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# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Erstmal gucken, was noch da ist
> Kai Diekmann engagiert sich nun. Egon Erwin Kisch gibt es bald als Stift.
> Und die Kriegsreporterin ist zurück aus der Pause.
Bild: Lässt sich nicht mehr mit seinem Arschkrampenblatt gleichsetzen: Kai Die…
Hallo taz-Medienredaktion! Ich melde mich gehorsamst aus meiner kleinen
Auszeit zurück! Und ja, Schatz, Du hast mir auch gefehlt! Damit aber auch
genug der Sentimentalitäten und ran an die Arbeit! Ich habe mir extra den
nötigen Platz freigeschossen, den dreieinhalb Monate Pause verdienen. Es
ist schließlich nicht so, dass die Lustigen unseres Gewerbes auf dem
Sonnendeck des Bestimmertums faul herumgelegen haben. Nein, im Gegenteil!
Die haben für den Fortbestand dieser Zunft so unablässig an deren
Niedergang gearbeitet, dass ich erst mal gucken muss, was noch da ist.
Also Gruner + Jahr (G + J) ist noch da. Zumindest in Teilen. Und sogar die
Spiegel-Redaktion, diese Truppe Schwererziehbarer, die kontinuierlich ihre
Anstaltsleiter aus dem Haus jagt und ihre Institution einem unregierbaren
Jugendheim gleichgestellt hat, ist noch am Platz. Und der Hammer: Ihr Heft
erscheint jetzt sonnabends!
Ein vorletztes Mal montagsschön war es letzte Woche. Da kam der Spiegel
nicht nur mit einem Titel auf den Markt, von dem man annahm, er wäre dumm
genug für die Hörzu, nein, da hat die Redaktion sich von einer Seite
gezeigt, von der man gar nicht wusste, dass sie sie kennt. Es ging um
Freundschaft. Also um schöne Gefühle zwischen Menschen. Tim und Struppi,
Ernie und Bert, Dick und Doof – da hat die Redaktion unter dem neuen
Chefredakteur in den Zeiten von Isis, Putin und Pegida ihre Antwort auf
destruktives Tun gefunden: Liebe, Verständnis, Miteinander – ich bin noch
immer gerührt.
In diesem Sinne bin ich auch gerührt von dem Mitgefühl, das denen zuteil
wird, die eine Art erweiterten Selbstmord begehen. So hat mein kleiner,
tapferer Verein Freischreiber den G + J-Chefs zu Weihnachten eine CD mit
Geräuschen geschenkt. Die Gruner-Mächtigen haben es sich nicht leicht
gemacht, als sie beschlossen, im Sinne des Fortbestands ihres Inhaltehauses
viele, ja sehr viele InhalteherstellerInnen zu entlassen. Übrig bleiben bei
dieser Logik der Zukunftssicherung nur die Chefs. Und die sitzen nun in
einem zunehmend leerer werdenden Haus und müssen mit sich selbst sprechen
und mit dem Löffel an der Kaffeetasse klimpern, wenn sie die Stille
durchbrechen möchten.
Aber anstatt dass Freischreiber, der Berufsverband freier JournalistInnen,
jetzt sauer ist, auf Frau Jäkel und ihre Bande schimpft, zeigt er
Mitgefühl. Und schenkt eine CD mit Redaktionsgeräuschen. Tastaturgeklapper,
Flurfunk. So geht Anteilnahme.
## Nach jetzt ?
Gruner + Jahr ist ja schon vor einigen Jahren dazu übergegangen,
Journalismus durch die Abbildung der Lebenswelt zu ersetzen, in der die
MitarbeiterInnen leben. Oder: lebten. Entsprechend heißen die neuen Hefte
des Verlags Beef, Couch und Salon. Es werden wohl bald Neuentwicklungen wie
Lonely Office und Tristesse – das Büromagazin auf den Markt kommen. Eine
verbliebene Mitarbeiterin erzählt, in den Klos bei Gruner röche es nach
„toter Katze“. Das wäre dann ein Heft für den chinesischen Markt.
Natürlich habe ich noch weitere tolle Gruner-Aspekte, aber ich möchte ja
auch mal von mir reden. Denn nicht nur um Gruner macht man sich Gedanken,
auch um mich. So hat mich etwa ein taz-Genossenpaar gefragt, ob ich wohl
auch Genossin sei, und ich musste sagen: „Schluchz, nein, bei dem Honorar
konnte ich nichts ansparen!“ Und schwupps, haben sie mir einen Anteil
geschenkt!
Das finde ich so, so toll und ich freue mich schon wie hulle drauf, mich
bei der nächsten Genossenschaftsversammlung ständig zu Wort zu melden und
Anträge einzubringen wie „GenossInnen, die Selbstgestricktes tragen, das
älter als 20 Jahre ist, sollen gewaschen werden“, und „alle Schilder im
neuen Haus müssen auch in einfacher Sprache in Brailleschrift angebracht
werden“ – das wird so eine Freude!
Eine schöne Sache, die mir mit meiner Rückkehr auffällt, ist die Wandlung
von Kai Diekmann. So wie Alice Schwarzer im Zuge ihrer Wechseljahre in
Quizsendungen und am Stricktelefon auftauchte, taucht der Chefredakteur der
Bild mit seinen 50 Lenzen zusehends im Kontext von Kindern, Engagement und
Modefragen auf. Konnte man ihn noch vor Jahren mit seinem Arschkrampenblatt
gleichsetzen, scheinen heute andere die Zeitung zu machen und Diekmann
kümmert sich um Fragen der Kinngestaltung und der Rettung von Bildblog. Und
kämpft in den Kanälen des Internets gegen die Windmühlen der Rechten.
Sogar, wenn die braven Bürger schlafen.
## Diekmann: ein zynischer Hund, der traurige Smileys postet
So twitterte er am Montagmorgen um 5.44 Uhr, er wolle sich nicht damit
abfinden, „daß sich die @FAZ_Politik mitunter wie die Hauszeitung der
@AfD_Bund aufführt!“, und stellt ein sehr, sehr trauriges Smiley (!)
daneben. Wir wissen nicht, was im Silicon Valley geschah, in welchen
Zaubertopf er gefallen ist, wer ihm was am Hirn gewaschen hat, aber wenn
das so weitergeht – ein zynischer Hund, der traurige Smileys postet –, dann
hat die Menschlichkeit bald eine neue Galionsfigur. Und einen neuen Namen:
Diegida. „Diekmann ist ein ganz intensiv doller Anführer“.
Radio, Fernsehen, Internet, Schulkantinen und auch auf der Bühne des Lebens
– ich werde ja oft gefragt, wie es wohl weitergeht, mit dem Journalismus.
Und oft sage ich dann: „Ach, nicht so gut!“, werfe das Haar nach hinten und
lasse mir nachschenken. Seit Neuestem aber habe ich wieder Hoffnung. Weil
ich sehe, dass RTL neue Wege aufzeigt. Nur zu berichten war gestern. Heute
ist der Reporter auch gleich Protagonist der Geschichte.
Wie derjenige, der sich als Sympathisant unter die Pegida-Demonstranten
mischte und den NDR-Kollegen freudig fremdenfeindliche Auskunft gab. Ich
habe mal geguckt, ob RTL in dieser Disziplin auch ausbildet. Kostümkunde,
Make-up, Haare, Ansichten. Immerhin betreibt RTL eine Ausbildungsakademie.
Und die ist auf ihrer Homepage so aktuell wie die Nachrichten relevant
sind. Unter „News aus der RTL Journalistenschule“ finden sich Meldungen von
2013. Das neueste Datum trägt die Veranstaltung vom 19. August 2014. Wer
will da noch an der Qualifikation von RTL-Journalisten zweifeln?!
Aber auch ich will meinen Beitrag zum Qualitätserhalt leisten. Jetzt, wo G
+ J jeden Mitarbeiter dreimal umdreht, kaufe ich denen günstig die
Gebrauchsrechte für Egon Erwin Kisch ab. Und dann rufe ich den
Egon-Erwin-Kisch-Mittwoch aus. Ich gebe den Egon-Erwin-Kisch-Stift heraus
und die Schreibmaschinenserie „XL Fabulier“ als VIP-Kisch-Edition mit den
Sonderbuchstaben „äh“, „öh“ und „umpf“.
Außerdem Stempelkissen, Löschpapier und die mit einem Vorwort von Wolf
Schneider veredelte Gedenkausgabe „Mein ABC“. Oh, taz-Medienredaktion, die
kleine Pause hat so gut getan! Ich bin so voller Tatendrang! Und damit
zurück nach Berlin!
6 Jan 2015
## AUTOREN
Silke Burmester
## TAGS
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Die Kriegsreporterin
Gruner + Jahr
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