# taz.de -- Was schenken wir Vati?: „Oh, wie schön! Eine Krawatte!“ | |
> Früher rauchten die Männer wenigstens noch Zigarre. Und heute? Das | |
> passende Geschenk für Väter ist und bleibt ein immerwährendes Rätsel, | |
> auch für unsere Autoren. | |
Bild: „Hach, vielen Dank aber auch. Wie lieb!“ | |
## Er verschenkte nur Geld | |
Mein Vater, Jahrgang 1923, litt an Unbeschenkbarkeit. Es eine Krankheit zu | |
nennen, ist weit untertrieben. Vergiss Weihnachten, vergiss Geburtstage. | |
Vergiss es einfach. Der Mann litt auch an Unzugänglichkeit, an | |
Unansprechbarkeit und Unzuhörbarkeit. Mein Vater gehörte der | |
Kriegsgeneration an. Sein Leben lang arbeitete er, er musste etwas gut | |
machen. Was, sagte er nicht. | |
Mein Vater sprach nur vom Krieg. Er erzählte die immer gleichen | |
Geschichten. Kannst du auch mal über was anderes reden? Konnte er nicht. | |
Ein Stichwort reichte und es kam die Geschichte. Sag „Schmidt“. Er: „Ich | |
kannte mal einen im Krieg, der hieß so, ein Landser wie ich.“ Sag „Melone�… | |
Er: „Bei Odessa hab ich zum ersten Mal Melonen gegessen. Vorne auf dem | |
Motor des Lkw haben wir sie aufgeschnitten“. Die rote Farbe hat ihn | |
beeindruckt. Sag „Weihnachten“. Er: „An Weihnachten gab es einen extra | |
Landjäger, ein extra Kommissbrot.“ | |
Wer ihm eine Freude machen wollte, schenkte ihm genau das: einen Landjäger. | |
Er selbst schenkte immer Geld. In einem Briefumschlag, auf den er vorne | |
drauf den Namen des Beschenkten schrieb in dieser schönen Schrift, die die | |
Leute seiner Generation hatten, nachdem sie sich nach der Nazizeit die | |
Sütterlinschrift wieder abgewöhnen mussten. Ich habe noch so einen | |
Umschlag. Immer wieder finde ich ihn, fahre mit meiner Hand über meinen von | |
ihm geschriebenen Namen und freue mich, dass Geld drin ist. Wenn ich es | |
raus nehme, tue ich später wieder etwas rein, um es bei Gelegenheit erneut | |
zu finden. | |
Einmal, zugegeben nicht an Weihnachten, sondern zu seinem 75. Geburtstag, | |
schenkte ich ihm ein leeres Buch und einen Stift. „Für deine Geschichten“, | |
sagte ich. „Irgendwann werden wir sie vermissen.“ | |
Meiner Schwester, Jahrgang 65, die am gleichen Tag Geburtstag hat wie er, | |
habe ich das Gleiche geschenkt. Plus einen Radiergummi. „Weil du Geschichte | |
noch ändern kannst“, sagte ich ihr. | |
Nach seinem Tod fand ich das Buch – unbeschrieben im Wohnzimmerschrank. In | |
seiner Nachttischschublade aber war nichts außer ein paar | |
Herrentaschentüchern und der Entnazifizierungsurkunde. Sie war abgegriffen. | |
WALTRAUD SCHWAB | |
## Ein besonders kniffliger Fall | |
Im Grunde macht es mir mein Vater geschenketechnisch ziemlich leicht. Denn | |
er liebt die Literatur und ist viel mit dem Auto unterwegs. Mit einem | |
Hörbuch als Präsent liege ich deshalb seit Jahren richtig. Theoretisch. | |
In der Praxis gibt es eine Schwierigkeit: Mein Vater ist ein sehr | |
kritischer Konsument – mit Wertmaßstäben, die ich bis heute nicht korrekt | |
einschätzen kann. Und so passiert es nicht selten, dass sich mein | |
vermeintlich sicheres Geschenk letzten Endes doch als Flop erweist. | |
Ein geeignetes Genre schien lange der Krimi zu sein. Die Klassiker von | |
Dürrenmatt – aber auch Gewagteres von Jack Ketchum, denn mein Vater ist | |
durchaus kein konservativer Hörer. Meine letzten Versuche auf diesem Gebiet | |
waren allerdings trotz fleißiger Lektüre von Rezensionen keine Erfolge: Zu | |
vorhersehbar, unrealistisch, albern oder düster waren die Regional- oder | |
Schwedenkrimis. | |
Auch kann ich mich nicht dauerhaft auf bestimmte Autoren verlassen, wie es | |
bei meiner Mutter (einem treuen Stephen-King-Fan) der Fall ist. Ein eben | |
noch geschätzter Schriftsteller kann die Gunst meines Vaters rasch | |
verlieren, sodass jedes weitere Werk des Autors zu einem Risikogeschenk | |
wird. | |
Welches Hörbuch ich meinem Vater in diesem Jahr schenke, kann ich hier | |
nicht schreiben (da er auch gern und gründlich Zeitung liest). Eine | |
Schenkempfehlung für alle Töchter und Söhne hörbuchaffiner Väter hätte ich | |
aber noch: „Sirius“ von Jonathan Crown, eingesprochen von Florian Lukas. | |
Mit dem Mix aus Historie, Tragik und Heiterkeit konnte ich meinen Vater zum | |
Geburtstag tatsächlich erfreuen. ANDREAS KÖHNEMANN | |
## Geschenkpapier und Moppi | |
Während der Rest der Familie an Heiligabend mit dem Auspacken der Geschenke | |
beschäftigt ist, hält sich mein Vater, Jahrgang 1954, bereit, die | |
Abfallprodukte der großen Besinnlichkeit in den Keller zu schaffen. Im | |
Keller kann er rauchen. Und sortieren. Ein Geschenk macht meinem Vater kaum | |
so viel Freude wie das gemütliche Sortieren. Papier hier, grüner Punkt da, | |
Wiederverwendbares wie Schleifenpapier dort. | |
Für ihn ist der 24. Dezember sowieso nur der Vorabend für das wirkliche | |
Fest: die Weihnachtsgans am nächsten Tag, die er liebevoll „Moppi“ nennt. | |
Und so vertrödelt er die Zeit rauchend im Keller, füllt bei uns, wenn er | |
wieder hochkommt, die Weingläser auf und freut sich über das obligatorische | |
Buch, das er jedes Jahr von seinen Kindern geschenkt bekommt. Was mit | |
Nougat ist auch immer dabei und ein Kalender mit Fotos. So passt das. Bis | |
vor einer Weile habe ich mich trotzdem jedes Jahr abgemüht, noch etwas | |
Besonderes obendrauf zu legen. Ein kräftezehrender Kampf. Was jemandem | |
schenken, an dem die Konsumwelt abprallt wie an einer Gummiwand? | |
Irgendwann kam sogar eine Unterhose von Armani dabei raus: Mein Vater legt | |
weder Wert auf Geschenke noch auf tolle Kleidung, rühmt sich aber immer | |
damit, nur Armani zu tragen. Das fand er lustig. Nach Jahren der | |
unermüdlichen Geschenkesuche entdeckte ich das Geheimnis. Mein Vater | |
braucht rein gar nichts. Keller, Zigarette, Sortieren – das reicht ihm | |
eigentlich. | |
Vielleicht sollte ich dieses Jahr einfach alle Geschenke besonders | |
aufwendig verpacken, damit er einen Grund hat, sich noch länger in sein | |
Reich zu verkrümeln. Oder Grüße auf die Innenseiten des Geschenkpapiers | |
schreiben. So etwas wie: Mein Wein ist alle. KATRIN GOTTSCHALK | |
## Ahnenkult und Aufwand | |
Dem Vater was zu Weihnachten schenken mag beschwerlich sein. Aber viel | |
beschwerlicher ist es, als Vater, Jahrgang 1964, was geschenkt zu bekommen. | |
Denn jeder Vater weiß ja um die Mühsal, die der Schenkende durchlitt, man | |
sieht es den Geschenken an. Stunden mühevollen Grübelns, was denn wohl | |
dieses Jahr wieder besorgen, einpacken etc. | |
Es ist bestimmt wieder mal evolutionstechnisch tief verwurzelt, dem Alten | |
was zu schenken: Ahnenkult, Dankbarkeit für das Ernähren, patriarchales | |
Ehren des Erziehungsberechtigten. Es steckt vielleicht in den Genen, noch | |
befeuert durch das Mamatier. Aber es nervt trotzdem, 100.000 Jahre | |
Evolution hin oder her. | |
Es fängt schon damit an, dass es ja eine Überraschung sein soll. Sonst | |
gildet’s nicht richtig. Raten statt nachfragen. Das dürfte weniger | |
Evolution als irgendeine mystische Überhöhung aus der Romantik sein; | |
Seelenverwandtschaft, sich in den anderen einfühlen. Das ganze bürgerliche | |
Weihnachten: zwei Wochen mal so richtig 19. Jahrhundert spielen. Aufwand, | |
statt in Ruhe Leben und Wohlstand zu genießen. | |
Am schlimmsten trifft es die Kinder. Die haben ja noch einen Instinkt, ob | |
sich etwas richtig oder falsch anfühlt. Sie wissen, dass sie kein Kunstwerk | |
basteln können, sondern einen Kunstwerkversuch. Und sie spüren, dass | |
zumindest ein Teil der anerkennenden Begeisterung unterm Weihnachtsbaum ein | |
Schauspielversuch für den Geschenkversuch ist. Man hat sich bemüht, wie | |
Willy Brandt sagte. | |
Und von Erwachsenen gibt es am Ende dann doch nach all dem Eingefühle | |
Schnaps oder ein Buch. Immerhin: Es gibt gute Schnäpse. Zum Beispiel den | |
grandiosen Cognac „Hardy XO“ vom letzten Jahr. Falls Sie noch was für | |
Vattern brauchen … REINER METZGER | |
22 Dec 2014 | |
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