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# taz.de -- DAS WAR 2015: Vorauseilender Jahresrückblick
> Die taz aber weiß schon, was das Jahr 2015 Bremen bringt und stellt
> vorauseilend fest: Es wird Joachim Lohses Superjahr.
Bild: Super-Lohse rettet Pandas auf dem Bremer Marktplatz
Am 14. 1. bittet die Polizei auf einer Pressekonferenz die Öffentlichkeit
um Mithilfe angesichts sich seit dem Jahreswechsel häufender Angriffe auf
parkende Autos im Concordia-Tunnel. Diese würden mit Kot und Kleister
beschmiert. „Hier schwappt ein Phänomen aus Hannover auf Bremen über“, so
Polizeipräsident Lutz Müller. Man ermittle „in alle Richtungen“, kontert …
die Frage von Bürger-in-Wut-TV, ob es sich bei den Tätern nicht „zweifellos
um straffällige Ausländer, Asylbewerber oder Jugendbanden mit sogenanntem
Migrationshintergrund“ handele. „Wir fordern, dass jemand dafür
verantwortlich ist“, sagt Jan Timke dem parteieigenen Youtube-Kanal.
15. 1. Joachim Pohlmann (SPD) rügt im Weser-Kurier Verkehrssenator Joachim
Lohse (Grüne): „Ich erwarte, dass er beim Concordia-Tunnel tätig wird“,
sagt der, „sonst hat er die Scheiße am Schuh, auch von mir!“
20. 1. Hochschul-Prof Harry Harder vom Institut für Geotechnik stellt einen
Zwischen-Rapport zum Hochwasserobjektschutz Weser-Stadion vor: „Unsere
Berechnungen zeigen, dass die Grundwasserspiegeldruckhöhe bei
intensiviertem Wasserzutritt in kürzer Zeit zunimmt, als prognostiziert“,
teilt er mit. Doch leider sind nur die Sportredaktionen zum Termin geladen
worden, deren Vertreter mit dem Exposé nichts anfangen können.
3. 2. In Minsk eröffnet Martin Günthner (SPD) als Ehrengast Arm in Arm mit
Präsident Aljaksandr Lukaschenko die Automation Electronics- und
Elektrotec-Light-Fachmesse. Er ist seit der rabiaten Regierungsumbildung
Ende Dezember der erste westliche Politiker in Weißrussland. Auf die
Menschenrechtsfrage angesprochen antwortet Günthner, dass Bremen als
führender Androiden-Standort in Minsk passende Lösungen präsentieren könne.
„Meine Vorstellung ist es nun mal“, so Günthner, „gerade in Zeiten der
Krise die Dialogbereitschaft zu erhöhen.“ Ihm bereite höchstens Sorge, dass
sich Russland durch Bremen umzingelt fühlen könnte. „Das müssen wir ernst
nehmen.“
4. 2. Lohse führt eine Delegation von Managern aus Illinois durch
Bremerhaven: „Die bereits aufgegebene Hoffnung auf eine private Beteiligung
beim Offshore-Terminal bekommt ein wenig Auftrieb“, sagt Lohse. „This
opportunity to partner with Bremen,shows that innovative public-private
partnerships can happen internationally“, ergänzt Fisherman’s Energy-Chef
Chris Wissemann. Tags darauf berichtet die Bild: „Der Ausverkaufs-Mann – So
will Senator Lohse unsern Offshore-Hafen an die Amis verscheuern!!!!“
10. 2. Bei der Eröffnung der Moskauer Messe für Sicherheits-Technologie
begrüßt Vladimir Putin als Überraschungsgast „meinen Freund Martin“.
Günthner lobt Putins Strategien für die innere Sicherheit, auch wenn
„manche bei uns im Westen andere Vorstellungen davon haben, wo die
Innenpolitik Russlands endet“. Über Radio Bremen teilt der
Wirtschaftssenator mit, er sei sich „mit Vladimir einig darüber, dass
Einmischungen unerträglich sind – egal, ob in die Politik eines Landes oder
eines Ressorts“. Auf Nachfrage präzisiert er, er „gehe ja auch nicht als
Hafensenator hin und verkaufe anderleuts Flussauen.“
16. 2. Die erste Bremer Pegida-Demonstration gerät zum Desaster: Im
Nachhinein stellt sich heraus, dass sich die Anmelder nicht über die
Bedeutung des Kurzworts verständigt hatten. Während AfD-Mann Christian
Schäfer die Abkürzung als „Pipel egenst Islamisierung durch
Amerikanisierung“ übersetzt, hat Wutbürger Jan Timke sie als „Penis gegen
die islamischen doofen Ausländer“ verstanden und dafür einen tragbaren
Riesen-Protestpimmel aus Pappmaché gebaut. Als Schäfer Timkes Pimmel
umknickt, ergibt sich eine Straßenschlacht, die von der Polizei aufgelöst
werden muss.
14. 3. Werder Bremens Heimspiel gegen Bayern München wird nach 34 Minuten
beim Stande von 0:7 von einer urplötzlich aus dem Zentrum des Stadions
herausbrechenden Flutwelle beendet. Das Spielfeld wird von Wassermassen
bedeckt, der Rasen versinkt, die Gräben sind in Sekundenbruchteilen
geflutet: Während das Frühjahrshochwasser der Weser die kritische Marke von
6,50 Meter überschritten hat, begünstigte ein vom Mittel abweichender
Tidehub bei konstant auflandigem Winddruck den Grundwassereinbruch, wird es
später heißen. Umweltsenator Lohse erregt Aufsehen, als er bei den
Rettungsarbeiten selbst mit anpackt: In der ARD-Sportschau wird gezeigt wie
er eigenhändig elf Spieler des FC Bayern in einen Helikopter hievt.
„Eiskalt lässt Lohse Werder untergehen“ titelt der Weser-Kurier am Sonntag.
16. 3. Radio Bremen macht den Versuch von Joachim Lohses Sprecher Jens
Tittmann publik, „kurz nach dem Weserstadion-Vorfall“ im Rahmen der „buten
un binnen“-Sendung eine Möglichkeit für den Senator zu bekommen, ein
Interview zu geben. „Selbstverständlich haben wir uns eine solche
Einmischung in redaktionelle Belange strikt verbeten“, liest Yvonne
Ransbach live vom Teleprompter ab. Währenddessen räumt der Weser-Kurier
ein, dass Werder schon vor dem Eingreifen Lohses untergegangen war.
Kommentator Wigbert Gerling bleibt argwöhnisch: „Erstaunlich ist, dass der
Senator pünktlich zur Stelle war, um bayrische Edel-Kicker zu retten.“
15. 4. Anlässlich des 102. Geburtstags von Kim Il Sung darf
Wirtschaftssenator Günthner in Pjöngjang Seit’ an Seit’ mit Kim Jong-un d…
Militärparade abnehmen. „Prima Gespräch mit Fatty“, twittert er von der
anschließenden Begehung des Taedong-Staudamms. „Hier gibt’s viel zu holen
für Bremens Hafenwirtschaft.“
24. 4. Bei einer Informationsveranstaltung zur Verlängerung der
Straßenbahnlinien 8 und 1 droht ein Huchtinger Anwohner mit
Selbstverbrennung. Nachdem er sich mit Benzin übergossen hat, schlägt ihm
jedoch Verkehrssenator Lohse beherzt das Feuerzeug aus der Hand. Tags
darauf berichtet der Weserreport von einem „zweifelhaften Versuch“
Lohses,„den Bürgerprotest zu unterdrücken“. Zum Vorfall befragt wird Thom…
Röwekamp monieren, dass „hier ein Senator noch lernen muss, was es heißt,
demokratisch zu agieren“.
5. 5. Bei der feierlichen Vertragsunterzeichnung zwischen einem
US-Konsortium und der Freien Hansestadt Bremen über den gemeinsamen Bau
eines Offshore-Terminals fehlt Martin Günthner. Allerdings entschuldigt: Er
weilt mit einer Wirtschaftsdelegation, auf der Internationalen Messe für
Schmuck und Uhren in Abu Dhabi: „Man muss immer angemessene Mitbringsel
haben“, vertraut er der Nordsee-Zeitung im Kamingespräch an. „Gerade leicht
autokratisch veranlagte Menschen legen darauf gesteigerten Wert“, so der
Senator.
Am 20.5., zehn Tage nach Wahltag liegt ein vorläufiges amtliches
Endergebnis der Bürgerschaftswahl vor: Landeswahlleiter Jürgen Wayand
bewertet als „besonders hervorzuheben“, dass „diesmal keiner der
Spitzenkandidaten die meisten Personenstimmen bekommen hat“, sondern „ein
auf Listenplatz vier gesetzter Bewerber: Joachim Lohse mit 162.713
Stimmen“. Dadurch verbessern sich die Grünen auf 32,4 Prozent, die SPD hat
bei 38,7 Prozent leichte Zugewinne, Die Linke landet bei 11,2 die CDU auf
10,2. „Hier haben wir die Wählerwanderung, die dafür sorgt, dass die AfD
mit 5,01 Prozent ins Parlament einzieht“, so der Landeswahlleiter.
Wutbürger Timke hat sein Bremerhaven-Mandat verteidigt.
15.6. Blumenthals Ortsamtsleiter Peter Nowack (SPD) lässt in der
Norddeutschen durchblicken, dass er sehr genau wisse, „wer die
Schweinereien am Concordia-Tunnel zu verantworten hat“.
16.6. „Solange es niemanden stört, eben weiter so“ heißt der neue rot-gr�…
Koalitionsvertrag, der nach anderthalb Wochen Verhandlungen beschlussfähig
ist. „Vielleicht hätte man das schmissiger formulieren können“, räumt
Grünen-Chefin Henrike Müller im taz-Interview selbstkritisch ein, „aber
dafür war bei uns immer Hermann Kuhn zuständig, und der wollte nicht mehr.“
Die Ressortverteilung bleibt unverändert.
23. 6. Die CDU-Fraktion fordert einen Kot-und Kleber-Untersuchungsausschuss
„bezüglich der Parkplatzunruhen im Concordia-Tunnel und dem Problem der
Autoverunreinigung“. Dabei soll untersucht werden, ob zu wenig Polizisten
in Gebieten eingesetzt werden, in denen ältere Menschen neben parkenden
Autos wohnen. Zwar hätte die CDU allein nicht genügend Stimmen, es gelingt
ihr jedoch, die AfD-Fraktion mit ins Boot zu holen, nachdem sie deren
Vorsitzender Ute Dopke zusichert, auch die Frage der Belastung durch
Chemtrails im Stadt- und Landesgebiet Bremens als mögliche Ursache für so
manches mitzubehandeln.
Am 1.9. wird Lohse vom Pförtner nicht zur Senatssitzung gelassen, weil er
ihn nicht erkennt: Der Umweltsenator hat sich in der Sommerpause einen Bart
wachsen lassen. Am Rande der Sitzung platzt Bildungssenatorin Eva
Quante-Brandt (SPD) der Kragen, als sie entdeckt, dass ihr Name nun auch
auf dem Schild für anschließende Senatspressekonferenz zum
Schuljahresbeginn falsch geschrieben ist.
23.9. Bürgerschaftssitzung: „Ich habe schon so meine Ahnung, weshalb diese
Sitzung gerade heute stattfindet“, nutzt die AfD-Fraktionsvorsitzende Dopke
ihre Redezeit zur Attacke: „Drei- und- zwanzig!, klingelt’s?“ fragt sie:
„Ich sage nur Freimaurer!“ Die AfD aber werde nicht hinnehmen, „dass der
Senat schön zum Mars fliegt, und wir sitzen hier im Elend, mit die
Ausländern, die uns vergewaltigen“.
14.10. Im Kot-und-Kleber-Untersuchungsausschuss tritt Peter Nowack als
Zeuge auf. „Es stimmt“, sagt er, „ich habe alles auf Video.“ Er regt an,
die Beweisaufnahme bei ihm fortzusetzen, „zu Hause in Blumenthal, da weiß
ich welche Knöpfe ich drücken muss“. Der Ausschuss willigt ein, obwohl
CDU-Mann Jens Eckhoff protestiert: Die Sichtung der Beweisvideos bei Nowack
erklärt diesen Widerstand: Eckhoff selbst ist auf den Bildern als Anführer
einer mit Hundedreck- und Kleister-Eimern bewaffneten Bande von Rentnern zu
erkennen, die im Morgengrauen gegen Falschparker vorgehen. „Es war ja nicht
hinzunehmen, dass da politisch nichts geschah“, gesteht der ehemalige
Hoffnungsträger.
21. 10. Bei der Beiratssitzung in Blumenthal erklärt Nowack, direkt von der
Senatskanzlei als Dank für die Kot-und-Kleber-Aufklärung die Zusage zu
haben, „die Familie Schurr ganz aus dem Beirat auszuschließen, weil sie
befangen ist“. Als Beiratsmitglied Eike Schurr (Grüne) dagegen Rechtsmittel
einzulegen ankündigt, sagt Nowack, „diese Art des Umgangs kennen wir.“
4.11. Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) schließt AfD-Frontfrau
Ute Dopke aus, als sie sich weigert, ihren Alu-Helm während der
Landtagssitzung abzulegen. „Ich lasse mich doch nicht verstrahlen“, empört
sie sich. Mit ihr verlassen die ganze AfD-Fraktion den Plenarsaal.
18.11. Die Präsidentin der Jacobs University, Katja Windt stellt mit der
Jahres-Bilanz „die große LayOffensive“ als nächsten Schritt der
„Restructuring-Strategie“ vor: „Entscheidend ist, dass wir die RIF Quote
von 98 Prozent als Voluntary Rif-Quote auffassen, sodass alle, die raus
müssen, auch raus wollen müssen“, so Windt. Auf Nachfrage der dpa gibt sie
zu, dass das die Schließung der JUB bedeute: „Ja, das ist ein Nebeneffekt“,
so Windt.
31.12. Nowack hat groß eingeladen – zur Jahresabschlussparty auf der
Bahrsplate: „Wo andere früher leiden mussten, sorge ich für gute Stimmung�…
hatte der Ortsamtsleiter das Event im Weser-Report angekündigt. Das
Programm sei fett: „Erst haben wir einen Boxkampf arrangiert zwischen
Lothar Kannenberg und einem kriminellen Asylbewerber“, dann „zeige ich mein
großes Video-Panorama Bremen 2015 – Sie werden sich wundern, wo ich überall
per Kamera dabei war!“ Alle seien willkommen „vor allem heiße und willige
Girls“, so Nowack, „nur Grüne und Zigeuner müssen draußen bleiben – ab…
das ist ja sowieso klar“.
31 Dec 2014
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
Benno Schirrmeister
Simone Schnase
Jan Zier
## TAGS
Bremen
Schwerpunkt AfD
2015
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