| # taz.de -- Neuer Gilliam-Film „The Zero Theorem“: Cybersex im Wichtelkost�… | |
| > In Terry Gilliams neuem Film „The Zero Theorem“ soll ein Nerd das | |
| > Welträtsel lösen. In einer liebevoll kaputten Welt entwickelt sich eine | |
| > Tragödie. | |
| Bild: Wohnt in einer überwachten Kirche: Christoph Waltz als Qohen Leth. | |
| Qohen Leth wartet auf seinen Anruf. Irgendwann wird er kommen, und eine | |
| Stimme wird ihm sagen, warum er auf der Welt ist. Einmal schon hat die | |
| Stimme ihn angerufen, doch das Gespräch riss unvermittelt ab. Seitdem | |
| arbeitet der Computerexperte wie besessen, um am Ende, wenn er seine | |
| Aufgabe erledigt hat, den ersehnten Anruf zu erhalten. Schließlich hat man | |
| ihm das versprochen. | |
| In einer nicht näher bestimmten Zukunft kann man Qohen Leth bei seiner | |
| Tätigkeit in einem Konzern namens Mancom beobachten, statt Tastatur bedient | |
| er mit hektischen Bewegungen eine Spielkonsole. Sein Job: „Entitäten | |
| knacken“. Christoph Waltz gibt diesen Hochleistungsgestörten als leicht | |
| autistischen Glatzkopf, der in der Welt nicht ganz zu Hause ist und von | |
| sich selbst stets als „wir“ spricht. | |
| Qohen Leth ist der Held von „The Zero Theorem“, mit dem Regisseur Terry | |
| Gilliam an seinen Klassiker „Brazil“ von 1985 anknüpft. Statt staatlicher | |
| Überwachung im Stile Orwells dominiert in „The Zero Theorem“ die Kontrolle | |
| des Einzelnen durch die Wirtschaft, beginnend bei Leths Arbeitsgeber | |
| Mancom, dessen Chef schlicht „Management“ heißt und als Big Brother – | |
| verkörpert vom perfekt gescheitelten Matt Damon – von den Burowänden | |
| blickt. Seine Devise lautet: „Everything is under control.“ | |
| Die Kontrolle setzt sich fort bis in die Wohnung von Leth, wo jede seiner | |
| Bewegungen gefilmt wird. Er haust in einer ehemaligen Kirche, ein | |
| symbolisch gewählter Ort – Leth ist, wie ihm sein Chef zum Ende des Films | |
| bescheinigen wird, ein gläubiger Mann. Im Altarraum der Kirche hängt ein | |
| Kreuz – mit einem Jesus ohne Kopf. An dessen Stelle ragt eine | |
| Überwachungskamera aus dem Rumpf hervor. | |
| ## Ein Kommentar zur Gegenwart | |
| Rundum beobachtet sieht sich Leth auch auf einer Party, zu der ihn sein | |
| Vorgesetzter mitgeschleift hat. Als Leth sich in der gigantischen Villa in | |
| eine ruhige Ecke zurückzieht, um den vielen Menschen zu entfliehen, findet | |
| er sich auf einmal Management, seinem Chef, gegenüber, der wie aus dem | |
| Nichts im Sessel vor ihm auftaucht. Von Management erfährt Leth, dass er | |
| einen besonderen Auftrag erfüllen soll: Er muss das „Zero Theorem“ lösen, | |
| eine Gleichung, mit der die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet | |
| werden soll. | |
| Die Arbeit erweist sich als unlösbar, Leth schafft es immer nur knapp, die | |
| Elemente der Formel zu „knacken“. Dafür drängt sich Bainsley in sein Lebe… | |
| eine Prostituierte, die obendrein von Mancom beauftragt wurde, um ihn von | |
| der Arbeit abzuhalten. Desgleichen stört ihn immer wieder Bob, der Sohn von | |
| Management und wie Leth ein Computercrack. Wenn Leth kurz davor ist, völlig | |
| durchzudrehen, hilft ihm sein Therapeuten-Computerprogramm, das ihm in | |
| Gestalt einer etwas albern verklemmt zurechtgemachten Tilda Swinton mehr | |
| oder minder hilfreiche Ratschläge gibt. | |
| „The Zero Theorem“ verlässt sich auf Christoph Waltz’ apathische Darbiet… | |
| und die für Terry Gilliam typische Optik von liebevoll zurechtgemachten | |
| kaputten Welten. Wie „Brazil“ liefert auch „The Zero Theorem“ einen | |
| Kommentar zur Gegenwart, Mancom ist ein Gigant nach dem Vorbild von Google | |
| oder Facebook, der von den Informationen über andere profitiert. Oder im | |
| Fall von Leths Auftrag mit der sinnlosen Aufgabe, das Chaos zu ordnen, | |
| kräftig Geld verdient. | |
| Der Film hat jedoch das eine oder andere Problem. Zunächst einmal ist die | |
| Perspektive, die er bietet, so düster, dass er wenig Platz für genauere | |
| Beobachtungen lässt: Die Wirtschaft ist eine allgegenwärtige nihilistische | |
| Übermacht, ein Entkommen ausgeschlossen. Für Humor bleibt da schon mal gar | |
| kein Entfaltungsraum. | |
| ## Kaum glaubhafte Schlüsselmomente | |
| Ein anderes Problem heißt Mélanie Thierry, die als Bainsley im | |
| Krankenschwester-Latex-Outfit wenig mehr tun darf, als penetrant-naiv um | |
| Leth herumzuquietschen. Lediglich beim „Virtual Reality Sutra“, zu dem sie | |
| sich nachts online treffen und bei dem Leth ein Wichtelkostüm tragen muss, | |
| über dessen Zipfelmütze er sich eindockt, finden die beiden in einem | |
| künstlichen Inselparadies zu scheinbar ungekünstelter Nähe. Und bei | |
| Christoph Waltz hat man den Eindruck, dass hier ein Schauspieler verheizt | |
| wird für eine Figur, die zu keinem Moment richtig greifbar wird und deren | |
| Schicksal einen seltsam kalt lässt. | |
| Selbst als Bainsley jenseits des Computers echte Gefühle für Leth zu | |
| entwickeln beginnt und sich dem menschenscheuen Neurotiker ernsthafte | |
| Aussicht auf ein Ausbrechen aus seiner psychischen Isolation bietet, kann | |
| der Film die existenzielle Bedeutung dieses Moments nicht glaubhaft | |
| vermitteln. Keine Komödie, sondern eine ziemlich nervige Tragödie. | |
| 26 Nov 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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