# taz.de -- Hamburg wird wählen: Die Quatsch-Campaigner | |
> „Die Partei“ sammelt Stimmen für die Hamburger Bürgerschaftswahl. Dort | |
> möchten die Sonneborn-Anhänger wie im EU-Parlament einen Sitz ergattern. | |
Bild: Landesväterliche Ausstrahlung, Krawatte vom Feinsten: Alexander Grupe. | |
HAMBURG taz | Es ist Wahlkampf in Hamburg und die Parteien sind in | |
Geberlaune. Die CDU verspricht satte 80 Millionen Euro für die Kitas. Die | |
Grünen besinnen sich auf ihre ökologischen Grundsätze und wollen den | |
Radverkehr ausbauen und die SPD will „den Kurs halten“. In diese Gruppe der | |
üblichen Verdächtigen reiht sich die Satire-Partei „Die Partei“ gern ein … | |
und verspricht statt Radwegen lieber maut- und lautlose Zeppeline oder die | |
Rente mit sechzehn. | |
In grauer Anzugshose und schwarzen Turnschuhen steht Alexander Grupe – ein | |
Mann mit der Figur Helmut Kohls und ebenso großen politischen Visionen – am | |
Herd in einer kleinen Kochnische. Sein hellblaues Hemd hat am Bauch schon | |
Flecken. In einem Topf macht er Glühwein aus dem Supermarkt heiß. Der | |
Geruch nach Weihnachtsgewürzen zieht durch die Zimmer der kleinen | |
Dachgeschosswohnung im Hamburger Stadtteil Altona. | |
## Hamburg ist nur Etappe | |
Mit dem dampfenden Glühwein möchte der 36-Jährige „die Wähler gefügig | |
machen“. Sein politisches Ziel ist gänzlich unbescheiden: die | |
Weltherrschaft. Für den Anfang würden ihm aber auch ein paar Sitze in der | |
Hamburger Bürgerschaft reichen, sagt er und streicht sich durch den dichten | |
Vollbart. Grupe ist „Landesvater“ der Satirepartei „Die Partei“ in Hamb… | |
Wie der Bundesparteivorsitzende Martin Sonneborn, der im Mai ins | |
Europaparlament gewählt wurde, will auch Grupe nach der Wahl am 15. Februar | |
reale Politik machen. Er steht auf Listenplatz zwei. | |
Dabei bezeichnet sich der Informatiker selbst als „typisch | |
politikverdrossen“, nahm Politiker als korrupt und scheinheilig wahr. Doch, | |
sagt er: „Seitdem ich selber die Taschen aufhalten kann, finde ich es | |
besser.“ | |
Heute liegen in seiner Wohnung Flyer der Partei mit der Aufschrift „Nazis | |
halbieren“ und dem Bild einer zerschnittenen Kartoffel oder ein Buch mit | |
dem Titel „Die Kunst der skrupellosen Manipulation“ herum. Auf der | |
Fensterbank steht neben einem Plastik-Erdmännchen eine Roboterkatze. Sie | |
ist mit weißem, fransigem Kunstfell bezogen, auf Knopfdruck gibt sie ein | |
lautes Miauen von sich. Für echte Haustiere fehlt dem Softwareentwickler | |
die Zeit. | |
Als die Partei vor zehn Jahren gegründet wurde, trat der langjährige Leser | |
des Satiremagazins Titanic sofort ein. Seither betreut er die Website, | |
organisiert Stammtische in Hamburg und bereitet Wahlkampfstände vor. Heute | |
wollen Grupe und seine Parteigenossen vor dem Einkaufszentrum Mercado in | |
Altona stehen. Für die Teilnahme an der Bürgerschaftswahl müssen sie bis | |
Mitte Dezember 1.000 Unterstützerunterschriften sammeln. Immerhin: 850 | |
haben sie schon. | |
Grupe gießt den fertigen Glühwein in eine große Thermoskanne, klemmt sich | |
eine rote Krawatte ans Hemd und wirft sich das graue Sakko über. Der Stand | |
der Partei passt in seinen Fahrradanhänger. Zwei Klapptische, zwei Fahnen | |
mit dem roten Parteilogo und ein bisschen Infomaterial holt er aus dem | |
Keller, dann geht es los. Am Stand trudeln fünf weitere Parteimitglieder | |
ein. Die grauen Anzüge und roten Krawatten wirken im Pulk wie Uniformen, | |
die Männer wie durchschnittliche Politiker. Auf den zweiten Blick fallen | |
die Bierdosen in den Händen und die Buttons am Revers ins Auge. | |
## Herr Nagel springt Seil | |
Bei der Partei ist fast alles nur Fassade, die Forderungen: Satire. Grupe | |
wird trotzdem manchmal ernst, obwohl eine der wichtigsten Parolen der | |
Partei lautet, Inhalte zu überwinden. Steuerverschwendung sei es nicht, | |
wenn die Partei in die Bürgerschaft einzöge und dann mit staatlichen | |
Mitteln unterstützt würde – „sondern urdemokratisch“, findet Grupe. „… | |
machen Politik zugänglich und zeigen, dass nicht alles so bleiben muss, wie | |
es ist.“ So gelänge es der Partei auch, Nichtwähler zu mobilisieren. Wenn | |
er das sagt, klingt er fast ein bisschen stolz. | |
Vor dem Stand hüpft der Bürgermeisterkandidat Karl Nagel, ein 53-jähriger | |
Webentwickler und Ex-Mitglied der Anarchistischen Pogopartei, mit einem | |
Springseil auf und ab. Dann bleibt er stehen und singt lauthals „Am Tag, | |
als Conny Kramer starb“. Einige Passanten bleiben mit irritiertem | |
Gesichtsausdruck stehen, manche wippen mit dem Fuß, andere gehen | |
kopfschüttelnd weiter. | |
„Politik ist mir im Kern egal“, sagt Nagel. Im Gegensatz zu Grupe fällt er | |
keine Sekunde aus der Rolle. Bisher habe er noch keine Rentenversicherung | |
abgeschlossen und hoffe nun auf eine Politiker-Pension. „Dafür verspreche | |
ich den Wählern alles, was sie hören wollen“, sagt der Alt-Punk mit | |
ergrautem Bart und Glatze. Er wolle das Bedürfnis nach simpler Orientierung | |
befriedigen. | |
## Koalition gegen Geld | |
Für Hamburg fordert die Partei eine Stadtachterbahn, die Rückgabe Altonas | |
an Dänemark und mehr Gefahrenzonen – allerdings nur mit Klippo-Stellen, an | |
denen Demonstranten wie beim Fangen spielen nicht gefasst werden dürfen. | |
Koalieren würde Landesvater Grupe mit jeder Partei, die sich als | |
Steigbügelhalter andiene und ihm dicke Geldpäckchen zustecke. Die Neue | |
Liberale wolle er sich besonders genau anschauen. „Allein damit, dass sie | |
angesichts der Erfolge der FDP eine neue liberale Partei gründeten, haben | |
sie schon Humor bewiesen.“ | |
Eine Zusammenarbeit mit der AfD und deren Vorsitzenden Bernd Lucke schließt | |
der Satiriker vehement aus. Jeder feinfühlige Mensch würde sich bei diesem | |
„mardergesichtigen Streber aus besserem Hause“ abwenden, sagt Grupe. Zudem | |
seien schmierige populistische Methoden das Metier seiner Partei. | |
Das führt manchmal zu Verwechslungen. Gerade greift ein älterer Herr | |
zielsicher nach einem Aufkleber mit der Aufschrift „FCK AFD“ vom Klapptisch | |
und sagt: „AfD, die find ich gut.“ Die Parteigenossen schweigen und | |
grinsen. | |
Auch heute kommen gerade junge Menschen an den Stand, nehmen Buttons und | |
lassen sich Autogrammkarten des Bürgermeisterkandidaten signieren, auf | |
denen Nagel jovial in die Kamera lächelt. 65 Wähler haben unterschrieben. | |
Ein Erfolg. Zumindest die Zulassung zur Wahl scheint machbar. Nur auf ihrem | |
Glühwein bleibt die Partei sitzen – denn in Hamburg scheint immer noch die | |
Sonne. | |
26 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
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