| # taz.de -- Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer: Tod nach der Rettung | |
| > 29 Afrikaner sind auf ihrer Flucht erfroren, viele auf Rettungsschiffen | |
| > der Küstenwache. Das Ende von Mare Nostrum sei schuld, sagen Kritiker. | |
| Bild: Tote im Hafen von Lampedusa. | |
| ROM taz | 29 Tote forderte eine Flüchtlingstragödie, die sich vom Sonntag | |
| auf den Montag im Mittelmeer zwischen Libyen und Lampedusa ereignete. Die | |
| Opfer, alle Männer, erfroren elend an Bord, die ersten auf ihrem Schiff, | |
| der Großteil dann allerdings auf den Patrouillenbooten der italienischen | |
| Küstenwache. | |
| Insgesamt 105 Männer waren am Sonntag von der libyschen Küste aus Richtung | |
| Norden auf einem offenen Holzkahn in See gestochen. Schon kurz nach der | |
| Abfahrt jedoch havarierte das Boot, während die Menschen an Bord schutzlos | |
| der extremen Witterung ausgesetzt waren. Die Wellen türmten sich acht Meter | |
| hoch, es ging kräftiger Wind, die Temperaturen waren eisig; binnen kurzem | |
| hatten die durchnässten Passagiere mit Unterkühlung zu kämpfen. | |
| Schon am Sonntagnachmittag setzten sie zwar mit einem Satellitentelefon | |
| einen Notruf an die zentrale Leitstelle der italienischen Küstenwache ab. | |
| Und die wiederum dirigierte zwei Frachter an die Unglücksstelle. Die | |
| Handelsschiffe konnten aber angesichts des hohen Seegangs nichts | |
| ausrichten, da bei zu großer Annäherung das Flüchtlingsboot zu kentern | |
| drohte. | |
| Parallel hatte die Küstenwache zwei ihrer Patrouillenboote von Lampedusa | |
| aus losgeschickt, die jedoch mehr als 100 Seemeilen zurückzulegen hatten | |
| und erst um 22 Uhr bei dem havarierten Kahn eintrafen. Sieben der | |
| Flüchtlinge waren schon zu diesem Zeitpunkt erfroren, weitere 19 befanden | |
| sich in kritischem Zustand. | |
| ## | |
| Doch ebenso wie die anderen mussten sie die stundenlange Fahrt nach | |
| Lampedusa weiter auf offenem Deck verbringen, da die kleinen | |
| Patrouillenboote keinerlei Räumlichkeiten im Schiffsinneren zu bieten | |
| haben. Angesichts des miserablen Wetters zog sich die Rückfahrt zudem hin: | |
| Erst am späten Montagnachmittag trafen die Boote der Küstenwache im Hafen | |
| Lampedusas ein; in der Zwischenzeit waren 22 weitere Männer den Kältetod | |
| gestorben. | |
| Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, die Präsidentin des italienischen | |
| Abgeordnetenhauses, Laura Boldrini, und die Bürgermeisterin Lampedusas, | |
| Giusy Nicolini, äußerten angesichts der Dynamik der Tragödie heftige Kritik | |
| an der italienischen Regierung. Dies sei die Konsequenz der Tatsache, dass | |
| Italiens Rettungsmission Mare Nostrum eingestellt worden sei, twitterte | |
| Boldrini. „Wir sind zur Situation vor dem 3. Oktober 2013 (damals starben | |
| 368 Menschen beim Untergang ihres Bootes vor Lampedusa, die Red.) | |
| zurückgekehrt“, klagte ihrerseits Nicolini an, „mit der Einstellung von | |
| Mare Nostrum war vorherzusehen, dass die Toten zunehmen würden“. | |
| Mare Nostrum nämlich sah den Einsatz italienischer Marineschiffe bis nah an | |
| die libyschen Hoheitsgewässer vor. Am 1. November 2014 stellte Italien | |
| jedoch diese Mission angesichts der hohen Kosten von etwa 100 Millionen | |
| Euro pro Jahr ein; an ihre Stelle trat die „Triton“-Mission unter der Ägide | |
| der europäischen Grenzagentur Frontex. Seither finden Patrouillenfahrten | |
| nur noch innerhalb der 30-Meilen-Zone vor Italiens Küsten statt. Gerade | |
| dies wurde jetzt den 29 erfrorenen Flüchtlingen zum Verhängnis. | |
| 10 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Braun | |
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