Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Satire über Literaturbetrieb: Verstopfung, überall
> Mit gepflegten Vorurteilen gut amüsiert: „Im Zoo“ ist ein fiktiver
> Insiderbericht des britischen Autors Howard Jacobson über den
> Literaturbetrieb.
Bild: Kennt sich aus im Literaturbetrieb: Howard Jacobson.
„Wenn du mit dem Schreiben eines Buches beginnst, solltest du keine Meinung
haben. Wirf deine Überzeugungen über Bord!“ Diese Maxime äußerte der
englische Autor und Booker-Preisträger Howard Jacobson Anfang 2014 beim
„English Literature Seminar“ des British Council in Berlin. Dort las der
72-Jährige aus seinem nun auf Deutsch erschienenen Roman „Im Zoo“, der, wie
er augenzwinkernd beteuerte, auf keinen Fall autobiografisch sei.
Er handelt von dem moderat erfolgreichen Schriftsteller Guy Ableman, dessen
sprechender Name durchaus ironisch zu verstehen ist. Denn obwohl Guy
Ableman ein paar sich gut verkaufende Romane verfasst hat, behindert ihn
das tägliche Leben in der Entfaltung seiner Fähigkeiten.
Seine Schreibblockade ist auf ein ungestilltes Verlangen nach seiner
Schwiegermutter zurückzuführen. Er leidet unter Verstopfung, und er kann es
kaum ertragen, dass seine Frau Vanessa ihm intellektuell ebenbürtig ist und
dazu noch schlagfertiger als er.
Zudem machen dem machistisch veranlagten Ableman die Zustände in der
Verlagsbranche zu schaffen. Der Abgesang auf die gute alte Buchindustrie
nimmt in „Im Zoo“ sehr viel Raum ein. Es wirkt, als habe Jacobson hier
seine eigene Maxime missachtet und weniger einen Roman als vielmehr eine
Streitschrift verfasst. Jacobson nutzt geschickt die bei gutbürgerlichen
Best Agern verbreitete Skepsis gegenüber Twitter, Facebook, Amazon und
punktet mit Ironie und Sprachwitz.
## Ein Bischof beim Zumba-Kurs
Wenn Ablemans Verleger Merton von, wie er sie nennt, Blugs, also Blogs,
spricht, klingt es obszön. „Als hörte man den Erzbischof von Canterbury
davon reden, an einem Zumba-Kurs teilzunehmen.“ Die Verramschung von
anspruchsvoller Literatur nach dem Prinzip Nimm-3-bezahl-2 und die
Behauptung, dass vom Schreiben nur leben kann, wer Vampir- oder
Fantasygeschichten verfasst und verlegt, machen Mertons Selbstmord fast
nachvollziehbar.
Die Leser werden mitgenommen in den von Eitelkeiten durchtränkten
Literaturbetrieb, in dem Agenten einzig der vorhersehbare Verkaufserfolg
eines Manuskripts wichtig ist, Romanciers sich gegenseitig des Plagiats
beschuldigen und hässliche Machtspiele unnötig Energie absaugen.
Seitenhiebe auf selbstgefällige, natürlich zumeist von zänkischen Frauen
bevölkerte Lesegruppen zeichnen ein Bild vom Literaturbetrieb als Zoo, in
dem nicht ganz klar ist, wer wen anglotzt. Wenn Ableman sich darüber
beschwert, dass Autoren inzwischen sogar ihre Restaurantrechnung selbst
begleichen müssen, bleibt das Mitleid auf Leserseite dagegen eher gering.
Paradoxerweise hat „Im Zoo“ Pageturner-Qualitäten und ist höchst amüsant…
lesen, da eigene Vorurteile hier und da bestätigt werden, wodurch eine
Verbundenheit mit dem beschriebenen Szenario entsteht. Die Befindlichkeiten
der Figuren, die den eher dünnen Plot voranbringen sollen, bleiben einem
jedoch seltsam egal. Einiges Personal scheint nur dazu ersonnen zu sein,
dem Erzähler knackige Statements zu ermöglichen.
Friedhelm Rathjen hat mit seiner Übersetzung eine passende Sprache
gefunden. Insbesondere die Neuschöpfung, die er sich für die sinngemäße
Übertragung des ersten Erfolgstitels Ablemans ersonnen hat – „Wer schert
sich einen feuchten Affen?“ für „Who gives a monkey?“, anstatt „Wer sc…
sich einen feuchten Kehricht?“ – bereitet ein glänzendes Parkett für die
Schlüpfrigkeiten, die auf jeder Seite herumturnen, und stellt die
tatsächliche Verbindung zum Zoo her. Der Gebrauch von Wörtern wie „Jungens�…
statt „Jungs“ ist antiquiert, illustriert aber die altmodische
Lebensauffassung des Protagonisten.
26 Jan 2015
## AUTOREN
Sylvia Prahl
## TAGS
Britische Literatur
Britische Literatur
Roman
Literatur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolloquium mit britischen Schriftstellern: Blame it on the Zeitgeist
Das British Council veranstaltete an der Berliner Humboldt Universität ein
„Literature Seminar“ zum Verhältnis von Lebenswirklichkeit und britischer
Literatur.
Politthriller aus Weißrussland: Ebenen der mentalen Verunsicherung
Viktor Martinowitschs spannender Roman „Paranoia“ ist in Weißrussland
verboten. Am Ende des Buches ist man bereit, jedem alles zuzutrauen.
Werkschau zu Hanns Eisler: Ändere die Welt, sie braucht es
Unbedingt immer wieder Hanns Eisler hören! Eine große CD-Box bietet nun zum
Glück eine gute Gelegenheit dazu.
Musik zum neuen Coen-Film: Als der Folk neu erfunden wurde
„Inside Llewyn Davis“, der neue Film der Coen-Brüder, kommt nächste Woche
in die Kinos. Die Musik darin kann man jetzt schon hören.
Neues Buch von Alan Bennett: Mit Sinn für gemeine Details
Hinter der distinguierten Tweed-Fassade tun sich exzentrische Abgründe auf:
Alan Bennett beschäftigt sich in „Schweinkram “ mit menschlichen Schwäche…
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.