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# taz.de -- Kinofilm „Elser“: Der Führer wird so leicht sauer
> Georg Elser wagte 1939 ein Attentat auf Hitler. Regisseur Hirschbiegel
> wollte ein Biopic über ihn machen. Leider wird das seiner Tat nicht
> gerecht.
Bild: Schauspieler Christian Friedel als Hauptfigur Elser im gleichnamigen Film.
Der Film ist kaum zwei Minuten alt, da sind sie schon alle wieder da, die
Filmnazis des deutschen Kinos. Und los geht das bekannte Programm: zackiges
Strammstehen und delirantes Heil-Adolf-Rufen auf der Basis von scharf
gezogenen Scheitelfrisuren und noch schärferen Uniformen.
Es scheint in diesem Land keinen Mangel an Statisten zu geben, die gerne
einen subventionierten Drehtag darauf verwenden, auf historisch
kostümierten Filmsets rumzustehen und einem irre dreinblickenden
Schauspieler mit albernem Bärtchen Grußparolen entgegen zu brüllen. Der,
der den Führer spielt, knödelt ihnen dann im Volksempfängersound was von
einem tausendjährigen Reich vor die Füße.
Schon wieder durften die auf die Nazizeit spezialisierten Ausstatter,
Setdesigner, Maskenbildner auf ihre Archivbestände zurückgreifen, um die
rausgeputzten Hakenkreuzfahnen, Reichssicherheitshauptamt-Büroattrappen und
Oberlippenkleinbärte in einen Geschichtsfilm zu stellen. Die ganzen
Ausstattungsroutinen des deutschen Kinos im Umgang mit NS-Stoffen fallen in
Oliver Hirschbiegels Georg-Elser-Film umso mehr auf, als es darin meist nur
im Bildhintergrund um kollektive Nazi-Performances geht.
Aus der Raumtiefe dieses biederen Bebilderungskinos strahlt einem die
säuberlich versammelte deutsche Nazifilmtristesse entgegen. Im Vordergrund
wird zweitklassiges Theater gespielt. Da ist Hirschbiegel als
Regieverantwortlicher der entgleisten Bunkerbürokomödie „Der Untergang“
nachweislich in seinem Element.
Eigentlich sollte es im Elser-Biopic um einen freigeistigen Querdenker, um
einen antifaschistischen Widerstandsautodidakten gehen. Elsers
bemerkenswerter Tat, dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 8. November 1939
im Münchner Bürgerbräukeller, wird der Film jedoch nicht mal ansatzweise
gerecht.
## In den Händen der Gestapo
Die meiste Zeit widmet sich Hirschbiegel einerseits Elsers Martyrium in den
Händen der Gestapo. Zum anderen wird in brav linear aneinander gereihten
Episoden ein wenig Vorgeschichte erzählt. Zu Elsers individueller
Politisierung, zu seiner symbolischen Bedeutung für das
Widerstandspotenzial eines Einzelnen fallen dem Film wenig mehr als
Floskeln ein. Angedeutet werden ein katholischer Motivstrang, ein paar vage
Freundschaften im linken Milieu, generell Unbehagen am widerlichen Betragen
der saufenden Dorfnazis, die im schwäbischen Königsbronn erst Erntefeste
veranstalten, dann ihren Repressionsapparat von der Leine lassen.
Szenisch stellt sich das filmische Einfühlungsvermögen so dar, dass jedes
Mal penetrante Soundtrackmusik eingeblendet wird, wenn Elser nachdenklich
in die Ferne zu schauen beginnt. Spielen muss diese unsäglichen
Einfallslosigkeiten Christian Friedel, der sich unter widrigsten Umständen
noch ganz achtbar aus der Affäre zieht.
Relevante Fragen, die nicht zuletzt für eine an Kontinuitäten interessierte
Mentalitätsgeschichtsschreibung von Bedeutung sind, wie Elsers Verhältnis
zum Roten Frontkämpferbund, streift Hirschbiegel nur. Als seien die
antikommunistischen Reflexe der BRD nicht ein wesentlicher Grund für die
jahrzehntelang komplett verweigerte Anerkennung Elsers im sich fleißig
wiederaufbauenden Nachkriegsdeutschland gewesen.
## Musiker und Schürzenjäger
Stattdessen sehen wir Elser als charmanten Musiker und Schürzenjäger, der
sonnige Stunden am schönen Bodensee verbringt. Die späteren Verhöre und
Torturen sollen ihn auf Goebbels Wunsch hin dazu bringen, den britischen
Geheimdienst als eigentlichen Auftraggeber zu Protokoll zu geben. Am Ende
verrät Elser mit letzter Ironie, Churchill persönlich habe ihm telefonisch
den Auftrag erteilt, Hitler in die Luft zu jagen. Es soll ein produktives
Ferngespräch gewesen sein.
Während der weitere biografische Kontext vor allem auf die Liebesgeschichte
mit der unglücklich verheirateten Elsa (Katharina Schüttler) und zwei
denkbar hölzerne Dialoge mit einem befreundeten Zwangsarbeiter reduziert
wird, bekommen die ihn quälenden SS-Männer Arthur Nebe (Burkhard Klaußner)
und Heinrich Müller (Johann von Bülow) unzählige Großaufnahmen, um mit
nachdenklicher Mimik Strategiegespräche zu simulieren. Wie nur soll man es
dem Führer sagen, er wird doch so leicht sauer.
Klaußner fällt zu Nebe, der später in Plötzensee hingerichtet wurde, weil
er mit den Attentätern des 20. Juli in Verbindung stand, nur ein einziger
kummervoller Gesichtsausdruck ein, der wohl „Ich zweifle langsam an der
Unfehlbarkeit des Führers“ sagen soll. Das gute Deutschland, da ist es
doch, schön eingefaltet in eine stur burgtheatermäßig durchgespielte
Sorgenmiene. Der ideologisch gefestigte Gestapo-Müller wiederum wird von
Bülow gänzlich unbedröppelt, mit stahligem Durchhalteblick ins Ziel
gebracht. Hier scheint eine Weiterbeschäftigung prognostizierbar. Das
nächste Nazikostüm hängt sicher bereits in irgendeiner deutschen
Filmsetgarderobe.
8 Apr 2015
## AUTOREN
Simon Rothöhler
## TAGS
Film
Tanz
Adolf Hitler
Biografie
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