# taz.de -- Autor über Uraufführung in Osnabrück: „Ein völlig unnatürlic… | |
> Tobias Steinfeld gewann mit seinem Erstlingsstück „27 Monate“ den zweiten | |
> Preis beim Dramatikerwettbewerb Osnabrück. Nun wird es dort am Theater | |
> uraufgeführt. | |
Bild: Schwangerschaft als Kontrollfrage im Stück "27 Monate" - hier bei der Pr… | |
taz: Herr Steinfeld, wer ein Stück über Schwangerschaft schreibt, wird | |
natürlich immer erst mal gefragt, ob er Kinder hat. | |
Tobias Steinfeld: Nein, habe ich nicht. | |
Also mussten Sie recherchieren? | |
Es gibt eine Masse an Ratgebern, die ich gewälzt habe. Auch Internetforen, | |
in denen sich werdende Eltern austauschen und die eine immer wichtigere | |
Rolle spielen, habe ich studiert. Und natürlich habe ich mich mit | |
Schwangeren und deren Partnern ausgetauscht, viel beobachtet und zugehört. | |
Ich weiß über alles Bescheid: Wie groß ist der Fötus wann? Wie sind die | |
Lieferzeiten eines Kinderwagens? Welche Stilleinlagen sind die weichsten? | |
Eigentlich habe ich gehandelt wie meine Figuren, die drei Schwestern: mich | |
in übertriebener Weise mit dem Thema Schwangerschaft auseinandergesetzt. | |
Was hat Sie daran interessiert? | |
Schwangerschaft war in meinem Umfeld und meinem Alltag plötzlich überall | |
Thema. Es gab dort tatsächlich drei Schwestern, die nahezu zeitgleich | |
schwanger waren. Zunächst fand ich vor allem diese Konstellation | |
interessant, aber dann stellte ich fest, wie vielschichtig so eine | |
Schwangerschaft ist und dass das Thema einen geeigneten Stoff darstellt. | |
Dass es eine Komödie wird, hat sich dann so entwickelt. | |
Rebekka Kricheldorf, Jurorin beim Dramatikerpreis, hat das Stück als „stets | |
boulevardesk“ beschrieben. | |
Das Stück soll auch unterhalten. Aber das heißt ja nicht, dass kein ernster | |
Gedanke dahinter steckt. Es geht darum zu zeigen, dass ein eigentlich | |
natürliches Ereignis wie eine Schwangerschaft zu einem völlig unnatürlichen | |
Umgang damit führt. Und das hat Gründe. | |
Welche? | |
In der heutigen Zeit können wir vieles kontrollieren. Es geht immer darum, | |
Prozesse zu optimieren, Fehler kann sich keiner leisten. Nun wächst da ein | |
neues Leben, und das lässt sich eben nicht so einfach kontrollieren. Also | |
wird mit allen Mitteln versucht, die Kontrolle irgendwie zu übernehmen. | |
Viele werdende Eltern entwickeln dann eine Schwangerschafts-Philosophie, um | |
die eigenen Unsicherheiten und Ängste zu mindern. Daraus werden schnell | |
Dogmen, dabei geht es vielfach auch um die richtigen Produkte und Ratgeber. | |
Das führt wiederum zu Konflikten mit anderen werdenden Eltern. | |
Im Stück sind das die Schwestern, die Sie als sehr gegensätzlich | |
beschreiben. Die älteste glaubt, dass sie froh sein muss, in ihrem Alter | |
noch schwanger geworden zu sein, während der jüngsten das völlig ungeplant | |
passiert. Und die mittlere plant ihr ganzes Leben durch. | |
Das habe ich bewusst so gesetzt. Das Stück lebt von den sehr | |
unterschiedlichen Figuren. Das Thema Planung spielt auch eine wichtige | |
Rolle. Bei Marc und Lisa, der jüngsten Schwester, denkt man: Bei denen wird | |
es schwierig. Die entwickeln sich aber und haben noch eine Natürlichkeit, | |
weil sie eben nicht planen und spielerisch damit umgehen. | |
Das Problem kommt von außen. | |
Genau, das Problem ist der Druck von außen, von den Schwestern, den Lisa an | |
Marc weitergibt. Der denkt schließlich, dass er ein perfekter Ehemann sein | |
muss, obwohl ihm das gar nicht entspricht. Im deutschen Sprachgebrauch wird | |
bei ungeplanten Schwangerschaften häufig das Wort „Unfall“ verwendet. In | |
meinem Stück sieht man, dass übertriebenes Planen auch zu „Unfällen“ fü… | |
kann. | |
Werden die Frauen nicht zu stark auf ihre Schwangerschaft reduziert? | |
Das breche ich auch auf die drei Männer runter. Bei einem Paar ist es der | |
Mann allein, der Ratgeber liest und den Kinderwagen kauft, während sie sich | |
wünscht, dass sie gar nicht schwanger sein müsste und zum Beispiel raucht. | |
Aber ich glaube, dass es diese Reduktion auf die Schwangerschaft | |
tatsächlich gibt. Das wird zum einzigen Thema, über das geredet wird. | |
Was haben Sie vor diesem Stück geschrieben? | |
Ich habe vorher Hörspiel und Prosa geschrieben, veröffentlicht aber | |
hauptsächlich Kurzprosa. Als ich die erste Szene von „27 Monate“ schrieb, | |
hätte ich es mir auch als Film oder Hörspiel vorstellen können. Jetzt bin | |
ich sehr froh, dass es ein Stück geworden ist, das im Theater gespielt | |
wird, da das Unmittelbare und das Physische eine große Rolle spielen. | |
Ist es Ihnen schwer gefallen, das Stück der Regisseurin zu überlassen? | |
Ich weiß seit Anfang des Jahres, dass das Stück inszeniert wird. Ich hatte | |
also viel Zeit darüber nachzudenken, was wohl damit gemacht wird. Nachdem | |
ich mich das erste Mal mit dem Dramaturgen Hilko Eilts und der Regisseurin | |
Marie Bues getroffen habe, hatte ich keine Probleme mehr loszulassen. Wir | |
haben zusammen noch ein bisschen am Text gefeilt. Aber es wurde nicht wild | |
daran rumgestrichen. | |
Denken Sie über ein Fortsetzungsstück zum Erziehungsalltag nach? | |
Ich denke, dass diese Struktur mit der speziellen Dreierkonstellation ein | |
besonderes Merkmal von „27 Monate“ ist und möchte das jetzt nicht einfach | |
auf andere Stücke übertragen. Außerdem will ich nach dem | |
Schwangerschaftsexperten nicht auch noch zum Babyexperten werden. | |
## Uraufführung am Samstag, 6. Dezember, 19.30 Uhr, Emma-Theater, Osnabrück | |
3 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Anne Reinert | |
## TAGS | |
Osnabrück | |
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