# taz.de -- Michael Klein über die Klippen des Erzieherberufs: „So ein Ruf i… | |
> Michael Klein ist Erzieher in einer Hamburger Kita und dort der einzige | |
> Mann. Darauf, die Kinder aufs Klo zu begleiten, verzichtet er | |
> sicherheitshalber. | |
Bild: Macht in der Kita keine "Klo-Sachen", muss aber einspringen, wenn sich Ki… | |
taz: Herr Klein, brauchen wir männliche Erzieher? | |
Michael Klein: Ich finde, Männer geben den Kindern andere Perspektiven, | |
andere Sichtweisen. Ich würde genauso wenig sagen: „Es soll einen | |
Kindergarten nur mit Männern geben, wo keine Frauen sind“, dann würde den | |
Kindern alles Mögliche fehlen. | |
Sie sind kein Erzieher, arbeiten aber im Kindergarten. Wie das? | |
Nach dem Abitur hab ich angefangen, Englisch zu studieren. Ich bin | |
gelernter sozialpädagogischer Assistent, SPA, das ist vom Prinzip her das | |
gleiche wie Erzieher, nur die Ausbildungszeit ist kürzer. SPA ist auch | |
praktischer in der Arbeit, von der Ausbildung her. Damals gab es auch die | |
Möglichkeit bei einem guten SPA-Abschluss die Erzieherausbildung im | |
Anschluss von drei auf zwei Jahre zu verkürzen. Das wurde leider | |
abgeschafft. Außerdem bekam ich von der Kita, in der ich ein | |
Pflichtpraktikum gemacht habe, ein gutes Angebot. | |
Haben sich die Aufgaben geändert? | |
Heutzutage sind Kindergärten ganze Bildungseinrichtungen: kindliche | |
Früherziehung, Sprachen … Das alles fließt mit ein. | |
Sie sind der einzige Betreuer in Ihrem Kindergarten. Ist das schwierig? | |
Bei uns ist es sehr entspannt. Man sagt immer: Männer und Frauen erziehen | |
unterschiedlich. Es gibt Punkte, da sagen die Frauen: „So würde ich das | |
nicht machen.“ Ich bin eher spontaner. Wir haben einen festen Stundenplan, | |
auf den die Kolleginnen viel Wert legen. Das ist auch sehr sinnvoll, denn | |
man muss ja auch vorbereiten. Ich grätsche dann da manchmal rein und finde, | |
dass wenn die Kinder bei dieser einen Sache voll dabei sind, sollte man das | |
auch mehr vertiefen. Das darf ich dann aber auch! | |
Sind alle KollegInnen so offen? | |
Ich war – vor meiner jetzigen Stelle – als Praktikant in einem anderen | |
Kindergarten. Dort hatte ich das Gefühl, dass die Mitarbeiter selbst | |
männliche Erzieher suspekt fanden, weil sie dort meinten, Männer seien für | |
den Beruf eigentlich nicht geeignet. Das hatte wohl etwas damit zu tun, | |
dass Männer – wie eben erwähnt – anders erziehen. | |
Viele Erzieher dürfen die Kinder nicht auf die Toilette begleiten oder | |
wickeln. | |
Bevor ich angefangen habe, war meiner Chefin schon klar, dass es gewisse | |
Situationen gibt, die zum Problem werden könnten. Und Männer werden da, | |
anders als Frauen, schneller in Verruf gebracht. Als Schutzmaßnahme hieß es | |
schon damals: „Du machst keine Klo-Sachen“, also keine Toilettengänge, kein | |
Wickeln, kein Umziehen. Dann wissen auch die Eltern, woran sie sind. | |
Umziehen geht auch nicht? | |
Jacken, Hosen, Schuhe zumachen, das mache ich natürlich auch. Gerade im | |
Winter wäre es ein Albtraum, wenn ich mich da auch noch raushalten würde. | |
Wenn die Kinder sich mal eingenässt haben, dann machen das die Kolleginnen. | |
Da bin ich wieder raus. Mit den Kolleginnen hab ich den Deal gemacht: Wenn | |
die Kinder sich übergeben müssen, dann muss ich mich drum kümmern. Passiert | |
zum Glück nicht so oft, aber das ist dann ein kleiner Ausgleich. | |
Fühlen Sie sich dadurch benachteiligt? | |
Toilettengänge oder Wickeln sind jetzt nicht grade die schönsten Aufgaben, | |
von daher beschwere ich mich nicht. Aber man ist schon in einer abhängigen | |
Position. Ich muss immer einer Kollegin Bescheid geben, wenn sich ein Kind | |
meldet. Aber wir haben uns mit der Zeit damit organisiert. Auch jeder | |
weitere Erzieher, der bei uns eingestellt werden würde, hätte dasselbe | |
Schicksal. | |
Wenn es nie zu schwierigen Situationen zwischen Ihnen und Kindern gekommen | |
ist: Wie sinnvoll ist diese Sonderregelung? | |
In einer Einrichtung in der Nähe gab es wohl mal einen Vorfall: Ein älteres | |
Ehepaar war dort angestellt und er hat dann wohl auch bei Toilettengängen | |
geholfen. Das war den Eltern wohl nicht so recht und da gab es dann auch | |
Probleme. Aus dieser Erfahrung hat unsere Leitung gelernt. | |
Gab es in der benachbarten Kita einen konkreten Anlass zur Sorge? | |
Es war den Eltern halt einfach nicht recht, dass ein Mann bei so „privaten“ | |
Dingen hilft. So ein Ruf ist ja auch schnell ruiniert. Auch wenn sich kaum | |
noch einer an die Geschichte erinnert, geschweige denn an Details, bleibt | |
doch immer im Hinterkopf: „Da war doch mal was …“ | |
Arbeitet der Erzieher da noch? | |
Nein, nach so einer Geschichte ist das aber auch kaum noch möglich. | |
Fragen die Kinder manchmal, weshalb Sie immer die Kolleginnen rufen müssen? | |
Nein, das fragen sie komischerweise nicht. Ich sage den Kindern dann, dass | |
sie sich an meine Kolleginnen wenden sollen und für die ist das dann okay | |
und gehen dann zu denen. Bisher hat noch keiner darauf beharrt, dass ich | |
mit auf Toilette komme. | |
Was sagen die Eltern dazu? | |
Klar fragen die Eltern danach und finden das erst mal merkwürdig. Aber wenn | |
ich ihnen dann erkläre, dass es nur zum Selbstschutz ist, dann verstehen | |
die Eltern das schon. Viele sagen mir aber auch, dass sie es unsinnig | |
finden, weil bei Frauen gibt es doch auch zweideutige Situationen. Es ist | |
aber nun mal so, dass das nur bei Männern enger gesehen wird. | |
Haben sich Eltern schon mal bei Ihnen beschwert? | |
Das Kinder mal ankommen und umarmt werden möchten oder auf den Schoß | |
wollen, kommt immer mal vor. Zum Glück gab es da keine Bemerkungen. Einer | |
meiner Mitschüler, in der Ausbildungsklasse, hatte ein Praktikum in einem | |
Waldkindergarten gemacht. Da meinte ein Vater: „Mein Kind wird hier nicht | |
hingebracht, wenn es hier einen männlichen Erzieher gibt.“ Sowas gibt es | |
auch. | |
Akzeptieren die Eltern Sie als vollwertigen Ansprechpartner oder eher als | |
Spielkamerad für die Kinder? | |
Ich stelle fest, dass ich wenig nach Dingen wie das Verhalten der Kinder | |
gefragt werde. Ich gebe zwar auch gerne mal Feedback – auch mal ungefragt, | |
wenn etwas Besonderes passiert ist –, aber das wird sich dann gerne | |
angehört. Bei allen Kolleginnen ist es so, dass die Entwicklungsgespräche, | |
in denen die Fortschritte der Kinder besprochen werden, immer mit der | |
Chefin verlangt werden. Die Chefin lehnt zwar immer ab, sagt dass alle | |
Mitarbeiter ansprechbar sind und auch Entwicklungsgespräche führen können. | |
Aber es wird immer wieder nach der Chefin gefragt. Erklären kann ich es mir | |
nicht wirklich, vielleicht werden da noch mehr Spezialkenntnisse erwartet. | |
25 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Frida Kammerer | |
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