# taz.de -- Protest gegen NSA-Überwachung: Schmerzhafte Trennung | |
> In den USA wird die NSA-Ausspähung kaum künstlerisch verarbeitet. Nun | |
> beklagt die Musikerin Holly Herndon das Ende der Privatsphäre. | |
Bild: Holly Herndon: Filter zwischen Gesicht und dem geliebten Laptop | |
Eigentlich ist es eine gute Voraussetzung für Kunst, nicht mehr Herr im | |
eigenen Haus zu sein. Dann wartet das Unheimliche hinter dem Duschvorhang | |
oder im Betriebssystems des Laptop. So ist es zumindest bei der | |
Computermusikerin Holly Herndon aus San Francisco. | |
„Home“ heißt ihr Kunstwerk über den Verlust der Privatsphäre. „I feel … | |
I’m home on my own / And it feels like you see me“ singt sie. Es ist ein | |
Lied über die Trennung von einem alten Freund – ihrem Computer. Es muss | |
eine schmerzhafte Trennung sein, denn ohne ihren Computer gäbe es Holly | |
Herndon nicht. | |
Live steht sie vor ihrem Laptop, singt in ihn hinein, und ihre Stimme | |
vervielfältigt und überlagert sich – Herndon klingt auf diese Weise | |
empathisch und entkörperlicht fremd zugleich. Die elektroakustischen | |
Effekte ihrer Musik berechnet sie aus den Datenspuren ihrer | |
Digitalexistenz, egal ob es sich dabei um das elektrische Brummen ihres | |
Macbooks handelt, dass sie mit Kontaktmikrofonen aufnimmt, oder die Chronik | |
ihres Browsers: Herndons Musik ist das Produkt einer vokalelektrischen | |
Mensch-Maschine. | |
Ihre Arbeiten sollen den „angenommenen Dualismus zwischen Menschen und | |
Computern“ aufheben, hat Holly Herndon einmal geschrieben. Nun trennt sie | |
sich also von ihrem Computer, weil er sich von ihr getrennt hat – er hat | |
jemanden Drittes in ihre Symbiose gelassen – per Gesetz musste er dies | |
sogar. | |
## Verlust der Heimeligkeit | |
Dieser Dritte legt sich im [1][Video zu „Home“] wie ein Filter zwischen | |
Herndons Gesicht und die Kamera. Herndon schaut wie ihr biometrisches | |
Passbild geradeaus, davor fliegen die Logos der neuen Herren über Herndons | |
Rechner: die Logos von NSA, Prism und XKeyscore. | |
Aber so sehr Herndon über den Verlust der Heimeligkeit singt, so wenig | |
singt sie davon. „Home“ unterscheidet sich nicht von den Songs, die sie auf | |
ihrem Rechner produziert hat, bevor sie der digitalen Totalüberwachung | |
gewahr wurde. | |
Vielleicht ist es eine Allegorie auf die Gleichgültigkeit gegenüber dem | |
NSA-Skandal, vielleicht ist es aber auch einfach nur ein Zeichen der Zeit: | |
Bei einem Vortrag auf dem letzten CCC-Kongress wurde eine Powerpoint-Folie | |
von der Electronic Frontier Foundation gezeigt. Auf ihr ist zu sehen, was | |
sich aus der Kenntnis von Metadaten alles ablesen lässt: Sexgewohnheiten, | |
Selbstmordabsichten, eine HIV-Infektion. Bislang kann kein Popsong den | |
Verlust der digitalen Heimeligkeit so schauderhaft zeigen wie diese Folie – | |
auch Holly Herndons „Home“ nicht. | |
30 Oct 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://vimeo.com/106282943 | |
## AUTOREN | |
Christian Werthschulte | |
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