# taz.de -- Unternehmenskultur bei Kreditinstituten: Banken verleiten Banker | |
> Soziale Normen in Geldhäusern weisen ein hohes Maß an Toleranz für | |
> unlauteres Verhalten auf. Bei Tests schnitten Banker „signifikant | |
> unehrlicher“ ab. | |
Bild: Der Hauptsitz einer Großbank in Zürich: Ob da alles mit rechten Dingen … | |
ZÜRICH dpa | Vermutet haben es wohl schon viele. Sonst gäbe es keine Witze | |
wie diesen: Warum hat Wiesbaden eine Giftmülldeponie und Frankfurt so viele | |
Banker? Klar, weil zuerst Wiesbaden sich das aussuchen durfte. Nun kommt | |
eine [1][Schweizer Studie] zum Schluss: Privat seien Banker zwar kaum | |
weniger anständig als andere Zeitgenossen. Bei ihrer Berufsausübung jedoch | |
„begünstigt die Unternehmenskultur der Bankenindustrie implizit unehrliches | |
Verhalten“. | |
Neu ist der Gedanke nicht. „Gier ist gut“, lautete das Credo des 1987 von | |
Michael Douglas gespielten Finanzjongleurs Gordon Gekko im Film „Wall | |
Street“. Und als sich im realen Leben Kweku Adoboli, Händler der Großbank | |
UBS, 2012 vor Gericht verantworten musste, weil er mehr als zwei Milliarden | |
Dollar verzockt hatte, fiel ihm dies zur Entschuldigung ein: Er habe doch | |
nur im Interesse der Bank gehandelt. | |
„Adoboli war Teil eines Systems“, kommentierte seinerzeit die Basler | |
Zeitung. Eines Systems, „in dem das Geldverdienen um beinahe jeden Preis | |
wichtiger war als die Einhaltung langweiliger Vorschriften“. Aber bedeutet | |
das, dass vor allem solche Menschen Banker werden, die von Natur aus dazu | |
neigen, andere über den Tisch zu ziehen oder werden solche Verhaltensweisen | |
erst durch den Job begünstigt? | |
Dieser Frage sind Forscher der Universität Zürich nachgegangen, die sich in | |
Laufnähe zum Zürcher Paradeplatz befindet, einem der bedeutendsten Zentren | |
der internationalen Geldwirtschaft. Sie haben sich dafür ein | |
Münzwurf-Experiment mit fast 200 Bankangestellten einfallen lassen. 128 von | |
ihnen sind für eine nicht genannte internationale Großbank tätig, 80 für | |
kleinere Geldhäuser. | |
## Kopf oder Kohle | |
Das uralte „Kopf-oder-Zahl“-Spiel, bei dem die Wahrscheinlichkeit eines | |
Treffers bekanntlich mit jeweils 50 Prozent gleich groß ist, haben die | |
Wissenschaftler abgewandelt. Für richtige Vorhersagen wurden den | |
Beteiligten jeweils 20 Dollar in Aussicht gestellt. Bei jeweils zehn Würfen | |
wären also maximal 200 Dollar „machbar“. Fließen sollte das Geld aber nur, | |
wenn ihr Ergebnis über oder mindestens auf dem Durchschnittsresultat aller | |
Münzwerfer liegen würde. | |
„Dieses Element fügten wir hinzu, um den Konkurrenzkampf im Bankerberuf | |
widerzuspiegeln“, erläutern die Forscher um Professor Michel Maréchal vom | |
Institut für Volkswirtschaftslehre in ihrem im Fachmagazin Nature | |
veröffentlichten Bericht. Außerdem wurde den Beteiligten – auch das wohl | |
nicht völlig unrealistisch –, der Eindruck vermittelt, dass ihre | |
Ergebnisberichte nicht hinterfragt werden. | |
Die Banker, im Durchschnitt jeweils mit 11,5 Berufsjahren, wurden nach dem | |
Zufallsprinzip in zwei getrennte Gruppen eingeteilt. Die einen wurden im | |
Glauben gelassen, sie sollten „Kopf oder Zahl“ als Freizeitvergnügen | |
spielen. Die andere wurden per Fragebogen „auf ihre berufliche Rolle und | |
die damit verbundenen Verhaltensnormen“ fixiert. | |
## Übliches Job-Verhalten | |
Das Ergebnis: Aus der Freizeitgruppe wurden 51,6 Prozent erfolgreiche | |
Münzwürfe registriert, also nur leicht über dem statistischen Mittel. Von | |
jenen Bankern aber, die annehmen mussten, es werde ihr übliches | |
Job-Verhalten erwartet, meldeten 58,2 Prozent richtige Tipps. Sie hätten | |
sich also „signifikant unehrlicher“ verhalten. | |
Diese Ergebnisse, resümiert Maréchal, „deuten darauf hin, dass die sozialen | |
Normen in der Bankenindustrie unehrliches Verhalten eher tolerieren und | |
damit zum Reputationsverlust der Banken beitragen“. Denn vergleichende | |
Experimente mit jeweils zwei Gruppen von Beschäftigen anderer Branchen | |
hätten keine derartigen Unterschiede und Betrugsversuche wie bei den | |
Bankern erbracht. | |
Die Forscher raten der Bankenindustrie, einen Wandel ihrer | |
Unternehmenskultur voranzutreiben. Denn berufsbezogene Normen, die | |
unehrliches Verhalten tolerieren, seien bedenklich, „da das Vertrauen der | |
Bevölkerung in das Verhalten von Bankangestellten von wesentlicher | |
Bedeutung für die langfristige Stabilität der Finanzindustrie“ sei. | |
## Ethik-Schwur für Banker | |
Ko-Autor Alain Cohn regt an, dass Banker den Eid des Hippokrates der | |
Mediziner zum Vorbild nehmen und sich einen eigenen Ethik-Schwur verordnen. | |
Zudem sollten statt Boni für Profite finanzielle Anreize für moralisch | |
einwandfreies Verhalten gezahlt werden. | |
Von Wert könnte die Schweizer Münzwurf-Studie vielleicht auch für andere | |
Branchen sein. Die Wissenschaftlerin Marie Claire Villeval von der | |
Universität Lyon empfiehlt in Nature, die Methode auch auf Politiker | |
anzuwenden. Damit, meint sie, ließe sich herausfinden, ob deren Ehrlichkeit | |
leidet, wenn sie die Chance sehen, sich heimlich politische Vorteile zu | |
verschaffen. Freilich dürfte das Volk dazu längst eine Meinung haben – | |
ähnlich wie bei den Bankern. | |
20 Nov 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.nature.com/ | |
## AUTOREN | |
Thomas Burmeister | |
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