# taz.de -- Umbauten am Museum: Streit ums Porzellan | |
> Die Chefin des Museums für Kunst und Gewerbe will die Porzellanabteilung | |
> zugunsten der historischen Turnhalle abreißen. | |
Bild: Schwein gewordenes Porzellan kurz vor dem Umzug. | |
HAMBURG taz | „Die sitzt wie ein Pfropf im Herzen des Hauses.“ Sabine | |
Schulze, Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe, ist sicher, dass die | |
Porzellan- und Fayence-Abteilung nicht bleiben kann, wo sie ist – am Beginn | |
des Rundgangs und so nah am Haupteingang. Denn erstens sei sie nicht | |
barrierefrei und müsse mühsam über mehrere Treppchen erkraxelt werden. | |
Zweitens störe sie den Besucherfluss. | |
Tatsächlich ist der Standort der wertvollen Sammlung von 11.000 Keramik- | |
und Porzellan-Exponaten von der Antike bis zur Gegenwart mehreren Umbauten | |
geschuldet: Den ersten veranlasste Museums-Gründungsdirektor Justus | |
Brinckmann 1906, als aus der Kunstgewerbeschule ein Museum wurde und die | |
hohe Turnhalle von 1877 mithin zum Ausstellungsraum. | |
Den fand man in den 1950er Jahren aber zu gewaltig und zog zwei | |
Zwischengeschosse ein, sodass die Abteilungen „Mode“ und „Porzellan“ he… | |
in sehr niedrigen Räumen liegen. Die dafür verantwortlichen Zwischendecken | |
will Schulze nun herausreißen und die historische Turnhalle wieder erstehen | |
lassen, was rund 400 Quadratmeter Ausstellungsfläche kostet. Das sei | |
angesichts von insgesamt 12.000 Quadratmetern nicht viel, sagt Schulze. | |
Allerdings wird auch die sanierte historische Turnhalle ab Ende 2016 kein | |
Ausstellungsareal, sondern ein Ort von Begegnung und Vermittlung sein, „wie | |
er den Anforderung an ein modernes Museum entspricht, das auch um junges | |
Publikum wirbt“, sagt Schulze. | |
Solche Ideen sind für das traditionelle Haus neu und auch im Freundeskreis | |
der 4.000 Mitglieder starken Justus-Brinckmann-Gesellschaft finden das | |
nicht alle gut. „Da geht viel Ausstellungsfläche verloren und das schöne | |
Porzellan-Fayence-Ensemble wird zerrissen“, sagt etwa | |
Freundeskreis-Mitglied Peter Hertel. Zudem sei nicht klar, wo diese | |
Exponate künftig hin sollten – und ob sie vielleicht gar im Depot | |
verschwänden. Im Übrigen habe Museumschefin Schulze den Freundeskreis vorab | |
nicht über den Abriss der Zwischendecken informiert. | |
80 Mitstreiter fanden das auch und unterschrieben einen Protestbrief, den | |
Hertel zur eilig einberufenen Mitgliederversammlung Anfang Februar | |
mitbrachte. Dort sei es allerdings „nicht demokratisch“ zugegangen, sagt | |
Hertel. Nicht nur, dass die Vorsitzende Antonia Aschendorf zur | |
Museumschefin gehalten habe: Sie habe auch eine Abstimmung über die | |
Abrisspläne verhindert. „Sie hat gesagt, da gebe es nichts abzustimmen.“ | |
In der Tat hat der Freundeskreis in solchen Fragen kein | |
Mitbestimmungsrecht. „Wohin welche Sammlung kommt, ist eine rein | |
kuratorische Entscheidung“, sagt Schulze. Im Übrigen werde die Sammlung | |
nach der Umbauphase glanzvoll und vollzählig präsentiert – nur eben in | |
verschiedenen Abteilungen des Erdgeschosses. Die werden „Keramik der Welt“, | |
„Europäisches Porzellan des 18. Jahrhunderts“ und „Fayence und Tafelkult… | |
heißen. | |
Auch Kulturbehördensprecher Enno Isermann ist sich sicher, dass die | |
Porzellane und Fayencen – Europas brüchige Porzellan-Vorläufer – „spät… | |
sogar einen besseren Platz haben werden“. Das habe Schulze fest zugesagt. | |
Deren Umbaupläne werden finanziert von einem Mäzen sowie vom | |
Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes und der Hamburger Stiftung | |
Denkmalpflege. Auch das missfällt dem Freundeskreis-Mitglied Peter Hertel. | |
Das Denkmalschutz-Geld sei zu Unrecht genehmigt worden, denn es werde nicht | |
die erste historische Turnhalle von 1877 wieder aufgebaut. | |
„Das stimmt“, sagt Sabine Schulze. „Wir orientieren uns am Zustand von | |
1906, als bereits ein Kellergeschoss für Verwaltung abgeteilt und die Halle | |
etwas niedriger war.“ Das Denkmalschutzamt wisse das und sei einverstanden. | |
15 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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