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# taz.de -- Social Sabbatical im Ausland: Freiwilligendienst für die Auszeit
> Bei einem Social Sabbatical kann man aus dem Job aussteigen und im
> Ausland ehrenamtlich arbeiten. Wem wird da wirklich geholfen?
Bild: Am Strand liegen zur Entspannung? Nein, lieber Freiwilligenarbeit.
BERLIN taz | 27 Stunden dauerte die Reise, dann war Jochen Wild in
Battambang, einer Stadt im Nordwesten von Kambodscha. Dort arbeitete der
Grafikdesigner bei „Banyan Tree e.V.“, einer Organisation, die
beispielsweise mit Stipendien Kinder aus ärmlichen Verhältnissen
unterstützt. Für den Verein konzipierte Wild den neuen Webauftritt,
erstellte Foto- und Videomaterial für die Öffentlichkeitsarbeit und
arbeitete bei unterschiedlichen gemeinnützigen Projekten mit.
Drei Monate war er vor Ort, bevor er wieder nach Nürnberg zurückkehrte, wo
er bei einer Werbeagentur arbeitet. Um sich in Battambang zu engagieren,
hat er sich eine Auszeit genommen: ein sogenanntes Social Sabbatical. Ein
Sabbatical ist ein Aussteigen auf Zeit. Bis zu einem Jahr kann sich ein
Angestellter freinehmen und danach zum Job zurückkehren. Er ist dabei
weiter angestellt und auch versichert.
Der Begriff entstand an US-amerikanischen Universitäten. Dort können
Professoren sich vorübergehend vom Lehrbetrieb freistellen lassen, um sich
ihrer Forschung zu widmen. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft in
Köln sind n Deutschland Sabbaticals vor allem für Lehrer und weiteren
Beschäftigten im öffentlichen Dienst gängig. In der Privatwirtschaft bieten
etwa zehn Prozent der Unternehmen ein Sabbatical an, wie die Deutsche Bahn,
Siemens und BMW, weniger Unternehmen als noch 2009.
Die Motive für eine Auszeit sind unterschiedlich: Häufig wollen die
Mitarbeiter mehr Zeit für die Familie, sich beruflich weiterbilden oder
reisen. Jochen Wild wollte sich ehrenamtlich engagieren.
## Raus aus dem Hamsterrad
„Ich wollte raus aus dem Hamsterrad. Einfach raus. Reisen war mir zu wenig,
ich wollte etwas Soziales machen“, sagt Wild zu seiner Motivation.
„Endlich raus“, damit wirbt auch die Organisation „Manager für Menschen�…
die Interessenten für ein „social sabbatical“ ein passendes Projekt
vermittelt. Die Bewerber sollten älter als 30 Jahre sein und schon über ein
paar Jahre Berufserfahrung verfügen.
„Für junge Menschen gibt es genügend Angebote, um sich im Ausland zu
engagieren. Wir vermitteln aber lieber Fachkräfte. Ihr Wissen ist begehrt“,
erklärt Elke Dieterich, Geschäftsführerin von „Manager für Menschen“.
Mit Hilfe der Organisation ist auch Jochen Wild nach Kambodscha gekommen.
Doch vor der Beratung, lange bevor er sich für ein Projekt entschied,
sprach er mit seinem Chef über die Möglichkeiten zeitweise auszusteigen.
## Kein Anrecht auf Auszeit
In Deutschland gibt es keinen rechtlichen Anspruch auf ein Sabbatical.
Gerade in kleinen Betrieben ist eine solche Auszeit nicht einfach zu
realisieren.
Aber auch in Großunternehmen, die ein Sabbatical anbieten, kommt auf den
Interessenten viel Organisatorischen zu: Sie müssen sich um eine Vertretung
während der Auszeit und vor allem die Finanzierung kümmern.
Für Letzteres gibt es mehrere Möglichkeiten. So können beispielsweise
Mitarbeiter in Vorarbeit gehen, also Vollzeit arbeiten, aber weniger Geld
bekommen. Diesen reduzierten Lohn erhalten sie dann auch während ihrer
Auszeit
Jochen Wild hat sich für dieses Modell entschieden. Jedoch war er in dieser
Zeit auf seine Ersparnisse angewiesen: „Ich rate jedem sich ein
finanzielles Polster anzueignen, wenn man vorhat, im Ausland zu arbeiten.“
## Wie groß ist der Nutzen?
Das Social Sabbatical bedeutet also erstmal Stress und finanzielle
Engpässe. Trotzdem sieht das Institut der deutschen Wirtschaft darin
Vorteile sowohl für Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Demnach sind die
Mitarbeiter nach der Auszeit motivierter und kommen mit frischen Ideen an
den Arbeitsplatz zurück. Die Unternehmensberatung SAP, die ein spezielles
Social Sabbatical-Programm anbietet, bestätigt diese Annahme. Nach Aussage
der Pressesprecherin, sind die Mitarbeiter nach dem Engagement auf Zeit
viel zufriedener.
Auch Jochen Wild ist glücklich über seine Entscheidung: „Ich habe viel
Elend gesehen und bin daran gewachsen. Nach meiner Rückkehr meinten meine
Kollegen in Nürnberg zu mir, dass ich viel ausgeglichener bin, als vorher.
Ich will auf jeden Fall weiterhelfen“. Die Arbeitnehmer sind zufrieden und
davon profitieren auch die Arbeitgeber, klingt gut, doch stellt sich die
Frage, wie nachhaltig diese Art der Freiwilligenarbeit wirklich ist.
Kritik an Freiwilligenarbeit gibt es von vielen Seiten, wie von der
Organisation Voluntary Service Overseas (VSO). Häufiger Einwand ist, dass
viele Freiwillige wie die neuen Kolonialherren auftreten würden und vor
allem das die Hilfe der Bevölkerung nicht im Vordergrund stände, sondern
eher die Sinnsuche des Freiwilligen.
Dass Unternehmen Social Sabbaticals anbieten, hat wenig mit Altruismus zu
tun, als viel mehr mit der Hoffnung Mitarbeiter an sich zu binden und sie
weiter zu motivieren. So wird auf Jobmessen häufig mit dieser Möglichkeit
geworben und auch auf der Homepage von „Manager für Menschen“ wird mit
„aufgeladenen Akkus und neuen Perspektiven“ geworben. Freiwilligenarbeit
also als Möglichkeit der Entspannung?
Jochen Wild ist sich auch nicht sicher, inwieweit er tatsächlich nachhaltig
geholfen hat, doch er glaubt, dass sein Aufenthalt nicht nur ihm was
gebracht hat. In den nächsten Jahren will er wieder ein Social Sabbatical
machen, diesmal mit seiner Lebensgefährtin. Ob er damit die Welt verändert,
sei nicht wichtig, es sei besser als nichts zu tun, sagt er zuversichtlich.
2 Feb 2015
## AUTOREN
Laila Oudray
## TAGS
Ehrenamtliche Arbeit
Beruf und Familie
Arbeitsbedingungen
Freiwillige
Kolumbien
Freiwilligendienst
Streitfrage
Bundesligarechte
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