# taz.de -- Krise in Mali: Die Zukunft ist auf Sand gebaut | |
> Die Friedensgespräche mit den Tuareg-Rebellen verzögern sich, die | |
> Regierung versinkt in Korruptionsskandalen. 30 UN-Soldaten wurden im Juli | |
> 2013 getötet. | |
Bild: In verschiedene Skandale verwickelt: Malis Präsident Ibrahim Boubacar Ke… | |
BAMAKO taz | Seit Monaten schleppen sich die Verhandlungen von Runde zu | |
Runde. In der algerischen Hauptstadt Algier verhandelt Malis Regierung mit | |
einigen der bewaffneten Gruppen aus dem Norden des Landes über eine | |
Friedenslösung. Über den Verlauf der Gespräche wurde bislang wenig bekannt, | |
außer dass die malische Regierung und ihre Gegner sich unversöhnlich | |
gegenüber stehen. Die jüngste Verhandlungsrunde, die am 20. November | |
begann, sollte diese Woche zu einem Vorabkommen führen, aber es sieht eher | |
nach einer erneuten Vertagung aus. | |
Es geht um die Zukunft des Nordens von Mali, den Tuareg-Rebellen im Jahr | |
2012 zum unabhängigen Staat „Azawad“ erklärt hatten und der Anfang 2013 | |
durch eine französische Militärintervention zurückerobert wurde, nachdem er | |
unter die Kontrolle radikaler Islamisten gefallen war. Wie genau es mit dem | |
Norden Malis weitergeht, ist seitdem offen. Während die | |
Tuareg-Rebellenarmee „Nationalbewegung zur Befreiung des Azawad“ (MNLA) | |
einen weltlichen Staat anstrebt, ist die „Arabische Bewegung von Azawad“ | |
(MAA) islamistisch. Der „Hohe Rat für die Einheit von Azawad“ (HCUA) | |
versucht, zwischen beiden zu vermitteln. Für Malis Regierung wiederum steht | |
der Laizismus nicht zur Diskussion. Etliche Milizen fordern außerdem | |
weiterhin die Unabhängigkeit des Nordens – ein Punkt, in dem die Regierung | |
nicht nachgeben wird. | |
Zudem sind die al-Qaida-nahen Gruppen wie „Al-Qaida im Islamischen Maghreb“ | |
(AQMI) oder die „Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika“ (Mujao) | |
nicht an den Friedensgesprächen beteiligt. Das bedeutet, dass ein Erfolg in | |
Algier die Kämpfe im Norden nicht beenden wird. | |
In den vergangenen Monaten hat sich die Sicherheitslage im Norden Malis | |
wieder drastisch verschlechtert. Inzwischen hat die französische Armee, die | |
dort im Januar und Februar 2013 die Islamisten verjagte, die Stärke ihrer | |
Truppe auf ein Viertel reduziert: 1.000 Mann. Die UN-Blauhelmmission | |
Minusma hat derweil ihre Sollstärke von 11.000 Mann nur rund zur Hälfte | |
erreicht. UN-Soldaten werden immer häufiger Ziel von Attentaten mutmaßlich | |
islamistischer Kämpfer. Gut 30 UN-Soldaten wurden seit Beginn der Mission | |
im Juli 2013 getötet. | |
## Situation „sehr beunruhigend“ | |
Der UN-Untergeneralsekretär für Friedensmissionen, Hervé Ladsous, | |
bezeichnete die Situation Mitte Oktober anlässlich einer Gedenkfeier für | |
neun ermordete UN-Soldaten in der malischen Hauptstadt Bamako als „sehr | |
beunruhigend“. In der jetzigen Situation sei eine Friedensmission nicht | |
mehr möglich. Die UN würden ihre Lager jetzt massiver sichern, | |
Minenräumgeräte nach Mali schicken, mehr gepanzerte Fahrzeuge einsetzen. | |
Auch Aufklärungsdrohnen sollen zum Einsatz kommen. | |
General Didier Dacko, stellvertretender Chef des malischen Generalstabs und | |
zuständig für den Norden, teilt Ladsous’ Besorgnis. „Die Bevölkerung ist | |
immer noch gefährdet, sie lebt in einem unsicheren Gebiet“, räumt er | |
freimütig ein. Der Großteil des Nordens werde nicht von Malis Armee oder | |
UN-Truppen kontrolliert, sondern von unterschiedlichen Milizen. „Einige | |
dieser Gruppen sind in unseren Augen terroristisch, andere stellen eher | |
politische Forderungen. Aber letztlich haben wir große Mühe, sie | |
voneinander zu unterscheiden.“ | |
Jan Fahlbusch von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako hält die Gespräche | |
in Algier trotzdem für einen „Silberstreif am Horizont“. „Aber langfrist… | |
wird es nur auf der Basis von entwicklungspolitischen Zusagen für den | |
Norden Malis Stabilität geben“, mahnt er. Erforderlich sei für das ganze | |
Land ein neues Gesellschaftsmodell, „in dem alle einen Platz haben und das | |
allen faire und gleiche Entwicklungsperspektiven bietet“. | |
Seit den Wahlen im Sommer 2013 hat Mali zwar mit Präsident Ibrahim Boubacar | |
Keïta wieder ein legitimes Staatsoberhaupt. In der Bevölkerung wächst | |
jedoch der Unmut: Präsident Keïta habe einen Neuanfang versprochen, aber | |
die neue Elite sei so korrupt wie alle früheren. Eine Reihe von Skandalen | |
scheint das zu bestätigen. Bei der Beschaffung von Militärgütern und dem | |
Kauf eines Präsidentenjets wurden 14 Millionen Euro veruntreut. Der | |
Internationale Währungsfonds IWF listet in einem Untersuchungsbericht | |
weitere betrügerische Verträge auf. Der Schaden für Mali: 38 Millionen | |
Euro. Der IWF, die EU und die USA stellten ihre Zahlungen an Mali daraufhin | |
ein. | |
Das Land geriet im September an den Rand des Bankrotts, aber inzwischen | |
fließt das Geld der Geber wieder. Der IWF erklärte, die Regierung sei | |
aufrichtig um Aufklärung bemüht. Kritiker hingegen sind enttäuscht. Sie | |
fürchten, dass in Mali nach der großen Krise von 2012 jetzt nur die nächste | |
Fassadendemokratie entsteht. | |
27 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Bettina Rühl | |
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