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# taz.de -- Pornfilmfestival Berlin 2014: Von Schwanzlesben und Sadistinnen
> In Kreuzberg feierte das Pornfilmfestival zum neunten Mal die Vielfalt
> der Geschlechter und des Sex jenseits von Wichsvorlagen.
Bild: Porno kann schön, sinnlich und wunderbar weiblich sein, wie in Goodyn Gr…
Ist Porno schön? Also Porno im Sinne einer industriell wie fließbandartig
produzierten Masturbationsvorlage? Die Wenigsten würden mit dieser Art
Porno wohl so etwas wie Schönheit verbinden. Eine Schönheit, die auf
Natürlichkeit und Sinnlichkeit beruht. Hauptsache, es erfüllt seinen Zweck.
Porno ist ein Gebrauchsgut, heute mehr denn je, wo explizite Darstellungen
von Sex nur einen Klick entfernt sind. Kann es so etwas wie Schönheit im
Porno überhaupt geben? Über 400 Werke wurden dieses Jahr für das 9.
Pornfilmfestival Berlin eingereicht, aus denen die Kuratoren Manuela Kay,
Jürgen Brüning, Jochen Werner, Claus Matthes und Paula Alamillo 119 Werke
für ihr Festival auswählten.
Vielleicht muss man an dieser Stelle den Begriff Porno loswerden, denn das,
was das Festival abbildet und vertritt, ist vom Standardporno weit
entfernt. Mehr noch, es ist in punkto Sexualität, Geschlecht und filmischer
Form höchst divers.
Irritation und Faszination sind in Gala Vantings Dokumentation „Love Hard“
verbunden. „Es macht keinen Spaß, wenn es nicht extrem ist“, sagt eine der
Protagonistinnen in die Kamera, und der Umschnitt macht klar, was sie
meint: Nadeln, Drahtbürsten, Schläge und Tritte prasseln auf ihren Partner
ein.
## Unbehagen im Kinosaal
Das spürbare Unbehagen im vollen Kinosaal fängt Gala Vanting sofort auf,
mit atmosphärisch dichten und zärtlichen Betrachtungen von Menschen, die
eine Vorliebe für Bondage und SM haben. Man muss diese sexuellen Spielarten
nicht mögen, doch man kommt nicht umhin, tiefen Respekt für die
ProtagonistInnen in „Love Hard“ zu entwickeln.
BDSM ist auch in den Kurzfilmen von Jan Soldat ein wiederkehrendes Motiv,
der dieses Jahr als einer der Filmemacher im Fokus gewürdigt wurde. Jan
Soldat stellte dabei auch sein Porträt „Der Unfertige“ vor. Klaus, ein
schwuler 60-jähriger Steuerberater aus dem Odenwald, bezeichnet sich selbst
als Sklave.
Zu Hause ist Klaus meistens nackt und in Ketten, wöchentlich geht er zum
Nacktputzen. Hin und wieder sucht er die Züchtigung im Sklavencamp: „Da
stimmt der Kreislauf wieder“, gibt er fröhlich lächelnd zu Protokoll,
nachdem ihm dort der Arsch versohlt worden ist.
Sein Vater war Major der Wehrmacht, seine Mutter hat als junge Lehrerin im
Dritten Reich die nationalsozialistische Ideologie gelehrt. „Sie kannte
nichts anderes, sie wuchs selbst damit auf.“ Erst später, so berichtet
Klaus freimütig in die Kamera, habe sie begriffen, was damals eigentlich
passierte. Jan Soldats große Kunst ist es, ausgerechnet im Kurzfilm eine
menschliche Tiefe zu entwickeln, die ihresgleichen sucht.
## Zwei Brüste, drei Penisse, drei Ärsche
Fesselnd und herausfordernd zeigte sich das jüngste Werk der kalifornischen
Filmemacherin Courtney Trouble, eines Stammgasts des Festivals. In „Fucking
Mysthic“ schickt sie das queere Starlet Chelsea Poe auf eine
magisch-erotische Entdeckungsreise durch San Francisco.
Was als lesbischer Porno beginnt, entpuppt sich bald als wesentlich
weitergehend, denn Chelsea Poe kann neben langem rotem Haar und einladenden
Brüsten eben auch einen ansehnlichen Penis vorweisen. Spätestens wenn sie
mit zwei über und über tätowierten schwulen Männern in einen Dreier
startet, werden Fragen sexueller Identität irrelevant.
Weltpremiere auf dem Pornfilmfestival feierte „Shutter“, ein Film der in
Berlin lebenden Fotografin und Filmemacherin Goodyn Green. Episodisch
angelegt, verzaubert dieser lesbische Porno durch warme, farbgetränkte
Bilder und eine beinahe unbeschreibliche Sinnlichkeit, Natürlichkeit und
ja: Schönheit. In solchen Momenten lohnt es sich, den Blick von der
Leinwand ins Kinopublikum zu wenden. Man sieht in Gesichter, die gebannt
und lächelnd einem Film folgen, der sie auch jenseits aller sexuellen
Erregung berührt.
2015 kann das Pornfilmfestival seine zehnte Ausgabe feiern. Wenn die
KuratorInnen nur annähernd die Qualität erreichen, die ihr Programm dieses
Jahr hatte, wird es ein rauschendes Fest und eine schillernde Party der
filmischen wie auch sexuellen Ausdrucksformen. Porno kann so schön sein.
27 Oct 2014
## AUTOREN
Manuel Schubert
## TAGS
Pornofilm
Queer
Pornografie
Porno
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DIY
BDSM
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