| # taz.de -- Kunst aus der Villa Flora: Der Farb-Rausch-Lichtblick | |
| > Französische Postimpressionisten strahlen in der Hamburger Kunsthalle. | |
| > Die Ausstellung „Verzauberte Zeit" zeigt heute seltenes bürgerliches | |
| > Engagement. | |
| Bild: Henri Manguin (1874-1949), Le Thé à la Flora, 1912 Öl auf Leinwand. | |
| HAMBURG taz | All die Pracht kommt aus einer einzigen Sammlung: Zwischen | |
| 1906 und 1936 hat das Ehepaar Arthur und Hedi Hahnloser-Bühler für seine | |
| „Villa Flora“ im schweizerischen Winterthur farbsatte, französische | |
| postimpressionistische Malerei zusammengetragen. Angeleitet wurden sie von | |
| Giovanni Giacometti und Félix Vallotton: Die beiden Maler führten die | |
| Sammler in die Pariser Künstlerkreise, zu Pierre Bonnard etwa, zu Edouard | |
| Vuillard, Henri Manguin und Henri Matisse, zu den bewunderten Bildern von | |
| Cezanne, van Gogh und Manet oder Odilon Redon. | |
| Immer wieder betont die Hamburger Ausstellung nun den Zusammenhang von | |
| Bildern und Einrichtung, von Künstlern und Sammlern, von Architektur und | |
| umgebendem Garten: Den schwer zu transportierenden Charakter des | |
| Winterthurer Gesamtkunstwerks vermitteln Fotos und Skulpturen, auch | |
| einzelne Gegenstände wie ein grünes Glas – das in einem der Gemälde | |
| Manguins wieder auftaucht –, vor allem ein eigens in Auftrag gegebener, | |
| 78-minütiger Film von Nathalie David. | |
| Eigentlich war diese Wanderausstellung gedacht für die Zeit eines Umbaus, | |
| der die Museumsfähigkeit der Villa optimieren sollte. Nun droht sie ein | |
| Nachruf zu werden: Noch während der Planungsphase wurde klar, dass aufgrund | |
| schwerer Finanzlücken die städtischen Zuschüsse für das seit 1995 | |
| regelmäßig öffentlich zugängliche Haus entfallen würden. Denn die eher | |
| kleine Industriestadt Winterthur, 20 Kilometer nördlich von Zürich gelegen, | |
| leidet unter dem Strukturwandel, unterhält aber trotz gerade mal 110.000 | |
| Einwohnern die beachtliche Zahl von 16 Museen, die Hälfte davon der Kunst | |
| gewidmet. Sollte also selbst die nun wirklich nicht arme Schweiz sich ihr | |
| beachtliches Kulturangebot nicht mehr in vollem Umfang leisten können? | |
| Erstaunlich, dass gerade Hamburg nun zeitweilig Asyl bieten kann. | |
| Durchaus eigennützig, schließlich braucht die dortige Kunsthalle schon | |
| wegen der eigenen Teilschließung mindestens attraktive | |
| Wechsel-Ausstellungen. Auch gibt es einige Bezüge zu Winterthur und dieser | |
| Sammlung: Als die Hahnloser-Bühlers im frühen 20. Jahrhundert ihre ersten | |
| Bonnards, Vuillards und Marquets kaufen, lud Alfred Lichtwark, der damalige | |
| Direktor der Kunsthalle, eben jene Künstler ein, Ansichten von Hamburg zu | |
| malen, um eine Akzeptanz für den neuen französischen Malstil zu schaffen. | |
| Später wurde der Rat des international anerkannten Museums-Fachmanns | |
| Lichtwark auch bei der Planung der Kunsthalle in Winterthur eingeholt. Und | |
| der Hamburger Bildhauer Friedrich Wield, zeitweise Vorsitzender der | |
| „Hamburgischen Sezession“, lebte während des Ersten Weltkrieges eine Zeit | |
| lang in der Villa Flora. Fassungen einer Wield’schen „Krugträgerin“ sind | |
| heute sowohl dort wie auch im Hamburger Stadtpark und der Kunsthalle zu | |
| finden. | |
| Der Schwerpunkt unter den rund 200 Arbeiten der Ausstellung ist jetzt aber | |
| die Malerei: Wunderbare van Goghs wie das aus blau-weiß-roten Strichen | |
| gebaute kleine Bild zum Fest des 14. Juli in Paris, die düster verwelkten | |
| Sonnenblumen oder der Sämann von 1888: Allein auf weiter Flur müht er sich | |
| nicht auf einem Acker in herbstlich trüben Farben, sondern ist in | |
| vorausgreifender Ahnung des reifen Feldes in Anklängen von Goldgelb | |
| umleuchtet. Ferner faszinieren immer wieder die ungewöhnliche | |
| Bildausschnitte Bonnards, die harten Konturen Vallottons, die leuchtenden | |
| Traumbilder Odilon Redons und die klaren Bildkonstruktionen Cezannes, die | |
| verschiedenen Auffassungen von Landschaftsräumen, Fensterblicken und | |
| Stillleben. | |
| Dazwischen zeigen de zahlreichen Porträts des Augenarztes mit | |
| Industriellen-Hintergrund und seiner in der Kunstgewerbebewegung aktiven | |
| Ehefrau immer wieder die Akteure eines großbürgerlichen Engagements, das in | |
| dieser Breite und mit all seinen auch sozialen Aktivitäten heute kaum mehr | |
| anzutreffen ist. Die Vorstellung, mit den meisten der hier gezeigten | |
| Künstler gut befreundet gewesen zu sein, deren Bilder zu bezahlbaren | |
| Preisen kaufen zu können, kann einen schon mit Neid erfüllen. | |
| Doch selbst solche wache Zeitgenossenschaft ist begrenzt: Während die | |
| Hahnloser-Bühlers bei der 1916 in Winterthur eröffneten neuen Kunsthalle | |
| durchaus eine Rolle spielen, haben sie die zeitgleich in Zürich aktiven | |
| Dadaisten oder die Kubisten nicht im Blick. Was die letztlich getroffene | |
| Auswahl angeht: Die heutigen Klassiker der Moderne waren damals erst | |
| experimentelle und keineswegs unumstrittene Künstler, die im | |
| deutschsprachigen Raum obendrein mit antifranzösischen Vorurteilen zu | |
| kämpfen hatten. | |
| Wie um den Aspekt der einstigen progressiven Zeitgenossenschaft zu | |
| unterstreichen, sind der Ausstellung zwei Arbeiten hinzugefügt, die damals | |
| behandelte Thematik in die Gegenwart holen: Ursula Palla transformiert mit | |
| ihrer Videoinstallation van Goghs Interesse an Lichtphänomenen. Hinter | |
| einer realen Vase verändern sich ihre auf eine gelbe Wand projizierten | |
| Sonnenblumen mit der Intensität des tatsächlichen Sonnenlichts draußen. Und | |
| Judith Albert tritt mit Vallottons großen, rätselhaften Aktbildern in | |
| Dialog: Sie zeigt sich zugleich als Modell und Künstlerin und zitiert mit | |
| dem großen Oktopus auf nackter Haut gleich auch noch eine erotische | |
| Bildidee des für den Japonismus der Künstlergruppe um Vallotton so | |
| anregenden Holzschneiders Hokusai. | |
| Bei allem, was zurzeit schiefläuft um Hamburgs Kunsthalle – überflüssige | |
| Renovierung mit falschen Prioritäten, peinliches Engagement für Olympia –, | |
| ist diese Ausstellung ein wahrer Lichtblick. Das Publikum hat es gemerkt: | |
| Selbst am eher schwachen Freitagnachmittag gab es eine Schlange an der | |
| Kasse. | |
| ## „Verzauberte Zeit. Cezanne, van Gogh, Bonnard, Manguin – Meisterwerke | |
| aus der Sammlung Arthur und Hedi Hahnloser-Bühler“: bis 16. August, | |
| Hamburger Kunsthalle | |
| 17 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Hajo Schiff | |
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