# taz.de -- Schwangerschaftsabbruch in Deutschland: Arzt auf Herbergssuche | |
> Ein Gynäkologe findet für seine Abtreibungsklinik in Stuttgart keine | |
> neuen Räume. Fundamentale Christen schüchtern die Vermieter ein. | |
Bild: Gegen die fundamentalen Christen zeigt sich Widerstand | |
STUTTGART taz | Ein Embryo, grade mal drei Finger breit, liegt auf einer | |
Hand im Gummihandschuh. Dieses Bild wird auf einer Internetseite von | |
Abtreibungsgegnern gezeigt, die gegen „Deutschlands Tötungsspezialist für | |
ungeborene Kinder No. 1“ hetzt. Gemeint ist Friedrich Stapf. Er betreibt in | |
Stuttgart seit 23 Jahren eine Klinik für ambulante | |
Schwangerschaftsabbrüche. | |
Die Klinik muss im Februar umziehen. Die Abtreibungsgegner machen massiv | |
Stimmung gegen Stapf, eine Abmachung mit einem neuen Vermieter haben sie | |
zum Platzen gebracht. Für den Arzt, der in Stuttgart gebraucht wird, geht | |
die schwierige Suche weiter. | |
Der Umzug der Klinik schlägt hohe Wellen, weil ohne Stapf eine | |
Versorgungslücke entstehen würde. Stapfs Klinik nimmt 2.200 | |
Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr vor. In ganz Baden-Württemberg werden | |
nach Informationen der Beratungsstelle Pro Familia etwa 11.400 | |
Schwangerschaften pro Jahr abgebrochen. Stapfs Anteil entspricht knapp 20 | |
Prozent. Die Krankenkasse bezahlt die Abbrüche zu 85 Prozent. | |
Der für Krankenhäuser zuständige Stuttgarter Bürgermeister Werner Wölfle | |
(Grüne) sagt, die Stadt habe zwar nicht den Auftrag, ein Angebot für | |
Schwangerschaftsabbrüche sicherzustellen. Dennoch unterstütze Stuttgart | |
Herrn Stapf bei der Suche. | |
## Geschützte Räume sind nötig | |
Wölfle sagt, er halte es „für unabdingbar, dass Frauen, die sich für einen | |
legalen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben, einen geschützten Raum | |
vorfinden, respektvollen Umgang erfahren und sicher sein können, dass hohe | |
medizinische Qualität gewährleistet ist.“ Wölfle fügt hinzu: „Und je me… | |
diffamierende Äußerungen ich erhalte, desto stärker sind meine Bemühungen.�… | |
Ein Vermieter hatte Stapf schon seine Räume zugesagt. Nach massiven | |
Anfeindungen der Abtreibungsgegner ist er mit der Begründung, er wolle die | |
anderen Mieter im Gebäude vor Belästigungen schützen, abgesprungen. | |
Inzwischen will Stapf nicht mehr sagen, mit wem er verhandelt, ob er schon | |
Erfolg hatte und falls ja, wo er hinziehen wird. Der Umzug wird | |
erforderlich, weil Stapf versäumt hatte, seinen Mietvertrag zu verlängern. | |
Die Abtreibungsgegner kommen aus dem fundamentalchristlichen Spektrum, sie | |
schreiben auf ihrer Website Sätze wie diese, an Stapf gerichtet: „Kehren | |
Sie um und tun Sie Buße. Noch haben Sie die Möglichkeit dazu!“ Der Protest | |
wird von Klaus Günter Annen angeführt. Er tritt im Namen der Initiative | |
„Nie wieder“ aus Weinheim auf. Annen habe es auf ihn abgesehen, sagt Stapf. | |
Er habe Annen schon einmal erfolgreich verklagt. Sein Gegner konnte nicht | |
einmal die Gerichtskosten bezahlen, schulde ihm deshalb Geld. Er mache | |
dennoch unbeirrt weiter. | |
Annen sagt auf taz-Anfrage, die Berichterstattung in der Presse in Sachen | |
„Lebensschutz“ sei einseitig, er wolle sich deshalb nicht äußern. Für ei… | |
Demo in Stuttgart hatte er stadtbekannte Unterstützer gefunden: die | |
Gemeinderäte der AfD. | |
## Auch Probleme in München | |
„Ich war fassungslos“, sagt Marion Janke, leitende Ärztin der | |
Pro-Familia-Beratungsstelle Stuttgart. „Es ist schon bemerkenswert, dass | |
sich eine Partei in dieser Sache engagiert.“ Janke kritisiert, dass die | |
Frauen durch solche Proteste kriminalisiert würden, obwohl sie nichts | |
Illegales tun. „Diese kleine Gruppe, die Angst und Schrecken verbreitet, | |
schüchtert die Frauen ein.“ | |
In München, wo Stapf ebenfalls eine Klinik betreibt, treten die | |
Abtreibungsgegner häufig zu zweit vor der Praxis auf; einer spreche | |
Patientinnen an, während eine zweite Person bete. So etwas sei in Stuttgart | |
noch nicht vorgekommen, sagt Stapf. | |
Die Abtreibungsgegner haben vergangene Woche einen Dämpfer erhalten. Die | |
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat die Seitenbetreiber | |
aufgefordert, die Bilder von abgetriebenen Föten von ihrer Website zu | |
entfernen. Vom Jugendschutz wollen die Lebensschützer offenbar nichts | |
wissen. Auf der Website hat sich bislang nichts getan. | |
22 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Lena Müssigmann | |
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