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# taz.de -- Durch Pegida ungeahnt aktuell: Remarque auf der Bühne
> Welt aus den Fugen: Das Theater Osnabrück bringt erstmals den
> Zwischenkriegsroman "Der schwarze Obelisk" auf die Bühne.
Bild: Dämonische Verführer: Narr (Stefan Haschke) und Närrin (Anne Hoffmann)…
HAMBURG taz | 1923, Deutschland mitten in der Inflation. Es ist eine aus
den Fugen geratene Zeit, in der Erich Maria Remarque seinen
Zwischenkriegsroman „Der schwarze Obelisk“ ansiedelt. Eine Zeit, in der
alles infrage gestellt wird: Nicht nur die Geldwerte brechen ein, auch
moralische Werte bekommen eine andere Gewichtung. Und am Horizont tauchen
die ersten Vorboten des drohenden Faschismus auf.
In der Stadt Werdenbrück – Remarques Romanversion seiner Geburtsstadt
Osnabrück – versucht eine ganze Generation, ihre verlorene Jugend
nachzuholen und sich im Leben zurechtzufinden. Zu überleben, das haben der
Ich-Erzähler Ludwig Bodmer und sein Vorgesetzter Georg Kroll als Soldaten
im Ersten Weltkrieg auf bittere Weise gelernt. Aber wie leben?
Auf ihre Weise versuchen beide, mit ihren Kriegstraumata fertig zu werden.
Während Kroll sich in Drogen und Suff verausgabt, rettet Ludwig Bodmer
schließlich die Liebe zu einer geheimnisvollen, schönen Frau, der
schizophrenen Isabelle: Während die Welt ringsrum im Wahnsinn versinkt,
entpuppt sie sich als Hellsichtige.
1956 schrieb Remarque den Roman, als Reaktion auf den Kalten Krieg und als
Warnung vor einem Wiedererstarken des Faschismus. Auch heute stehe Europa
angesichts neuer Kriege, des Terrors in der Nachbarschaft und der Suche
nach neuen Sündenböcken wieder vor ähnlichen Fragen, sind Regisseur Marco
Štorman und Dramaturg Peter Helling überzeugt. Erstmals bringt das Duo
deshalb den „Schwarzen Obelisken“ am Theater Osnabrück in einer Fassung von
Carsten Golbeck auf die Bühne. Am heutigen Samstagabend feiert ihre in die
Gegenwart versetzte Romanadaption Premiere.
Als „Roman einer Zwischenzeit“ habe Štorman den „Schwarzen Obelisken“ …
gelesen. „Auch wir beschreiben die Gegenwart als ein neues Dazwischen“,
sagt Helling, „denn wir glauben, dass die Gesellschaft auch heute dabei
ist, sich neu zu denken – und auch gehalten ist, sich neu zu denken.“ Es
gehe nicht darum, Eins-zu-eins-Analogien zwischen der Gegenwart und der
Zeit vor dem Nationalsozialismus herzustellen. „Aber es gibt Ähnlichkeiten
und ähnliche Verschiebungen in der Sprache“, sagt Helling. „Und genau die
wollen wir thematisieren.“
Dabei seien sie in der Auseinandersetzung mit dem Roman von den Ereignissen
überrollt worden. Dass ihre Inszenierung nun vor dem Hintergrund des
Erstarkens der Pegida-Bewegung und der Anschläge von Paris eine derart
drängende Aktualität bekommt, hat auch Štorman und Helling überrascht. In
die Inszenierung eingeflossen sind die Ereignisse dennoch.
Vor zwei Wochen ist das Ensemble deshalb mit dem Theaterbus nach Dresden
gefahren. „Es war eine sehr angespannte Stimmung, ein aggressives Klima,
das ich auf dem rechten Spektrum einordnen würde“, erzählt Helling. Obwohl
die Redner immer wieder versucht hätten, den Eindruck eines breiten,
demokratischen Bündnisses zu erwecken, seien es „tendenziell schon sehr
rechte Ressentiments“ gewesen, die da auf Transparenten zu lesen und in
Sprüchen und Reden zu hören waren.
Vor allem aber hätten sie in den vergangenen Wochen auch in der
Auseinandersetzung mit der Pegida-Bewegung die Beobachtung gemacht, dass
der Faschismus „nicht unbedingt laut und in Springerstiefeln daherkommt“,
sagt Helling. Sondern leise, lächelnd und mit einem Gestus des vermeintlich
Souveränen: Wartet nur ab, in vier, fünf Jahren sind wir wieder da! „Diese
Haltung, dieses zurückgelehnt Lächelnde“, sagt Helling, „das finden wir im
Roman und das wollen wir auch in unserer Inszenierung zeigen.“
Keine Nacherzählung sei diese deshalb, sondern eine „Versuchsanordnung über
den Faschismus“. Schon Remarque habe es anhand der Figur des Ludwig Bodmer
untersucht und auch Štorman und Helling wollen herausfinden, wie das geht:
„Wie kann der Faschismus überhaupt Raum greifen, wie kann ein Mensch
überhaupt Faschist werden?“
Eine Sequenz von Entscheidungsoptionen eröffnet sich so auf der Bühne. „Im
Prinzip sind es assoziative Momente und Bilder, fast Blitzlichter, in denen
wir Ludwig zeigen, der subtil immer mehr auf die andere Seite gezogen wird
und zunehmend alles verliert, was ihn auch mit positiver Kraft am Leben
hält“, sagt Helling.
Zwei Narrenfiguren haben Štorman und Helling deshalb „dazuerfunden“, die
unterschiedliche Figuren aus Remarques Roman verdichten. „Es sind
dämonische Verführer“, sagt Helling, „die Ludwig Bodmer immer weiter in d…
Radikalisierung drängen.“ Und den Verunsicherten immer wieder vor die Frage
stellen, die heute auch die von uns allen sei: Wohin will ich, wohin soll
die Gesellschaft steuern?
## ■ Premiere: Sa, 31. 1., 19.30 Uhr, Theater Osnabrück. Nächste
Aufführungen: Mi, 4. 2., Do, 12. 2., Sa, 14. 2., Fr, 20. 2., Do, 26. 2.
31 Jan 2015
## AUTOREN
Robert Matthies
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Remarque
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