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# taz.de -- Urteil zu Asbest-Toten in Italien: Keine Strafe für Schmidheiny
> Mehr als 2.000 Menschen sind wegen Asbest in Casale Monferrato gestorben.
> Das Unternehmen Eternit kommt wegen Verjährung folgenlos davon.
Bild: Angehörige der Opfer nach dem Urteil in Rom.
ROM taz | Freispruch wegen Verjährung für Stephan Schmidheiny: So endete am
Mittwoch vor dem Kassationsgericht in Rom der Prozess um etwa 3.000
Asbestopfer in Italien. Der Schweizer Milliardär Schmidheiny war als
Mitglied der Eigentümerfamilie des Eternit-Konzerns über Jahre hinweg auch
für die italienischen Produktionsstätten verantwortlich, doch dies wird für
ihn folgenlos bleiben.
„Schande, Schande!“, skandierten zahlreiche Angehörige von Asbest-Toten
nach der Urteilsverkündung in Rom. Noch im Juni 2013 war Schmidheiny in
zweiter Instanz vom Appellationsgericht in Turin zu 18 Jahren Haft und zu
Entschädigungszahlungen in Höhe von 90 Millionen Euro verurteilt worden.
Der Prozess hatte sich um das Eternit-Werk in der norditalienischen
Kleinstadt Casale Monferrato gedreht. Allein in dem
36.000-Einwohner-Städtchen – Eternit unterhielt drei weitere Standorte in
Italien – sind schon mehr als 2.000 Menschen dem Asbest zum Opfer gefallen;
jedes Jahr kommen etwa 50 Opfer hinzu.
Daher war Schmidheiny wegen vorsätzlicher Verursachung einer
Umweltkatastrophe angeklagt. Von 1973 bis 1986 – dem Jahr der
Werksschließung in Monferrato – habe er wissentlich die Verseuchung der
Umwelt mit ihren Gesundheitsfolgen in Kauf genommen.
## Das Verbrechen ist seit 2006 verjährt
Schon damals war eine extreme Häufung von Mesotheliomen – einem Brust- und
Bauchfellkrebs – bei den Arbeitern, oft aber auch bei Familienangehörigen
und Einwohnern der Stadt zu beobachten gewesen. Arbeiter hatten bei der
Prozesseröffnung im Jahr 2009 berichtet, aus einer Abteilung mit 30
Beschäftigten habe 28 von ihnen der Krebstod ereilt. Ganze Familien fielen
dem tückischen Staub zum Opfer, der auch die Straßen und Vorgärten weiß
einfärbte.
Die Firma aber beschränkte sich jahrelang darauf, ihren Beschäftigten zu
raten, sie sollten mit dem Rauchen aufhören, auch als schon eindeutige
wissenschaftliche Gutachten über die Asbestgefahren vorlagen. Nach
fünfjähriger Prozessdauer kommt der Angeklagte dennoch ungeschoren davon.
Denn der Kassationshof stellte sich auf den Standpunkt, mit der
Werksschließung 1986 habe auch die angeklagte Tat ein Ende gefunden;
deshalb sei das Verbrechen seit 2006 verjährt.
Schmidheiny, der sich seit Jahren als Philanthrop unter anderem mit
Stiftungen für nachhaltige Entwicklung betätigt, hatte den Opfern
freiwillige Entschädigungen angeboten und bisher an diejenigen, die ihre
Nebenklagen zurückgezogen hatten, insgesamt 44 Millionen Euro gezahlt. Leer
gehen dagegen jetzt diejenigen aus, die diesen Deal nicht akzeptieren
wollten.
Doch der Turiner Staatsanwalt Raffaele Guariniello lässt nicht locker. Für
die Todesfälle nach 1976 will er jetzt Schmidheiny wegen Totschlags
anklagen, da spätestens damals die Ursachenkette bekannt gewesen sei. Damit
würde auch die Verjährung hinfällig – doch erneut wird das Verfahren sich
über Jahre hinziehen.
21 Nov 2014
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Asbest
Italien
Schweiß
Arbeitsrecht
Umweltkatastrophe
Italien
Ägypten
Asbest
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