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# taz.de -- So wahr mir Gott helfe: Gretchenfrage nun an alle
> In Schleswig-Holstein wirbt eine Volksinitiative mit Unterstützung der
> Kirchen für den Gottesbezug in der Landesverfassung.
Bild: Hat auf jeden Fall einen Gottesbezug: "Die Erschaffung Adams" von Michela…
KIEL taz | Vier Kirchen, zwei ehemalige Ministerpräsidenten, Künstler und
Unternehmer – der Glamourfaktor war hoch, bei der Vorstellung einer
Volksinitiative, die einen Gottesbezug in der schleswig-holsteinischen
Landesverfassung durchsetzen möchte – nur die Frauenquote war etwas
dürftig. Im Oktober hatte der Kieler Landtag darüber abgestimmt und keine
Mehrheit gefunden. Nun präsentierte sich ein überparteiliches wie
überkonfessionelles Bündnis, das – mit finanzieller und logistischer
Unterstützung der christlichen Kirchen – das Thema erneut in den Landtag
bringen will.
Die nötigen 20.000 Unterschriften sollten „schnell eingetütet“ sein, sagte
Peter Harry Carstensen. Der ehemalige Ministerpräsident und CDU-Politiker
ist mit Fatih Mutlu von der Islamischen Religionsgemeinschaft in
Schleswig-Holstein und dem Künstler Bernhard Schwichtenberg Sprecher des
Bündnisses.
Doch – ob es am Ende zu einer Änderung der Verfassung kommt, liegt nicht in
Gottes Hand, sondern an den 69 Abgeordneten im Parlament, von denen zwei
Drittel für die Formulierung „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“
in der Präambel stimmen müssten. Das ist bei einem zweiten Versuch ebenso
unsicher wie beim ersten.
Grundsätzlich reagierte die Politik wohlwollend auf den Vorstoß: „Die
Volksinitiative zum Gottesbezug wird eine breite gesellschaftliche Debatte
anregen“, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. Besonders für die religiöse
Bandbreite des Bündnisses, dem mit Walter Blender auch ein Vertreter des
Landesverbandes der jüdischen Gemeinden angehört, kam Lob aus vielen
Fraktionen.
Doch in der Sache bleibt das Parlament gespalten, die Gräben verlaufen
dabei quer durch die Parteien. Bei den Debatten im vergangenen Jahr kam es
zu ungewohnten Bündnissen: So warben Ministerpräsident Torsten Albig (SPD)
und CDU-Fraktionschef Daniel Günther für den Gottesbezug, während sich
Wolfgang Kubicki (FDP) und Eka von Kalben (Grüne) gegen die Formel
aussprachen.
Als sich ein Patt im Landtag abzeichnete, brachte eine überfraktionelle
Gruppe in letzter Minute einen Kompromissvorschlag ein, in dem neben der
Verantwortung vor Gott und Menschen auch ein Bezug auf allgemeine
humanistische Werte hergestellt wurde (siehe Kasten). Der Antrag
scheiterte, am Ende stand es 33 zu 33 Stimmen. Wolfgang Dudda (Piraten),
damals einer der Initiatoren des Kompromissvorschlags, sieht wenig
Hoffnung, dass bei einem zweiten Durchlauf die nötige Zweidrittel-Mehrheit
zusammenkommt.
Allerdings zeigt das Beispiel Niedersachsen, dass ein gewonnener
Volksentscheid das Parlament beeindruckt: 1994 stimmte der Landtag in
Hannover pro Gottesbezug. Auch hier war die erste Abstimmung anders
verlaufen. Mit einem ähnlichen Effekt rechnet das Bündnis in
Schleswig-Holstein, das in den kommenden Wochen mit Plakaten, Flyern und
bei regionalen Diskussionsveranstaltungen für ihr Anliegen werben will.
40.000 Euro geben die christlichen Kirchen dafür aus, ein Spendenkonto ist
eingerichtet. Der evangelische Bischof Gothart Magaard betonte aber, dass
die Initiative „aus der Mitte der Gesellschaft“ entstamme. Er hatte sich
nach der Abstimmung im Herbst zunächst gegen einen Volksentscheid
ausgesprochen, während Ansgar Thim, als Diözesenadministrator, zurzeit
Leiter des katholischen Erzbistums Hamburg, dafür war.
Thim freute sich nun über den Start: „Schleswig-Holstein kann ein Zeichen
für Toleranz und Gemeinschaft der Religionen setzen.“ Zu den Mitgliedern
der Initiative gehören Persönlichkeiten wie Ex-Ministerpräsident Björn
Engholm (SPD), die ehemaligen Minister Klaus Möller (SPD) und Emil
Schmalfuß (parteilos), sowie Wissenschaftler und Studierende.
Ob die Initiative auch das aufwändigere Volksbegehren starten will,
beantwortete Carstensen bei der Pressekonferenz am Montag ausweichend. Ein
Erfolg wäre unsicher, denn laut einer Umfrage ist die Bevölkerung ebenso
gespalten wie ihr Parlament: 55 Prozent der Schleswig-HolsteinerInnen
wollen keinen Gottesbezug in der Verfassung.
2 Mar 2015
## AUTOREN
Esther Geisslinger
## TAGS
Schleswig-Holstein
Landesverfassung
Gott
Humanismus
Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein
Religion
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