
| Eine Ende der Streiks ist noch nicht in Sicht. Vorerst gehe man aber von | |
| einer Streikpause ab Montag für mindestens sieben Tagen aus, sagte GDL-Cef | |
| Weselsky. Angaben der Deutschen Bahn zufolge ist der Pendlerverkehr am | |
| Montagmorgen weitgehend gesichert. | |
| 19 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Saskia Hödl | |
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