| # taz.de -- Kriegsfilm von Clint Eastwood: Dieser Finger zittert nicht | |
| > Clint Eastwoods Spielfilm „American Sniper“ verengt sein Blickfeld, weil | |
| > er die Perspektive des Scharfschützen übernimmt. | |
| Bild: Meist liegt der Sniper auf irakischen Dächern herum: Bradley Cooper als … | |
| Kriegsfilme sind allein schon deshalb eine Frage der Perspektive, weil sie | |
| häufig den berühmten Knick in der Optik haben. Das hat den Vorteil, dass | |
| die kriegerische Welt weniger unübersichtlich erscheint, als sie realiter | |
| meist ist. Der Knick sagt Sachen wie: Der Feind ist nicht hier, weil hier | |
| sind ja wir. Was und wer woanders ist, muss jedoch, wie rudimentär auch | |
| immer, sichtbar gemacht und in den Blick genommen werden. Idealerweise | |
| aber, ohne beim Heranholen den gewünschten Abstand, die gewählte | |
| Perspektive aufzugeben. Dafür hat man ja optische Systeme. | |
| Schon bevor Clint Eastwoods „American Sniper“ seine eigene Lehre | |
| kriegerischen Sehens eröffnet, wird allerdings ein akustisch vermitteltes | |
| Signal gesetzt. Zum monochromen Logo von Warner Brothers ist ein „Allahu | |
| Akbar“ zu hören. Droht die Islamisierung der amerikanischen Traumfabrik? | |
| Gott sei Dank: Es ist nur ein vorgezogener O-Ton, die eingespielte Formel | |
| gehört also einfach zur Welt des Films. Oder etwa doch nicht? | |
| Der Ruf des Muezzins wird zwar umgehend vom Sound heranrollender Panzer zum | |
| Schweigen gebracht, hat aber erkennbar nicht nur die Funktion, einen | |
| Schauplatz zu markieren. Etabliert ist damit auch schon jene | |
| revisionistische Perspektive, die „American Sniper“ nach seinem Start im | |
| Dezember zum Lieblingsweihnachtsmärchen der amerikanischen Rechten gemacht | |
| hat. In dieser Fiktion des Zweiten Irakkriegs erinnert sich niemand mehr an | |
| niemals gefundene Massenvernichtungswaffen. Als Deckerzählung schiebt man | |
| einfach andere Begründungsfiguren ins Bild – auf dass Islamischer Staat | |
| werde, wo eigentlich nur Saddams Irak war. | |
| Warum und wogegen hier eigentlich ein „Präventivkrieg“ geführt wird, | |
| interessiert den Film sowieso nicht. Der ausgeblendete historische Kontext | |
| ist ideologisches wie ästhetisches Programm, gefeiert wird schließlich ein | |
| Rekordschütze, der aus professionellen Gründen auf die Verengung von | |
| Blickfeldern spezialisiert ist. Und so geht der Film auch in formaler | |
| Hinsicht programmatisch los: mit der identifikatorischen Übernahme einer | |
| Sniper-Perspektive, die im weiteren Verlauf als ermüdend repetitive Serie | |
| gelingender Abschüsse ausformuliert wird. | |
| Die dazugehörige filmische Konstruktion ist ein klarer Fall von | |
| Wiederholungszwang: Point-of-View-Einstellungen durchs Fadenkreuz, | |
| Nahaufnahmen des zielenden Schützen, seiner zugekniffenen Augen, seines | |
| niemals zitternden Fingers am Abdruck. Gerne abgerundet durch Bilder des | |
| Abschussobjekts, die noch mal im Sinne einer „objektiven“ Tatortbegehung | |
| sicherstellen sollen, dass der kleine Junge wirklich schwerstbewaffnet war, | |
| dass sich der gegnerische Turbansniper wirklich aufs Hinterhältigste | |
| eingerichtet hatte, dass der heranfahrende Selbstmordattentäter gerade noch | |
| rechtzeitig unschädlich gemacht werden konnte. | |
| Jeder Schuss sitzt und erscheint in der Logik des Films im Grunde fast als | |
| Notwehr. Was soll man machen, die spinnen, die Iraker. | |
| ## Limitiertes Anforderungsprofil für Cooper | |
| Für Bradley Cooper, der den „most lethal sniper“ Chris Kyle spielt, bringt | |
| diese superdumpfe Figur ein limitiertes Anforderungsprofil mit sich. Cooper | |
| hat an Stämmigkeit zugelegt, seinen Hals eingebüßt und sich nach mutmaßlich | |
| langen Recherchen einen Gesichtsausdruck ausgedacht, dem man | |
| zugegebenermaßen sofort abnimmt, dass hinter der Fassade kein intelligentes | |
| Wesen anzutreffen ist. | |
| Meist liegt der Sniper also auf irakischen Sonnendächern herum, schießt auf | |
| seriell auftauchende feindliche Pappkameraden, die einfach nicht dazulernen | |
| wollen, oder greift zum Mobiltelefon, um Sienna Miller zu kontaktieren, die | |
| als schwangere Gattin zu Hause sitzt und gerne etwas mehr funkvermittelten | |
| Sex hätte. Der „dirty talk“ hält sich dann aber sehr in Grenzen, der Snip… | |
| ist kein Mann des Wortes. | |
| Später sieht man Cooper dann noch mit dem Produkt dieser etwas asynchronen | |
| Fernbeziehung interagieren: Die Szenen mit dem Plastikbaby, das ein echtes | |
| Neugeborenes sein soll, wurden unter dem Hashtag [1][#fakebaby] mit einer | |
| angemessen belustigten Twitterrezeption quittiert. | |
| Als Kyle nach seinem anscheinend fehlerfreien Einsatz aus dem Irak | |
| zurückkehrt, sitzt er mit rasendem Puls vor ausgeschalteten Fernsehgeräten | |
| und spielt seinem Gehirn filmische Erinnerungsszenen eines prima gelaufenen | |
| Kriegseinsatzes vor (mit Ausnahme der weniger umsichtig durchgeführte | |
| Bodenoperationen). Wenn es die gleichen Bilder sind, die Eastwood uns | |
| gezeigt hat, bleibt unverständlich, worunter der Sniper genau leidet. Waren | |
| doch alles mit klinischer Präzision erledigte, völlig legitime Ziele. | |
| 26 Feb 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://twitter.com/search?q=%23fakebaby&src=tyah | |
| ## AUTOREN | |
| Simon Rothöhler | |
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