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# taz.de -- US-Band NRBQ: Die beste Band der Welt
> Bob Dylan liebt sie, Paul McCartney und Elvis Costello lieben sie auch.
> Nun tingelt die Band NRBQ mit ihrem Album „Brass Tracks“ durch die
> Provinz.
Bild: Gitarrist Steve Ferguson gehörte zu den Bandgründern.
Kaum etwas liefert so einen deutlichen Beleg für den diabolischen Charakter
der Popgöttin wie das Schicksal, das sie der Band NRBQ zugedacht hat. Oh
ja, ihr werdet eine lange Lebensdauer haben, wird sie mit Blick auf die
frisch gegründete US-Gruppe 1967 beschlossen haben. Einige der größten
Künstler eurer Zeit will ich zu euren ergebensten Anhängern machen. Aber
nichts ist ohne Preis in dieser Welt, wird sie nach einer Pause hinzugefügt
haben: Ihr werdet ein permanenter kommerzieller Flop werden. Und der
normale Pop- und Rockhörer wird niemals von eurer Existenz erfahren.
Um an diesem Schicksal etwas zu ändern, fahren die Feinde der Popgöttin
seit Jahren die schwersten Geschütze auf. So schrieb neulich Jad Fair,
seines Zeichens Chef der Avantgarde-Band Half Japanese, im britischen
Magazin The Wire: „NRBQ ist meine Lieblingsband. Es mag eine bessere Band
auf einem anderen Planeten geben, aber ich bezweifele es. Selbst ein
Außerirdischer mit vier Armen und tausend Fingern könnte nicht so gut Piano
spielen wie Terry Adams. In ’Webster’s Dictionary‘ wird ’Perfektion‘
definiert als ’eine Verkörperung höchster Exzellenz‘, und das ist ungefä…
meine Definition von NRBQ.“
Jad Fair steht nicht allein mit seiner Begeisterung. Bob Dylan, Paul
McCartney und Elvis Costello teilen seine Wertschätzung für die Band. Auch
in mehreren „Simpsons“-Episoden werden NRBQ ausgiebig gefeaturt. Nichts
davon wirkte sich je spürbar auf ihre Albumverkäufe aus. Nach wie vor
tingelt die Band durch kleine Provinzclubs. Aber wofür steht NRBQ
überhaupt?
Rein formal: für New Rhythm & Blues Quartet (ursprünglich Quintet).
Inhaltlich: für eine leider nicht mehrheitsfähige, sich nicht an Stilen,
sondern eher am tatsächlichen Gehalt von Musik orientierende
Musikauffassung. In ihrer Welt rangieren Thelonious Monk und Carl Perkins
gleichberechtigt nebeneinander, genauso wie Sun Ra und sein Arkestra und
The Lovin’ Spoonful oder Johnny Mercer und Carla Bley. Mit all diesen
Künstlern haben sie sich in ihrer über 40-jährigen Geschichte
auseinandergesetzt, in ihren besten Momenten fließen deren gesammelte
Qualitäten zu einem neuen Stück Musik zusammen.
## Von Monk zu Rockabilly zu Noise
Gegründet wurde die Band 1967, und als einziges Mitglied aus jener Zeit ist
heute noch Pianist Terry Adams dabei. 1969 veröffentlichte der Musikkonzern
Columbia ihr Debütalbum. NRBQ fiel schnell durchs Raster. Nach mehreren
Umbesetzungen kam 1972 eine Quartettbesetzung zusammen, die bis Mitte der
neunziger Jahre Bestand hatte und das goldene Zeitalter der Gruppe
bestimmte: Neben Adams und Spampinato gehörten zur Band der Schlagzeuger
Tom Ardolino und der einzigartige Gitarrist, Sänger und Songschreiber Al
Anderson. Alle vier konnten in Sekundenbruchteilen von Monk zu Rockabilly
zu Noise und schließlich zu einem verträumten Popsong aus hauseigener
Produktion hüpfen.
Den Großteil des Rock-Publikums überforderten sie damit, auch die Besucher
des Berliner Jazzfests 1984 zeigten sich diesem Repertoire nicht gewachsen.
Verschiedene Versuche von Majorlabels, die Gruppe zu zähmen, scheiterten,
sodass die meisten ihrer Alben auf Indielabels erschienen und seit Anfang
des Jahrtausends auf den bandeigenen Labels Edisun bzw. Clang!. Dort
erschien auch ihr jüngstes Album, „Brass Tracks“, und wahrscheinlich hätte
die deutsche Öffentlichkeit davon nie Nachricht erhalten, wäre nicht ein
weiterer NRBQ-Fan auf den Plan getreten: Maurice Summen, einerseits Sänger
der Berliner Band Die Türen, andererseits Chef des Staatsakt-Labels.
„Brass Tracks“ führt eine neue NRBQ-Besetzung vor, die in der Folge eines
Zerwürfnisses zwischen Terry Adams und Joey Spampinato entstand und
zunächst als Terry Adams Rock And Roll Quartet auftrat. Die drei neuen
Mitglieder haben offensichtlich zunächst ein NRBQ-Masterstudium belegt und
mit Auszeichnung abgeschlossen, sodass sie nicht nur wie die Mitglieder der
Goldenen Besetzung spielen und denken können, sondern auch optisch
zumindest eine gewisse Ähnlichkeit mit Al, Tom und Joey aufweisen.
Lediglich beim Songwriting können Scott Ligon und Casey McDonough die von
Anderson und Spampinato gesetzten Standards nicht ganz erfüllen.
Was aber nicht so sehr ins Gewicht fällt, da die Hälfte des Albums aus
neuen Originalen von Terry Adams besteht, der sich in Bestform zeigt. Wie
viel kommerzielles Potenzial übrigens in der Band schlummert, zeigt die
weitere Karriere von Al Anderson, der sich 1993 aus der Band
verabschiedete, weil ihm als Dreizentnermann das andauernde Reisen
Knieprobleme verursachte. Seitdem komponiert er für Country-Stars wie Tim
McGraw, Vince Gill oder Jimmy Buffett und ist als Songwriter Dauergast in
der „Billboard“ Country Top 20.
27 Oct 2014
## AUTOREN
Detlef Diederichsen
## TAGS
Pop
Werkschau
LSD
Neues Album
Berlin
Country
Sven Regener
Blues
Rock
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