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# taz.de -- Nach der Wahlverschiebung in Nigeria: Die Saison des Gemurmels
> Seit die Wahl in Nigeria auf Ende März verschoben wurde, regiert die
> Gerüchteküche. Die politischen Szenarien reichen bis zum Militärputsch.
Bild: Geht es auf- oder abwärts? Unklare Perspektiven in Lagos.
LAGOS taz | Mit der Verschiebung der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen
vom 14. Februar auf den 28. März ist Nigeria in eine Sechswochenperiode der
Unsicherheit eingetreten. Die Spannungen, die das Land jetzt im Griff
halten, traten allerdings schon vorher zutage.
Am 22. Januar hatte Nigerias Nationaler Sicherheitsberater Sambo Dasuki in
London als erster hoher Regierungsvertreter den Wahltermin öffentlich
infrage gestellt. Wahlen, sagte er vor dem Thinktank Chatham House, machten
„keinen Sinn“, wenn die Wahlkommission Inec 30 Millionen Wählerkarten noch
gar nicht verteilt habe.
Zehn Tage später schrieb er dem Inec-Vorsitzenden Attahiru Jega einen Brief
und verlangte eine Wahlverschiebung um mindestens sechs Wochen. Aber
diesmal nicht wegen den Wählerkarten. Stattdessen verkündete Dasuki, das
Militär beginne jetzt eine sechswöchige Totaloffensive gegen Boko Haram.
Während dieser Mission stünden die Streitkräfte nicht zur Verfügung, um bei
den Wahlen die Sicherheit zu gewährleisten.
Die beiden Argumente Dasukis vom 22. Januar und 4. Februar waren komplett
unterschiedlich. Offensichtlich wollte er einfach die Wahlen verschoben
wissen.
## Jega vor dem Rauswurf
Wie geht es jetzt weiter? Die Amtszeit von Inec-Chef Jega geht ihrem Ende
entgegen – entweder nach den Regeln oder durch einen Bruch. Seine Amtszeit
endet offiziell am 30. Juni, einen Monat nach dem Termin der Amtseinführung
von Nigerias nächstem Präsidenten. Seit Wochen gibt es Gemurmel, wonach
Präsident Goodluck Jonathan Jegas Rücktritt erzwingen will.
Zu den Murmlern gehört Edwin Clark, ein alter Staatsmann aus Jonathanas
Ijaw-Ethnie, und Doyin Okupe, der unangenehmere der beiden
Präsidentensprecher. Sie glauben, Jega sympathisiere mit der Opposition.
In Wahrheit ist der Inec-Chef einfach zu unabhängig, um sich von der
Regierungspartei manipulieren zu lassen. Ein Modell ist nun, Jega vor Ende
seiner Amtszeit in drei Monate Urlaub zu schicken, wie für Beamte üblich,
bevor sie den Dienst quittieren. Dann könnte ein Loyalist die
Wahlkommission führen. Genannt wird in diesem Zusammenhang der Politologe
und Universitätsdirektor Olufemi Nazim Mimiko.
Seine Nominierung würde das Parlament wohl wegen Interessenkonflikts
ablehnen, denn er ist der jüngere Bruder des Gouverneurs von Ondo, Segun
Mimiko, ein enger Verbündeter des Präsidenten. Jega ist außerdem als
politischer Beamter nicht der Drei-Monate-Urlaubsregelung unterworfen.
Aber in Nigeria, sagen die Verfechter der Mimiko-Theorie, geht alles. Dass
so etwas nicht abzustellen ist, gehört zu den Konsequenzen der Verschiebung
einer Wahl eine Woche vor ihrem Termin.
## Machtübernahme durch das Militär?
Ein weiteres Gerücht besagt, dass Jonathan noch vor der Wahl die Macht an
das Militär übergeben könnte. Darüber wird schon seit Wochen geredet, aber
seit der Wahlverschiebung erst recht. Generalstabschef Alex Badeh und
Armeestabschef Kenneth Minimah gelten als mögliche Anführer einer
Militärübergangsregierung, ebenso der aktuelle Senatspräsident David Mark,
Brigadegeneral im Ruhestand.
Es ist schwer vorstellbar, wie die Machtergreifung einer solchen
Militärregierung aussehen könnte. Aber auch hier gilt: Seit der
Wahlverschiebung hält man in Nigeria alles für möglich.
## Gewinner und Verlierer
So könnte die Verschiebung auch Folgen haben, die ihre Verfechter nicht
wollen. Gemeinhin wird angenommen, die Wahlverschiebung schade der
Opposition unter Muhammadu Buhari, der sich zuletzt im Aufwind befand. Aber
Buhari könnte auch von der Verschiebung profitieren, da er jetzt ihr Opfer
ist.
Der wirkliche Verlierer ist Präsident Jonathan selbst. Er behauptet, mit
der Wahlverschiebung nichts zu tun zu haben. Aber glaubt ihm das jemand? Er
ist der Vorgesetzte des Nationalen Sicherheitsberaters. Will er jetzt
behaupten, er habe keine Macht über seine Untergebenen?
Wie man es dreht und wendet: Goodluck Jonathan steht als der Glücklose da.
13 Feb 2015
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