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# taz.de -- Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt: "Fatih erhielt viel weniger …
> FU-Studierende haben untersucht, ob Menschen mit einem ausländisch
> klingenden Namen auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt werden. Die
> Studienleiterin im Interview
Bild: In Berlin eine Wohnung zu finden ist oft schwierig - besonders für Mensc…
taz: Frau Ouaissa, ein Berliner Vermieter wurde vor Kurzem dazu verurteilt,
einer türkischen Familie 30.000 Euro Strafe zu zahlen. Der Grund: Er hatte
nur ihr die Miete drastisch erhöht. Solche Urteile sind sehr selten. Wie
häufig gibt es Diskriminierung dieser Art auf dem Wohnungsmarkt?
Amel Ouaissa: Zu häufig! Bei der Antidiskriminierungsstelle gehen
regelmäßig Beschwerden von Personen ein, die sich aufgrund ihrer Herkunft
bei der Wohnungsvergabe diskriminiert fühlen. Ich habe das außerdem
zusammen mit zwei KommilitonInnen in einer Studie im Rahmen eines
Forschungsprojekts untersucht.
Wie sind Sie vorgegangen?
Wir haben in Anlehnung an eine andere Studie zwei Personen erfunden: Eine
mit einem deutsch, die andere mit einem türkisch klingenden Namen. Diese
fiktiven Menschen haben sich auf eine Wohnung in Berlin beworben.
Was war das Ergebnis?
Der türkische Bewerber mit Namen Fatih erhielt viel weniger Antworten, die
Rücklaufquote betrug bei ihm 60,1 Prozent. „Tobias“ hingegen hatte eine
Quote von 74,3 Prozent. Damit hat Fatih deutlich weniger Chancen, eine
Wohnung zu finden. Aber nicht nur die Zahl der Antworten unterscheidet
sich: In 32 von 113 Fällen haben die VermieterInnen Tobias direkt eine
Besichtigung zugesichert, bei Fatih waren es nur 19. Stattdessen kamen bei
ihm Rückfragen oder die Aufforderung nach persönlichen Auskünften.
Was hatten Sie den Vermietern denn geschrieben?
In den Anfragen haben Fatih und Tobias um eine Wohnungsbesichtigung
gebeten. Sie bewarben sich mit E-Mails, die in der Wortwahl nur leicht
variierten und orthographisch und grammatikalisch korrekt waren, auf
jeweils dieselben 113 Wohnungen in elf Stadtteilen Berlins. Persönliche
Daten wurden nicht angegeben; lediglich der Name unterschied sich.
Wo wurde der türkische Mieter am stärksten diskriminiert?
Tendenziell werden MieterInnen am stärksten in ökonomisch und sozial besser
gestellten Bezirken, wie zum Beispiel Tempelhof-Schöneberg, diskriminiert.
Das kann man für den Fall Berlin aber nicht verallgemeinern: In
Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf, die ebenfalls als
besser gestellte Bezirke gelten, wurde Fatih nicht stark benachteiligt. Und
in Lichtenberg, einem Bezirk mit eher niedrigem sozioökonomischem Status,
wurde sogar überhaupt kein Unterschied zwischen den beiden Bewerbern
gemacht. Aus der Studie ergibt sich also kein eindeutiges Bild.
Wie viel Zeit haben Sie in die Studie gesteckt?
Das Projekt hat sich über ein halbes Jahr erstreckt. Die eigentliche
Bewerbungsphase der beiden erfundenen Personen hat aber nur einen Monat
gedauert.
Woher kam Ihr Interesse an dem Thema?
Zum Anfang des Semesters, als wir über ein passendes Thema für das
Forschungsprojekt nachdachten, befand ich mich selbst auf Wohnungssuche.
Ich merkte, wie schwierig es ist, eine Wohnung zu finden.
Gab es dafür einen besonderen Grund?
Ich komme aus Algerien, und das spiegelt sich auch in meinem Namen wider.
Bei einem befreundeten Paar mit deutsch klingendem Namen, welches zur
gleichen Zeit auf der Suche war, klappte es bereits nach einer Woche. Ich
selbst wurde stattdessen nur zu Massencastings eingeladen und hatte nach
einem halben Jahr immer noch nichts gefunden. Da drängte sich mir der
Gedanke auf, dass es etwas mit meinem Namen zu tun haben könnte. Zeitgleich
las meine Kommilitonin eine Studie, die sich mit ethnischer Diskriminierung
auf dem Berliner Wohnungsmarkt beschäftigte, aber nicht bezirksübergreifend
angelegt war. Wir wollten der Sache weiter auf den Grund gehen.
Das Gesetz, das solche Diskriminierungen verbietet, wirkt offenbar in der
Praxis nicht. Wie könnte man die Vermieter dazu bringen, das
Diskriminierungsverbot einzuhalten?
Das Antidiskriminierungsverbot packt die Probleme nicht an der Wurzel an.
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit müssen in der Öffentlichkeit noch mehr
thematisiert werden. Wir haben es mit ganz unterschiedlichen Ebenen der
Diskriminierung zu tun: Nicht nur individuell, sondern auch institutionell
und strukturell. Es wäre gut, wenn in stadtpolitischen Entscheidungen auch
MigrantInnenverbände vertreten wären und auf diese Weise mehr Gehör finden
würden. Und: Es ist wichtig, dass die Betroffenen ernst genommen werden.
Sie sollten dazu ermutigt werden, sich an die Antidiskriminierungsstelle zu
wenden, und, wenn nötig, finanzielle Unterstützung in Gerichtsverfahren
bekommen. Es kann nicht sein, dass sie belächelt werden, wenn sie auf
Diskriminierung aufgrund ihres Namens, ihrer Hautfarbe, Staatszugehörigkeit
oder Religion aufmerksam machen.
23 Feb 2015
## AUTOREN
Fanny Lüskow
## TAGS
Wissenschaft
Migration
Wohnungsmarkt
Diskriminierung
Schwerpunkt Rassismus
Diskriminierung
Berlin
Schwerpunkt Rassismus
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