# taz.de -- Drei Kurzporträts zum Mindestlohn: „Ausbeutung ist immer schlech… | |
> Seit 100 Tagen gibt es den Mindestlohn in Deutschland. Was hat sich für | |
> drei der vielen betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verändert? | |
Bild: Spürbare Konsequenzen: Das Eis wird mal wieder teurer. | |
## „Die Kunden akzeptieren den höheren Preis“ | |
„Im Friseur-Handwerk wird der Mindestlohn stufenweise eingeführt. Im Moment | |
liegen wir in den neuen Bundesländern bei 7,50 Euro und in den alten bei 8 | |
Euro pro Stunde. Vor der Einführung lag der Lohn in manchen Tarifregionen | |
im Osten bei nur 5 Euro – die abrupte Einführung wäre wirtschaftlich | |
betrachtet Selbstmord gewesen, weil die Kunden die daraus resultierenden | |
Preissteigerungen nicht mitgemacht hätten. | |
So aber hatten wir genügend Zeit, die Preisentwicklung verträglich zu | |
gestalten. In Berlin kostet in unseren Salons ein einfacher Herrenschnitt | |
inzwischen 23 Euro. Als die Diskussion über die Einführung 2013 konkret | |
wurde, lagen wir noch bei 18,50 Euro. Wo genau der Preis sich einpendeln | |
wird, wenn der Lohn dann bei 8,50 Euro liegt, wissen wir noch nicht. | |
Die meisten Kunden akzeptieren den höheren Preis, solange das Geld bei den | |
Mitarbeitern ankommt. Sie fragen das sogar dezidiert nach. Die Diskussion | |
über den Mindestlohn hat den Kunden gezeigt, dass sie über den Preis den | |
Lohn der Menschen mitbestimmen.“ Michael Klier, Friseur-Unternehmer | |
## „Zu niedrig, um wirklich gut zu leben“ | |
Parallel zur Arbeit an ihrer Bachelorarbeit kellnert Nora Meyer, 25, noch | |
in einem Café in Berlin. Sie ist auf 450-Euro-Basis angemeldet und arbeitet | |
momentan etwa zweimal die Woche, oft bis spät in die Nacht. | |
Früher kam sie häufiger auf mehr Einsätze pro Woche. Bis vergangenen | |
Dezember verdiente sie 6,50 plus etwa drei bis vier Euro Trinkgeld in der | |
Stunde. Hinzu kam ein Bonussystem, dass sie und ihre KollegInnen am Umsatz | |
des Cafés beteiligte. Ab einer gewissen Summe gab es 10 Euro mehr pro 200 | |
Euro Umsatz. | |
Seit diesem Jahr gibt es diesen Bonus nicht mehr, stattdessen pauschal 8,50 | |
Euro die Stunde. Persönlich hat sich für sie dadurch nicht viel geändert. | |
„Es gibt Abende, da hätte ich mit der alten Regelung 20 Euro mehr verdient, | |
an anderen komme ich durch den Mindestlohn besser weg.“ Mit dem Bonussystem | |
gab es den Anreiz den Laden voll zu bekommen, sagt Nora. Generell findet | |
sie es richtig, dass es einen Mindestlohn gibt. Einschränkend fügt sie aber | |
hinzu: „Um wirklich gut davon leben zu können, ist er zu niedrig.“ Nora | |
Meyer, Kellnerin | |
## Weniger arbeiten statt mehr verdienen | |
Auf 450-Euro-Basis arbeitet Carolina Schwarz neben ihrem Studium als | |
Eisverkäuferin in Berlin-Neukölln. Im letzten Jahr verdiente sie 7,20 Euro | |
pro Stunde, seit diesem Jahr bekommt sie den Mindestlohn von 8,50. Etwa 10 | |
Euro Trinkgeld kommen pro Schicht dazu. Sie arbeitet etwa zwölf Stunden in | |
der Woche. | |
Der Eisladen musste die Preise um 20 Cent pro Kugel erhöhen, 1,30 kostet | |
sie jetzt, das führt schon mal zu kritischen Diskussionen an der Theke. | |
Generell reagieren die Käufer aber positiv. | |
Prinzipiell findet Schwarz den Mindestlohn eine gute Sache, „Ausbeutung ist | |
immer schlecht“, sagt sie. Ärgerlich findet sie jedoch, dass sie faktisch | |
nicht mehr verdienen kann, sondern nur weniger arbeiten muss. Eine | |
parallele Anhebung der Verdienstgrenze auf 600 Euro im Monat hätte sie sich | |
gewünscht. | |
Auch den Mindestlohn für PraktikantInnen findet sie praxisfern, denn | |
momentan könnten fast nur noch StudentInnen ein mindestlohnfreies Praktikum | |
absolvieren. Besser wäre ein eigener PraktikantInnen-Mindestlohn, angelehnt | |
an den Bafög-Höchstsatz. Carolina Schwarz, Eisverkäuferin | |
10 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Imre Balzer | |
Ruben Rehage | |
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