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# taz.de -- Die Wahrheit: Bärte von vorgestern
> Ob Weselsky oder Biermann: Oberlippenbärte und die Männer dahinter
> drangsalieren die wehrlose deutsche Öffentlichkeit.
Bild: Der Sound des Gerechten.
Ich habe Angst vor Claus Weselsky. Nicht wegen seines Einsatzes für die
Lokführer, das geht schon in Ordnung. Aber ich bin Bahnschreiberin – wie so
viele freie Autoren gehe ich meinem Beruf oft unterwegs nach. Wenn jetzt
auch nur einer meiner Kollegen einknickt und in die GDL eintritt, muss ich
am Ende erleben, wie der umtriebige Mann mit dem schnittigen ICE-Bärtchen
und der verbesserungsfähigen Formulierungskompetenz sich ermutigt fühlt,
meine Interessen zu vertreten.
Irgendwie möchte ich das lieber nicht, obwohl es vielleicht gar nicht so
schlecht wäre. In Sachen unzumutbare Arbeitsbedingungen können die
zugbegleitenden Autoren mit den Lokführern konkurrieren (Verspätungen,
lahmes Internet, unpraktische Klapptische, störende Handybrüller überall).
Vor allem aber: keine Honorarerhöhung seit 2001. Bei der Umstellung von
D-Mark auf Euro gewährte man uns damals gnädig rund ein Prozent Zuschlag.
Das muss jetzt bis zur nächsten Währungsreform reichen.
Wahrscheinlich war es sowieso nur ein Versehen, weil die Buchhaltung sich
verrechnet hatte. Also sagen Sie’s bitte nicht weiter, sonst muss ich am
Ende noch die gigantischen Summen zurückzahlen. Gute Schreiber müssen
hungrig sein, damit ihre Texte Biss haben. Deswegen ist in den Zügen das
Bordbistro auch häufig geschlossen.
Ebenfalls etwas zurückzahlen muss offenbar immer noch Wolf Biermann, der
andere Oberlippenbart der vorigen Woche. Was für eine Pein, ihm dabei
zuzusehen, wie er sich zum Bezwinger der DDR stilisiert, und das im
Parlament, das ich bis eben noch – ja, ich gestehe es – einigermaßen ernst
genommen habe. „Ich habe euch zersungen!“, herrscht der unermüdliche
Rundschädel mit siegessicherem Lächeln die Fraktion der Linken an.
So einen Gesinnungsheini von vorvorgestern, dessen Gitarrenspiel das
musikalische Können evangelischer Pastoren kaum überschreitet und der zu
seinem Geklampfe auch noch alles zerbrüllt, was versehentlich am und im
Wege liegt – so einen muss man erstmal hinterm Ofen hervorziehen und zum
Festakt der Bundestagsfeierstunde küren. Norbert Lammert hat offenbar einen
eigenwilligen Humor.
Biermanns öffentlicher intellektueller Höhenflug gipfelt darin, die
Volksvertreter dahingehend zu belehren, er selbst sei ein „Drachentöter“
und eine demokratische Wahl sei kein „Gottesurteil“. Würde er gern die
gesamte Linksfraktion mit Steinen beschwert in die Spree werfen, und wer
diese Prozedur überlebt, darf im Parlament sitzen bleiben, oder was?
Während Claus Weselsky also neuerdings großzügig der Allgemeinheit „den
Zugverkehr wieder zur Verfügung stellt“, hat er leider vergessen,
rechtzeitig den Zug zu bestreiken, der Biermann mit seinem Gitarrenkoffer
voll selbstgefälligem Getue von Hamburg in die Hauptstadt transportierte.
Aber vermutlich war der sowieso rechtzeitig aufs Pferd umgestiegen. Der
heilige Georg ritt ja schließlich auch. Den Berliner Auftritt konnte sich
Biermann keineswegs entgehen lassen – ein Bahnstreik ist eben kein
Gottesurteil.
12 Nov 2014
## AUTOREN
Susanne Fischer
## TAGS
Claus Weselsky
Wolf Biermann
Alten- und Pflegeheime
Hamburg
Landleben
Wolf Biermann
Finnen
Zeit
Männer
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