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# taz.de -- Haftbefehl auf Tour: Der Babo wollte es wissen
> Mit der „Lass die Affen aus'm Zoo“-Tour gastierte Haftbefehl in der
> Berliner Astrahalle. So richtig warm wurde er mit dem Publikum nicht.
Bild: Rapper aus Offenbach: Aykut Anhan alias Haftbefehl.
Wer noch einen Beweis brauchte, dass Haftbefehl im Mainstream angekommen
ist, dem sei folgendes Experiment demonstriert: Man nehme eine große
Konzertlocation in Berlin-Friedrichshain und kündige einen Auftritt an.
Füllt sich die Halle mit Hipstern, quod erat demonstrandum.
Haftbefehl ist dieses Experiment geglückt und er freute sich darüber. Zwei
Stunden habe er am Vortag in Leipzig gespielt, kündigte er an, nun wolle er
drei Stunden schaffen: „Berlin, wo sind eure Hände?“ Und Berlin so:
Ironisch gucken, nervös am Vollbart zupfen, aufs Handy schielen und den
FreundInnen ein Foto schicken, die noch MC Fitti hören. Eventuell sind die
ja geschockt, weil man den bösen Babo sogar beim Konzert supportet.
Zugegeben: Es waren auch Fans da. Schon bevor es losging, waren
Hafti-Sprechchöre zu vernehmen und dazu Leute, die den Tour-Titel „Lass die
Affen aus’m Zoo“ ernst nahmen. Richtig warm wurden der Offenbacher und
seine Homies mit dem Berliner Publikum aber nicht. Vermutlich lag das an
dem Umstand, dass Haftbefehl gar nicht daran dachte, politisch Stellung zu
beziehen, wie zuletzt in Interviews häufiger demonstriert. In der
Astrahalle konzentrierte sich der 29-Jährige auf die Party.
Dabei hätte sich beispielsweise sein Track „Anna Kournikova“ vom letzten
Album „Russisch Roulette“ angeboten, um Putins Kalaschnikow-Diplomatie zu
kommentieren. Kein Song bringt das erotische Verhältnis Mann/Waffe besser
auf den Punkt. Genauso wenig wie „Anna Kournikova“ hatte Haftbefehl die
autobiografischen Tracks von „Russisch Roulette“ im Set. Stattdessen
präsentierte er die Kollegen Marteria und Miss Platnum auf der Bühne, die
auf seinem aktuellen Album bereits Features geliefert hatten – die
gemeinsame Plattenfirma Universal verbindet wahrscheinlich vertraglich zu
solchen Aktionen.
## Höhepunkt der Show
Den ZuschauerInnen hätte das Best-of gereicht, das Haftbefehl als Zugabe
und also am Höhepunkt seiner Show brachte: Bei „Chabos wissen, wer der Babo
ist“, „H.A.F.T.“ und „Ich rolle mit mei’m Besten“ – rappten alle …
Trotzdem wollte Haftbefehl die Leute nicht nur zum Mitmachen motivieren,
als er sagte: „In Leipzig waren 700 Leute lauter als ihr.“ Augenscheinlich
wurde das eher oberflächliche Interesse des Berliner Publikums auch in
einem anderen Moment: Haftbefehl präsentierte Hanybal aus seiner
Azzlack-Clique, dessen Debütalbum bald erscheint. Wer das Album vorbestellt
hätte, wollte der Babo wissen. Keiner der 1.500 Anwesenden meldete sich. Da
musste der Offenbacher Bösewicht schlucken.
Haftbefehl ist an einem spannenden Punkt seiner Karriere angelangt. Als
Künstler ist er allgemein etabliert, seine Werke werden nun nicht mehr bloß
in Street-Rap-Blogs rezensiert, sondern auch von allen wichtigen
überregionalen Zeitungen. Er ist prominent. Was soll als Nächstes kommen?
Haftbefehl träumt – das hat er in Interviews des Öfteren erwähnt – berei…
vom Rückzug ins Reihenhaus und einem sorglosen Leben. Da, wo die Berliner
Hipster herkommen, denen ein leichter Schauer über den Rücken läuft, wenn
Hafti rappt, dass er ihren Vater fickt, der ihre Miete zahlt. Und die sich
dann sagen können, das sei ja alles nur Kunst.
Haftbefehl und seine Fans verbindet jetzt nicht mehr die gemeinsame
Erfahrung der Straße, sondern die neoliberale Ideologie, die er in seinen
Texten reproduziert: Wenn du Leistung bringst, kannst du es schaffen!
Wenigstens etwas haben die anwesenden StudentInnen, die ihrem Traum vom
selbstbestimmten Leben nachhängen, am Mittwoch gelernt: In puncto
Sprachgefühl und Marketing kann man sich einiges abschauen vom Babo.
Schließlich wird man nicht einfach so Hauptstraßenrapper des deutschen
HipHop.
Ganz vorne an der Bühne stand in Berlin Moritz von Uslar und sprach
hektisch in sein Diktiergerät, um nach Konzertende zu twittern: „Haftbefehl
ist ein Genie.“ Bei so viel Verehrung fehlt nicht mehr viel zum anderen
hessischen Großmeister der Literaturgeschichte.
12 Feb 2015
## AUTOREN
Elias Kreuzmair
## TAGS
Rap
Berlin
Tour
Haftbefehl
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Neues Album
Pharrell Williams
Haftbefehl
HipHop
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