# taz.de -- CTM im Berghain: Zonkblitze im Disconebel | |
> Die Woche im Berghain war zunächst männlich, dröhnend und vernebelt. Dann | |
> kamen die Frauen und zeigten, das Elektro-Musik schön sein kann. | |
Bild: Gazelle Twin. Ein Highlight bei der CTM im Berghain. | |
Das große Finale steht dem CTM-Festival in der Samstagnacht im Yaam mit | |
18+, im HAU mit Electric Indigo und am Sonntag im Astra mit Nisennemondai | |
noch bevor. Im Berghain ist es heute am Samstagmorgen zu Ende gegangen. Ob | |
dort dann Maelstrom die Sogwirkung von Edgar Allen Poe erreichte und in | |
welchen Kostümen das Greco-Roman Soundsystem auftrat, stand bei | |
Redaktionsschluss nicht fest. | |
Den Auftakt der CTM-Konzertnächte im Berghain machte am Dienstag die | |
Medienarchäologin Elisabeth Schimana. Sie bediente ein Gerät, dass aussah | |
wie ein mit einer Orgelklaviatur ausgestatteter Klappenschrank aus den | |
Zeiten der Fernsprechhandvermittlung, als das „Fräulein vom Amt“ die | |
Telefonverbindungen noch stöpseln musste. Es handelte sich um den | |
Max-Brand-Synthesizer, ein in den 50er Jahren konstruiertes Ungetüm, das | |
als Vorläufer des für die elektronische Musik so wichtigen | |
Moog-Synthesizers gilt. | |
Schimana führte mit einem Gehilfen am Frequenzteiler ihre Komposition | |
„Höllenmaschine“ vor. Trotz schmerzend krächzender Bässe, die sich | |
gegenseitig zu hauen schienen: man hatte schon größeren Höllenkrach in | |
diesem Tempel gehört. Wie so oft bei solchen Konzerten hätte man sich nach | |
dem Auftritt eine kurze „Sendung mit der Maus“ gewünscht, die erklärt, was | |
genau der „Hüllenkurvengenerator“ da eigentlich macht. Nur so kann man ja | |
halbwegs beurteilen, was die Performer da geleistet haben, wenn man nicht | |
nur über Stimmungen sprechen will. | |
Die dann folgenden Hauptacts am Dienstag und Mittwoch waren vor allem eins: | |
männlich, schwarz, dröhnend und vernebelt. Der Schwede Peder Mannerfelt | |
immerhin schleuderte zu seinen tiefen Bässen immer wieder fiepende | |
Zonkblitze ein, die der düsteren Grundstimmung zu etwas Selbstironischem | |
verhalfen. Zur Erhellung trug er außerdem eine bescheuerte blonde Perücke. | |
Auskennern war der Auftritt wohl schon zu populistisch, denn seine Show | |
brachte die ersten Konzertbesucher dazu, mit Kopf und Hüfte zu kreisen. | |
Düsterer und bitterernst war der dann folgende Auftritt des Briten The Bug, | |
der nicht eher auf die Bühne kam, bis die letzte Tonne Disconebel verpustet | |
und nichts mehr zu sehen war, nicht die eigene Hand und nicht das Berghain. | |
Er und das Publikum standen im Nichts und hörten das Nichts: sehr lange und | |
sehr tiefe Töne, die arg auf den Brustkorb schlugen, aber nirgendwohin | |
führten, außer in die Langweile. Zur Verstärkung der apathischen Atmosphäre | |
war auf der Bühne eine Ladung Nebelscheinwerfer aufgestellt, deren Licht | |
den Nebel aber nicht durchbrechen wollte. | |
## Buntes, Verführerisches | |
Auch der Australier Lawrence English hatte sich lichttechnisch mit | |
Nebelscheinwerfern ausgerüstet. Die jedoch waren in Form von zwei Strahlern | |
auf seine Hände gerichtet, die deren Bewegungen folgten, was dann so | |
aussah, als wäre der Musiker eine Marionette, die an Lichtfäden hängt. | |
Interessant zu sehen war, dass der todernst auftretende The Bug sich nach | |
getaner Arbeit recht ausgiebig vom Publikum applaudieren ließ, während der | |
die elektronische Düsternis auf die Schippe nehmende Mannerfelt nach dem | |
letzten Klong ohne Gruß abging. | |
Dass man mit Knöpfen und Bässen nicht nur das Nichts und das Düstere und | |
das Brummige, sondern auch Buntes, Klirrendes, Verführerisches erzählen | |
kann, zeigte am Donnerstag die fantastische Aleksandra Grünholz. Was die | |
Warschauerin unter ihrem Künstlernamen We Will Fail da anstellte, war das | |
beste CTM-Konzert im Berghain. Muskulöse Basspfeifen im Wechsel mit | |
samtigen und zerbrechlichen Geräuschen, die sie immer wieder | |
zusammenführte. Fast an Detroit-Techno erinnernd, war ihre Soundcollage | |
eine wahrhaft jazzige Improvisation, in der mal die Beats, mal das | |
Fiepsige, mal das Rumpelnde, mal das Atmosphärische gewann. Schöner konnte | |
es gar nicht mehr werden. | |
Da war aber noch der Auftritt von Gazelle Twin. In ihrem blauen Hoodie und | |
mit Hautmaske vor dem Gesicht hüpfte Elizabeth Bernholz zu treibenden Beats | |
und ging mit ihrer Sopranstimme mal in kreischende und mal in weiche Lagen. | |
Klimper. Klonk. Ahhh. Party. | |
31 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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