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# taz.de -- Castortransporte aus Sellafield: Bremen will Häfen sperren
> Ein Großteil künftiger Atommüll-Transporte könnte über Bremen laufen. Das
> Bundesland will deshalb seine Häfen dafür sperren. Nachbarn an Ost- und
> Nordsee sind verärgert.
Bild: Geschlossenes Tor: Der Bremer Senat will die Häfen für Atomtransporte s…
BREMEN dpa | Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sieht schon eine
Protestwelle von Atomkraftgegnern auf sein Bundesland zurollen. Denn ab
2015 sollen mehrere Castoren mit radioaktivem Müll aus dem britischen
Sellafield zurück nach Deutschland kommen - und als Umschlaghafen ist laut
einem internen Schreiben in erster Linie Bremerhaven vorgesehen.
Ein Testlauf mit einem leeren Behälter ist bereits in diesem Frühjahr
geplant. Doch geht es nach der rot-grünen Koalition in Bremen, wird es dazu
nicht kommen: Als erstes Bundesland will der Stadtstaat seine Häfen für
Atomtransporte sperren.
Am Mittwoch soll der Landtag die von den Regierungsfraktionen angestoßene
Gesetzesänderung beschließen. Eine Mehrheit dafür gilt als sicher. Weniger
sicher ist dagegen die rechtliche Grundlage. "Wir betreten hier Neuland",
gibt der Vorsitzende des Hafenausschusses, Frank Schildt (SPD), zu. Deshalb
wird der Verstoß der Hanseaten bundesweit ganz genau beobachtet.
393 Transporte mit Kernbrennstoffen gingen nach einer Studie der
Grünen-Bundestagsfraktionen zwischen 2000 und 2009 über Bremer Gebiet, 164
davon mit dem besonders gefährlichen Uranhexafluorid.
## 334 Atomtransporte in fünf Jahren
Damit sei der Zwei-Städte-Staat nach Niedersachsen das Bundesland, das am
häufigsten die ungeliebte Fracht passieren lassen musste. Aus einer Antwort
der Landesregierung auf eine Parlamentsanfrage der Linken geht hervor, dass
allein zwischen 2005 und 2010 in den Bremer Häfen 334 Atomtransporte
umgeschlagen wurden.
Mit einem umstrittenen Winkelzug wollen SPD und Grüne das nun verhindern.
Sie planen, Bremens Häfen einer auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien
ausgerichteten Politik zu widmen - was den Umschlag von Kernbrennstäben und
Atommüll ausschließen soll. Eine Berliner Anwaltskanzlei hatte die
entsprechende Änderung des Hafenbetriebsgesetzes im Auftrag des Senats
geprüft und war zu dem Ergebnis gekommen, dass dies rechtlich zulässig sei.
Das Bundesumweltministerium sieht das jedoch anders. Die Pläne verstoßen
nach Ansicht der Ministeriumsexperten gegen Bundes- und Europarecht.
Zunächst werde man aber das Gesetzgebungsverfahren abwarten, sagte eine
Sprecherin.
## Nachbarländer sind nicht begeistert
Auch bei seinen Nachbarn an Nord- und Ostsee stößt Bremen mit seinem
Alleingang auf wenig Verständnis. Unsolidarisch, rechtlich fragwürdig und
inkonsequent lautet das Urteil aus Niedersachsen, Hamburg,
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Wenn Schiffe mit
radioaktiven Abfällen nicht mehr Bremen anlaufen können, müssen die
Transporte über andere Häfen wie Hamburg, Emden, Wilhelmshaven oder Rostock
gehen.
"Das Vorgehen Bremens ist so nicht in Ordnung. Die Rückführung von
deutschem Atommüll ist eine nationale Aufgabe, der sich einzelne
Bundesländer nicht entziehen dürfen", sagt Niedersachsens Wirtschafts- und
Verkehrsminister Jörg Bode (FDP).
Und aus Kiel heißt es, dass man in Bremen konsequenterweise auch Straßen
und Schienen für Atomtransporte sperren müsste. Doch darauf hat Rot-Grün
bewusst verzichtet, weil dafür dem Land die Gesetzgebungskompetenz fehlt.
Auch in Bremen selbst gibt es Kritik an dem Anti-Atom-Kurs. Die
oppositionelle CDU ist dagegen, ebenso die beiden Handelskammern. Sie
befürchten negative Folgen für den Wirtschaftsstandort und einen
Imageschaden, wenn Bremen künftig zwischen guten und schlechten Gütern
unterscheidet.
## Überseehandel fürchtet Folgen für andere Waren
"Das ist für uns ein Dammbruch", sagte der Hauptgeschäftsführer der Bremer
Handelskammer, Matthias Fonger. Tropenhölzer, Kohle, nicht fair gehandelter
Kaffee - all das könnte dann ebenfalls zur Debatte stehen. Das wollen SPD
und Grüne in der Gesetzesänderung jedoch ausdrücklich ausschließen.
Ob Bremen mit seinem Transportstopp wirklich durchkommt, wird sich zeigen.
Die CDU erwägt bereits, den Staatsgerichtshof anzurufen, sollte die
Bürgerschaft das Gesetz verabschieden. Doch eins ist dem kleinsten
Bundesland jetzt schon gewiss: der Applaus der Atomkraftgegner. "Das ist
was, woran sich andere Städte ein Vorbild nehmen müssten", meint der
Greenpeace-Experte Tobias Riedl.
23 Jan 2012
## TAGS
Sellafield
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
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