| # taz.de -- taz.lab 2015 in Berlin: Boris Palmer hat noch nie gekifft | |
| > Das Publikum mochte sich nicht entscheiden, ob das Politische | |
| > interessanter ist als das, was nicht als politisch gilt. Ist nicht alles | |
| > Gedöns? | |
| Bild: Noch nie kamen so viele wie in diesem Jahr: taz-Podium am Samstag. | |
| BERLIN taz | Was zählt eigentlich wirklich: Gedöns? Oder die harte Politik? | |
| Wie unterschiedlich die Antworten auf diese Kernfrage alles Politischen | |
| ausfallen, zeigte das bunte Berliner Polittreiben am Samstag auch jenseits | |
| des Hauses der Kulturen der Welt, in das die taz zu ihrem alljährlichen | |
| Kongress – diesmal zum Thema „Gedöns“ – geladen hatte. | |
| GewerkschafterInnen demonstrierten vor dem Bundeskanzleramt für die | |
| Braunkohle. TierversuchsgegnerInnen waren in Charlottenburg unterwegs. | |
| Während die Armenische Gemeinde einen „Gedenkmarsch zum 100. Jahrestag des | |
| Völkermordes an den Armeniern“ veranstaltete, zog die Türkische Gemeinde | |
| für das „Ende der Völkermordbeschuldigungen“ durch die Straßen. Ihre | |
| Parolen waren bis zum Tagungsort des taz.lab zu hören. | |
| Noch nie kamen so viele Menschen – ob sich zur taz-Community zählend oder | |
| nicht – zum taz-Kongress. Sie goutierten ein Programm, das diversifizierter | |
| kaum vorstellbar ist: von den großen Weltkrisen zu den kleinen | |
| Problemzonen. Auf derselben Bühne, auf der am Morgen darüber diskutiert | |
| wurde, „warum Linke in der Solidarität mit der Ukraine versagen“, ging es | |
| am Abend um „Vulva 3.0 – Zwischen Tabu und Tuning“. Beide Veranstaltungen | |
| waren proppenvoll besucht. Über den „Krieg im Namen Gottes“ disputierten | |
| TeilnehmerInnen ebenso engagiert wie über „Geschlechterbilder im | |
| Kampfsport“. | |
| Der „Nebenwiderspruchskongress“, wie taz-Kollege Dirk Knipphals das taz.lab | |
| auf seinem Panel „Wie erschöpft ist der Westen?“ bezeichnet hat, bediente | |
| offenkundig das Bedürfnis vieler Menschen, das Große und das Kleine zu | |
| diskutieren. Nicht, weil sie alles für gleich wichtig halten, sondern weil | |
| sie das eine wie das andere beschäftigt. | |
| In früheren Zeiten war sich die traditionelle Linke einig darin, der | |
| Hauptwiderspruch bestünde zwischen Kapital und Arbeit, alle anderen | |
| gesellschaftlichen Auseinandersetzungen hätten sich dem unterzuordnen. | |
| Emanzipationsversprechen auf nachkapitalistische Zeiten zu verschieben, ist | |
| heutzutage jedoch nicht mehr en vogue. Es geht auch und gerade um | |
| Veränderungen im Hier und Jetzt. | |
| ## „Grüner Kapitalismus“ | |
| Den Kapitalismus „grundsätzlich ändern, kriegen wir nicht hin“, sagte der | |
| Soziologieprofessor Heinz Bude bei seinem Auftritt auf dem taz.lab. Die | |
| Frage, so der „wahnsinnig melancholische Sozialdemokrat“, laute daher: „W… | |
| renovierungsfähig ist der Kapitalismus?“ | |
| Eine Frage, die sich der Politikwissenschaftler Claus Leggewie ebenfalls | |
| stellt. Da er nicht mehr daran glaubt, dass der Kapitalismus zu seinen | |
| Lebzeiten überwunden werde, hofft er bei seinem Großthema, der Bekämpfung | |
| des Klimawandels, auf einen „grünen Kapitalismus“. Es gebe „in der | |
| Marktwirtschaft Instrumente für eine klimafreundlichen Politik“, ist er | |
| überzeugt. Dazu bräuchte es jedoch eine Weltbürgerbewegung. „Bei der | |
| Klimarettung geht es nicht um die Rettung der Natur, sondern um die | |
| Erhaltung von Freiheitsspielräumen der nächsten Generation“, so Leggewie. | |
| Um ein besseres Klima ging es auch bei der Diskussion zwischen dem Grünen | |
| Boris Palmer, der Ex-Grünen Antje Hermenau und dem | |
| CDU-Bundestagsabgeordneten Jens Spahn. „Rettet uns der progressive | |
| Konservatismus?“, fragte sie taz-Chefreporter Peter Unfried. An Palmer und | |
| Spahn, das steht fest, würde eine schwarz-grüne Koalition jedenfalls nicht | |
| scheitern. Sie haben viele Gemeinsamkeiten – außer dass der selbst ernannte | |
| „Öko-Spießer“ Palmer noch nie gekifft hat. | |
| Eine ganz andere Perspektive zeigte Syriza-Mann Giorgos Chondros, der unter | |
| großem Beifall als Überraschungsgast an der Diskussion über „Griechenland | |
| und die Eurokrise“ teilnahm. Die „zeitgenössische Klassenfrage“ sei, ob … | |
| Austeritätspolitik weiter betrieben werde oder auf mehr Sozialstaat, mehr | |
| Frieden, mehr Demokratie gesetzt werde, sagte das | |
| Syriza-Parteivorstandsmitglied. Seine Botschaft: Es gibt eine linke | |
| Alternative. „Wenn wir Europäer uns eine andere Zukunft vorstellen möchten, | |
| müssen wir die Chance nutzen, die jetzt von Griechenland ausgeht.“ Alle | |
| Diskussionen gehen weiter. | |
| 26 Apr 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Anja Krüger | |
| Pascal Beucker | |
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