| # taz.de -- Unruhen in Südafrika: Nach Pogromnacht von Snake Park | |
| > Eine neue Welle ausländerfeindlicher Gewalt in den Armenvierteln von | |
| > Johannesburg fordert Tote und zwingt zahlreiche Menschen in die Flucht. | |
| Bild: Ein pakistanischer Shop-Betreiber sitzt in seinem leeren Laden, nachdem e… | |
| SOWETO taz | Der kleine Kiosk ist mit schwarzen Eisengittern verriegelt. | |
| Die Inhaber sind geflohen. Nur wenige Ecken weiter in Snake Park ist ein | |
| anderer Kiosk von seinen somalischen Eigentümern verlassen worden – die | |
| abgeblätterten rosa Wände sind verkokelt. In anderen Geschäften prangen | |
| große Löcher in den Mauern. | |
| Ausländerhass schwelt in Südafrika seit Jahren. Im Jahr 2008 brannten die | |
| Townships, afrikanische Migranten wurden brutal angegriffen, 62 Menschen | |
| kamen ums Leben. Am Montag vergangener Woche schlug der Hass wieder in | |
| Gewalt um. | |
| In der Siedlung Snake Park in Township Soweto stürmte eine Gruppe | |
| Jugendlicher auf somalische „Spaza-Shops“ zu, wie die kleinen Straßenkioske | |
| in Südafrika heißen. Sie schrien „Makwerekwere“ (Slang für „Ausländer… | |
| begannen die Kioske einzuschlagen. Ein Somalier griff zur Waffe und schoss | |
| in die Menge. Dabei tötete er einen 14-jährigen Teenager. Daraufhin | |
| eskalierten die Angriffe erst richtig und griffen auch auf andere Townships | |
| wie Kagiso im Westen und Alexandra im Norden Johannesburgs über. Sechs | |
| Menschen sind insgesamt ums Leben gekommen, etwa 80 Läden sind ausgeraubt | |
| worden. | |
| Jetzt liegen überall in Snake Park Gegenstände in den schmutzigen, von den | |
| Pfützen der Sommergewitter gefüllten Straßen. Alle zwölf von Ausländern | |
| geführten Spaza-Shops sind verlassen. Lediglich die drei Läden mit | |
| südafrikanischen Inhabern sind unversehrt. | |
| ## Ausländer leben in Angst | |
| „Sie haben ihre Sachen genommen und sind verschwunden“, sagt Nokhaya Ginya. | |
| Der 59-jährige Südafrikaner hatte seine Läden an Einwanderer aus | |
| Bangladesch vermietet. „Ich bin traurig“, sagt er. „Ich glaube nicht, dass | |
| ich wieder so gute Mieter haben werde. Die Gemeinschaft mochte die | |
| Ausländer. Sie waren freundlich und ehrlich, hatte gute Beziehungen zu den | |
| Alten, hatten günstige Preise und gaben sogar Kredite.“ | |
| Ginya schüttelt den Kopf: „Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Ich | |
| werde meinen Laden verkaufen, denn sie werden wohl nicht zurückkommen. Es | |
| ist unsicher für sie hier. Mich werden die Kriminellen nicht angreifen, | |
| denn ich bin Südafrikaner.“ | |
| Phephi Mchunu, 25, lebt in Snake Park mit ihrem Freund aus Simbabwe. „In | |
| der schrecklichen Nacht hörte ich Geräusche und Schreie, Leute mit | |
| Mülltonnen und Schubkarren rannten durch die Straßen und stahlen aus den | |
| Läden“, erzählt sie. Am nächsten Morgen fand sie Mehl- und Zuckerspuren auf | |
| dem Boden ihres nächsten Kiosks. Die Kassen waren aufgebrochen. | |
| Als ein Lokalpolitiker des regierenden ANC (Afrikanischer Nationalkongress) | |
| in Reaktion ein Bürgertreffen einberief, konnte Phephi kaum glauben, was | |
| sie hörte: „Ich war geschockt, dass er die Ausländer als Drogenhändler | |
| bezeichnete. Sie seien hier nicht willkommen. Sie sollten ihren Vermietern | |
| mindestens 5.000 Rand (500 Euro) Miete zahlen und er müsse davon 1.000 Rand | |
| erhalten.“ | |
| ## Sie wissen nicht wohin | |
| Dann drohte die Chefin der freiwilligen Stadtteilpolizei, sie und ihren | |
| Freund aufzusuchen und „fertigzumachen“. Mchunu: „Das ist schlimm, denn | |
| einige der ANC-Führer sind während der Apartheid im Ausland beherbergt | |
| worden.“ | |
| Sithembile Mangena ist eine junge Hausangestellte aus Simbabwe. „Wir leben | |
| in Angst. Ich werde in die Stadt ziehen, aber dort sind die Wohnungen | |
| teurer“, sorgt sich die 25-jährige Frau. Sie ging auch zum Treffen des | |
| ANC-Gemeindeführers und bestätigt: „Sie haben es jetzt auf die Ausländer | |
| abgesehen, die vor vielen Jahren herkamen und südafrikanische Papiere | |
| besitzen.“ Ein mosambikanischer Nachbar ist laut Mangena gezwungen worden, | |
| sein Grundstück zu verlassen, obwohl er seit zwanzig Jahren in Südafrika | |
| lebt. | |
| Hunderte Menschen sind jetzt vor der Gewalt in das Johannesburger | |
| Muslim-Viertel Mayfair geflohen, wohnen bei Freunden oder in billigen | |
| Wohnungen. Einer von ihnen ist Bushira Ahmed, einer der vertriebenen | |
| Ladenbesitzer aus Snake Park. Er hat sein Warenlager auch nach Mayfair | |
| verlagert. In dem kleinen Viertel nahe der Johannesburger Innenstadt türmen | |
| sich jetzt Kühlschränke und Überreste aus den Läden, die Eigentümer stammen | |
| häufig aus Somalia und Äthiopien. Sie wissen nicht, wohin. „Wir können | |
| nicht zurück“, sagt Ahmed. „Sie haben Macheten und töten uns.“ | |
| 29 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Martina Schwikowski | |
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