# taz.de -- Die Wahrheit: Enkel des Nikolaus | |
> Ein dramatischer Anruf des Weihnachtsmanns von unterwegs aus Brandenburg: | |
> Das Fest muss ausfallen! Der alte Geschenkebringer sitzt fest. | |
Bild: Kurz vor Berlin zu schnell mit dem Schlitten: der Weihnachtsmann | |
Im Wahrheit-Büro. Hektische Vorweihnachtszeit. Ticker werden gesichtet. | |
Texte redigiert. Plötzlich klingelt das Telefon. | |
Wahrheit, guten Tag. | |
Guten Tag, hier ist … ähm, der Weihnachtsmann. | |
Ja, und hier der Osterhase. | |
Nein, legen Sie jetzt bitte nicht auf. Ich bin es wirklich. | |
Der Weihnachtsmann … | |
Genau! | |
Und wahrscheinlich haben Sie einen wallenden, weißen Bart … | |
Genau! | |
Hören Sie, ich habe keine Zeit … | |
Bitte, guter Mann, ich wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte. Aber | |
Sie, die Wahrheit, Sie haben sicher schon viele Geschichten gehört. Und | |
Lügen. Sie sind doch meine letzte Chance. Sie müssen mir helfen! | |
Sind Sie etwa im Kamin stecken geblieben? | |
Beinah, ich bin in Brandenburg. | |
In Brandenburg? Das tut mir leid für Sie. | |
Ich bin auf meiner Tour: Geschenke ausliefern. Das Übliche vor Weihnachten. | |
Und jetzt hat sich Rudolf, Ihr Rentier, eine Pfote verletzt? | |
So ähnlich. Nein, Rudolf geht‘s gut. Aber die Polizei will mich nicht | |
weiterziehen lassen. | |
Die Polizei? | |
Ja gut, ich war ein bisschen schnell mit dem Schlitten unterwegs. Sie | |
kennen das doch: Vor Weihnachten noch die letzten Pakete bringen … | |
Und dabei wurden Sie geblitzt? | |
Genau! Und jetzt ist der Schlitten beschlagnahmt, und ich habe keine 50 | |
Euro dabei. | |
Wie? 50 Euro? | |
Also es können auch 100 sein. | |
Wie? 100? | |
Ja, 100. Die Sie mir leihen. | |
Leihen? Ich? | |
Genau! Ich schick dann … | |
Moment! Was soll das sein? Eine Art neuer Enkeltrick? | |
Was für ein Trick? Ich verstehe nicht, was Sie meinen. Hier ist der | |
Weihnachtsmann. | |
Und hier der Osterhase. | |
Ach, hören Sie auf, so weit waren wir doch schon mal. | |
Für den Weihnachtsmann sind Sie ganz schön dreist. Dabei sind Sie doch nur | |
eine Erfindung der Werbung, von Coca-Cola. Mit Ihrem brauseroten Mantel. | |
O, Sie tun mir im Herzen so weh. Wieder diese alte Cola-Leier. Da macht und | |
tut man das ganze Jahr, liest Wunschzettel aus aller Welt, führt Buch über | |
die guten und schlechten Taten, packt Geschenke, schleppt sie persönlich | |
herbei, ackert und schuftet, bis einem das Blut unter den Fingern | |
hervorspritzt – und dann das! Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen. | |
Also wollen Sie das Geld jetzt nicht mehr? | |
Ach, Sie können mir mit Ihrem Geld gestohlen bleiben. | |
Gestohlen ist gut. | |
Wie bitte? | |
Dann wünsche ich Ihnen noch … | |
Ja, Wünsche haben wir alle. Aber haben Sie mal an all die traurigen Augen | |
der Kinder gedacht, die nichts bekommen und in ihre Kissen weinen? | |
Na gut, es ist ja Weihnachten. Sie können sich die 50 Euro abholen. | |
Die 100 Euro. | |
Wie? 100 Euro? | |
Genau! (Ruft beiseite:) Ruuuuprecht! Du musst nach Berlin! 100 Euro! Ja, | |
Beeeerlin! | |
Na denn, ein schönes Fest. | |
Ebenso. Und, hohoho, vielen Dank. | |
23 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Michael Ringel | |
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