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# taz.de -- Marode Atomanlage in Sellafield: Klar wie Kernbrühe
> Heruntergekommene Becken unter freiem Himmel: So sind Brennelemente in
> der Atomanlage im englischen Sellafield untergebracht.
Bild: Das Kraftwerk in Sellafield.
MAINZ taz | In der Atomanlage von Sellafield in Nordengland lagern nukleare
Brennelemente unter freiem Himmel in maroden Becken aus bröckelndem Beton.
Das belegen Fotos, die [1][jetzt öffentlich geworden] sind. „Die Fotos
zeigen verstörend marode Strukturen“, sagt der Nuklearexperte John Large.
„Meiner Meinung nach besteht ein signifikantes Risiko, dass das System
versagen könnte.“
Sellafield ist in Deutschland vor allem als Wiederaufbereitungsanlage für
Brennelemente bekannt. Doch der riesige Komplex an der Westküste Englands
besteht aus vielen verschiedenen Nuklearanlagen, die nach und nach für 70
Milliarden Pfund (89 Milliarden Euro) abgerissen werden sollen: Neben den
Wiederaufbereitungsanlagen, in denen aus abgebrannten Brennelementen
Plutonium für Bomben gewonnen wird, gibt es auch Kraftwerksblöcke sowie
Abklingbecken.
In ihnen lagern unter Wasser Massen von Brennstäben, vor allem aus den
Monaten des Bergarbeiterstreiks 1974, als Kohle im Vereinigten Königreich
knapp war und die Atomkraftwerke auf Hochtouren liefen. Anschließend wurden
sie teilweise 40 Jahre lang nicht beachtet und gewartet. Eine dieser
Anlagen mit Abklingbecken in Sellafield, genannt „B30“, ist die
gefährlichste Industrieanlage in Westeuropa, wie der stellvertretende
Geschäftsführer von Sellafield, George Beveridge, urteilt.
Das belegen die jetzt veröffentlichten Fotos von B30 eindrücklich. „Wenn
eine Beckenwand durch einen Unfall oder einen Terroristenangriff bricht,
würden sich die Brennstäbe entzünden und den ganzen Landstrich für lange
Zeit kontaminieren“, zitierte die Zeitschrift The Ecologist John Large.
Andere Experten, etwa vom Öko-Institut in Darmstadt, halten eine solche
Einschätzung nur auf der Grundlage von Fotos für zu heikel – sie wollen
sich nicht äußern.
## Keine adäquaten Kontrollen
Ein Sprecher von Sellafield Ltd bestätigte der taz, dass die Fotos wohl in
Sellafield aufgenommen worden seien. Dies sei jedoch offenbar vor längerer
Zeit geschehen, denn die Bilder zeigten nicht den aktuellen Stand der
Arbeiten. Dem Magazin The Ecologist zufolge, das die Fotos von einer
anonymen Quelle erhalten hat, stammen die Aufnahmen jedoch zumindest
teilweise von 2013 oder 2014. Vorher sei das Wasser in den Becken nämlich
noch gar nicht gesäubert gewesen, und was sich in der trüben Brühe befand,
sei nicht wie auf dem Bild zu erkennen gewesen. Im Jahr 2007 sprach der
Europäische Gerichtshof Großbritannien sogar für schuldig, EU-Inspekteuren
keine adäquaten Kontrollen ermöglicht zu haben, weil der Inhalt der Becken
wegen der Algen nicht zu sehen war. Sellafield Ltd antwortete auf
diesbezügliche Anfragen nicht.
Das Unternehmen wies den Vorwurf zurück, die Abklingbecken seien unsicher.
„Sie entsprechen nicht modernen Standards. Das macht sie aber nicht
gefährlich, sondern bedeutet lediglich, dass der darin befindliche Müll
zurückgeholt, umgepackt und in modernere Anlagen auf dem Gelände geschafft
werden muss“, sagte ein Sprecher der taz.
Zu den nicht mehr üblichen Standards bei Abklingbecken gehört, dass sie
nach oben offen sind. Mehrere Fotos zeigen eine Möwe, die auf dem Wasser
schwimmt. Probleme mit radioaktiv kontaminierten Vögeln gab es in den
vergangenen 20 Jahren wiederholt. Tauben, Schwalben und Möwen aus der
Umgebung waren betroffen und verteilten etwa über ihren Kot geringe Mengen
Radioaktivität in der Gegend. Im Jahr 2010 wurden deshalb auf dem Gelände
Möwen abgeschossen.
Für dieses Müllproblem hatte das Sellafield-Unternehmen ebenfalls eine
beruhigende Lösung: „Alle vor Ort getöteten Möwen werden vor Ort
eingelagert.“
10 Nov 2014
## LINKS
[1] http://www.theecologist.org/News/news_round_up/2617041/the_ecologist_places…
## AUTOREN
Esther Widmann
## TAGS
Sellafield
Atommüll
Zwischenlager
Großbritannien
Schwerpunkt Atomkraft
Erneuerbare Energien
Atomenergie
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