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# taz.de -- Vor der Weltbanktagung: Beten gegen die Finanzkrise
> Die Weltbank hat sich im Kampf gegen Armut Verstärkung geholt. Geistliche
> Würdenträger wollen mit spirituellen Kräften die Not abschaffen.
Bild: Rätsel des Tages: Welcher der Herren ist Weltbank-Chef Jim Kim, wer der …
WASHINGTON taz | „Die Leute hören nicht immer auf ihre politischen Führer.
Aber die meisten hören auf ihre Priester, Rabbis, Imame und Gurus“, sagt
der Mann, der von Kopf bis Fuß in unterschiedliche Orangetöne gekleidet
ist: „Wir können soziale Normen ändern.“
Chidanand Saraswatiji ist einer der Erstunterzeichner einer neuen
Initiative der Weltbank. Mehr als 30 religiöse Würdenträger – darunter
Katholiken, Muslime, Juden, Hindus, Buddhisten und Bahai – haben
unterzeichnet. Sie wollen ihre spirituellen Kräfte zusammentun, um die
„extreme Armut“ zu beenden. Bis zum Jahr 2030 will die Weltbank diesen
Zustand abschaffen. Dazu hat sie sich Verstärkung bei Geistlichen geholt.
Einen Tag vor Eröffnung der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF sitzen am
Mittwoch fünf Geistliche auf einem Podium in Washington. In ihrer Mitte
Weltbankpräsident Jim Yong Kim. Er spricht über das zurückliegende
Vierteljahrhundert, in dem die „extreme Armut“ um die Hälfte reduziert
worden sei. Während 1990 zwei Milliarden Menschen in extremer Armut lebten,
seien es heute noch eine Milliarde, sagt Kim. Unter „extrem Armen“ versteht
die Weltbank Menschen, die mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag auskommen
müssen.
Die Weltbank-Erfolgsmeldung ist umstritten. Kritiker der Statistiken
bestreiten, dass die Armut tatsächlich so radikal geschrumpft ist, und sie
argumentieren, dass Armut sich nicht auf eine Dollar-Zahl reduzieren lässt.
Die Weltbank räumt ein, dass sich das Problem verlagert hat. In weiten
Teilen Afrikas hat die extreme Armut zugenommen, in China und Indien
registriert sie positive Entwicklungen.
## Extreme Armut beenden
Doch bei der neuen Initiative geht es nicht um Statistiken, Finanzierungen
und Privatisierungen. Sondern um Glauben, Gott und heilige Schriften. Das
gemeinsame Dokument der Religiösen trägt den Titel: „Die extreme Armut
beenden: eine moralische und spirituelle Verpflichtung“. Der Moderator
spricht einzelne Diskutanten mit dem Titel „Heiligkeit“ an. Sie wetteifern,
wer die meiste Empathie hat. Ruth Messinger, Präsidentin des American
Jewish World Service, zitiert Thora-Interpreten, nach denen Armut das
schlimmste aller Leiden ist. Neben ihr spricht Mohamed Ashmawey, Chef des
Islamic Relief Worldwide, vom Koran. „Niemand kann würdevoll leben, wenn er
betteln muss“, sagt er.
Die Präsidentin der Catholic Relief Services, Carolyn Woo, zitiert Papst
Franziskus, der Armut einen „Skandal“ nennt, und prognostiziert, dass es in
ihrer Konfession Kontroversen über die Zusammenarbeit mit der Weltbank
geben wird. Vinya Ariyaratne, Generalsekretär der Sarvodaya Shramadana
Bewegung in Sri Lanka, spricht von dem buddhistischen Konzept des Teilens –
und darüber, wie beide Extreme abgeschafft werden müssen: sowohl die
extreme Armut als auch der extreme Konsum.
Und Saraswatiji redet über die 22.000 Kinder, die am Tag der
Weltbankdebatte – wie an jedem anderen Tag im Jahr – an Hunger sterben
werden.
Alle Religiösen bringen Erfahrungen mit wohltätigen Aktionen und im Umgang
mit Regierungen und internationalen Organisationen mit. Messinger berät die
US-Regierung. Ashmaweys Organisation leistet Katastrophenhilfe in mehr als
40 Ländern. Ariyaratnes Bewegung war an der Arbeiten nach dem Tsunami von
2004 beteiligt. Die Interfaith WASH Alliance von Saraswatiji organisiert
„Friedensdialoge“ zwischen Hindu und Juden und Christen.
## 84 Prozent der Weltbevölkerung religiös
Für die Weltbank ist es ein historischer Neuanfang. Sie streckt ihre Hand
in Richtung Religiöse aus, weil sie davon ausgeht, dass 84 Prozent der
Weltbevölkerung religiös sind. Und weil sie Traditionen für ihre Zwecke
nutzen will. Weltbankpräsident Kim über die Religiösen: „Sie befassen sich
seit Jahrtausenden mit unserem Thema.“ Umgekehrt sehen die Religiösen eine
Möglichkeit, ihre Arbeit durch die Zusammenarbeit mit der Weltbank
aufzuwerten.
Im Publikum sitzt eine Parlamentsabgeordnete aus Peru, die sich um die
Zukunft des Laizismus sorgt. Tatsächlich kommen Atheisten, Agnostiker und
andere Menschen, die nichts mit Gott am Hut haben, in der neuen Allianz der
Weltbank nicht vor. Sie sind auch auf dem Podium nicht vertreten. Dahinter
stecke nicht die Analyse, dass Religionen ein Monopol auf Moral hätten,
versichern Weltbankmitarbeiter.
Guru Saraswatiji sieht keinen Grund, Atheisten zu beteiligen. „Wir arbeiten
doch ohnehin für alle“, sagt er. Dann fügt er hinzu: „Es ist nicht wichti…
ob Du an Gott glaubst. Denn Gott glaubt auf jeden Fall an Dich“.
16 Apr 2015
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
Religion
Schwerpunkt Armut
Weltbank
Entwicklungszusammenarbeit
AIIB
Weltbank
IWF
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