# taz.de -- Protest gegen Überschwemmungsgebiete: Bürgerbegehren geflutet | |
> Der Bezirk Wandsbek verhindert eine Einwohnerabstimmung über die | |
> Ausweisung von Privatgrundstücken als Überschwemmungsgebiete | |
Bild: Hochwasser-Einsatz im Dezember am Alster-Oberlauf. | |
Der Bezirk Wandsbek hat das „Bürgerbegehren gegen die Ausweisung von | |
Überschwemmungsgebieten (ÜSG) auf bewohnten Grundstücken entlang der Berner | |
Au“ als „unzulässig“ abgelehnt. In einem auf den 12. Januar datierten | |
Schreiben begründet Vize-Bezirkschefin Kerstin Godenschwege das Veto damit, | |
dass die geforderte „Rücknahme der Ausweisung“ sich „nicht in der | |
sachlichen Zuständigkeit des Bezirksamtes“ befinde, sondern | |
Landesangelegenheit sei. Die Initiative „Kein ÜSG Berner Au“, die das | |
Begehren am 22. Dezember eingereicht hat, prüfe nun, „ob wir Widerspruch | |
einlegen oder ein Mediationsverfahren einberufen“, sagt ihr Sprecher Thomas | |
Müller. | |
Die Initiative hatte das Bürgerbegehren eingereicht, um einen befürchteten | |
Wertverlust von 300 an der Berner Au gelegenen Wohngrundstücke zu | |
verhindern – oder, wie sie es formuliert, die „Teilenteignung“ ihrer | |
Besitzer. Deren Gärten sollen zum Überschwemmungsgebiet deklariert werden, | |
auf dem sich bei Bedarf „das über die Ufer tretende Wasser ungehindert | |
ausdehnen kann“. | |
Eine neue europäische Hochwasserschutzrichtlinie schreibt nach Auffassung | |
der Stadtentwicklungsbehörde eine solche Ausweisung zwingend vor. „Wir | |
weisen die Gebiete aus, weil wir gesetzlich dazu verpflichtet sind“, sagt | |
Behördensprecher Magnus-Sebastian Kutz. | |
Bewohner der als Überschwemmungsgebiet ausgewiesenen Grundstücke aber | |
dürfen keine Anbauten errichten und ohne Genehmigung keinen Busch und | |
keinen Baum pflanzen, da diese ja die Ausdehnung des Wassers einschränken | |
können. „Für jeden Strauch müssen wir nun einen Antrag stellen, hohe | |
Gebühren zahlen und sind dann der Willkür der Verwaltung ausgeliefert“, | |
meint Matthias Dickmann von der Initiative. Durch diese Einschränkungen | |
würden die Grundstücke rund 70 Prozent ihres Werts verlieren. | |
Die Behörde hingegen kann keinen gravierenden Wertverlust erkennen und | |
lehnt deshalb eine Entschädigung der Betroffenen ab. Denn jedes Nachgeben | |
hätte exemplarischen Charakter: Elf Überschwemmungsgebiete, verteilt über | |
die ganze Stadt, plant die Behörde. Betroffen sind davon 2.200 Grundstücke, | |
auf denen etwa 5.000 Haushalte angesiedelt sind. | |
Doch anders als bei der Kollau oder der Tarpenbek, die erst vor wenigen | |
Wochen über die Ufer traten, kann sich bei der Berner Au – einem | |
quellenlosen Rinnsaal, das über Straßengräben mit Regenwasser gespeist wird | |
– niemand erinnern, dass der schmale Strom je sein Bett verlassen hätte. | |
„Seit 96 Jahren ist das nicht passiert“, sagt Jan Kruse, Anwohner in | |
fünfter Generation. Die Behörde beruft sich indes auf Rechenmodelle, die | |
die Folgen eines Jahrhundertregens simulieren. | |
„Hochwasserschutz ist eine städtische Aufgabe, die hier auf eine kleine | |
Gruppe von Grundeigentümern abgewälzt wird“, klagt Müller und fordert die | |
Stadt zum Handeln auf. Sie könne die Versiegelung weiterer Flächen stoppen, | |
die das Versickern von Regenwasser verhindert, und vorhandene | |
Rückhaltebecken ausbaggern um deren Fassungsvermögen zu vergrößern. Auch | |
seien drei Wehre, die einen Wasserabfluss regulieren könnten, marode und | |
zudem gebe es am Uferlauf genügend Weideland, das sich als | |
Überschwemmungsreserve nutzen lasse. | |
Matthias Dickmann befürchtet, dass die zunehmende Flächenversiegelung | |
gepaart mit der Untätigkeit der Behörden schon bald für noch mehr Hamburger | |
Konsequenzen hat: „Jeder, der in der Nähe eines Straßengrabens wohnt, läuft | |
Gefahr, in ein Überschwemmungsgebiet umgewandelt und so quasi enteignet zu | |
werden.“ | |
15 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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