# taz.de -- Weibliche Ejakulation: Die Prostata ist für alle da | |
> Nicht nur Männer sind in Besitz dieses Organs, sondern auch Frauen. Lange | |
> wurde das gar nicht weiter diskutiert, dabei hat sie einige Funktionen. | |
Bild: Auf der Suche nach der Prostata wurde frau auf dem taz.lab fündig. | |
BERLIN taz | Die weibliche Ejakulation ist kein Mythos, kein Special Effect | |
der Pornoindustrie. Sie ist real. Tatsächlich habe der Porno den | |
Bildungauftrag übernommen, so die Sexologin und Linguistin Laura Méritt auf | |
dem [1][taz-Kongress zum Thema „Gedöns“] am Samstag in Berlin. | |
Auf YouPorn und ähnlichen Websites gibt es eine eigene Fetischkategorie zum | |
sogenannten Squirting, womit die Webseiten fortschrittlicher seien als | |
jedes Biologie-Schulbuch. „Alles, was wir weitestgehend unter Aufklärung | |
verstehen, folgt der Fortpflanzungsidee oder der | |
Fortpflanzungsverhinderung“, führt Méritt aus. | |
Dies habe fatale Folgen: Die Gebärmutter und der Vulvakanal würden in | |
typischen Querschnittdarstellungen im Biobuch zwar noch vorkommen, doch | |
Schwellkörper seien keine zu sehen. In den letzten zweihundert Jahren sei | |
die Klitoris immer kleiner geworden, während der Schwanz immer größer | |
wurde. „Das hat ganz klar mit der Fortpflanzungspolitik zu tun!“ | |
Rund 80 Menschen drängen sich am Nachmittag in und um das Zelt 2 des | |
taz.labs, um Méritts Nachhilfestunde zur weiblichen Anatomie zu lauschen. | |
Für ihren Vortrag greift sie zum Teil auf Bilder zurück, die in den 70ern | |
von der Frauenbewegung angefertigt wurden, teilweise aber auch auf moderne | |
3D-Ansichten. | |
Auf einem Bild ist zu sehen, wie sich der weibliche Sexualkomplex unter | |
Erregung verändert: Die Klitoris ist erigiert, die Prostata, auch | |
Harnröhrenschwellgewebe genannt, angeschwollen. Wie ein aufgeplusterter | |
Vogel sieht das Gewebe aus, deshalb habe es nach Méritt auch durchaus seine | |
Berechtigung vom „vögeln“ zu sprechen. | |
## „Wir wollen keine Schambegriffe!“ | |
Das Ejakulat tritt durch Stimulation der Prostata aus. Und zwar aus dem | |
Harnröhrenloch sowie aus zwei kleinen Löchern, den paraurethralen Löchern. | |
All dies sei in der Allgemeinmedizin noch nicht angekommen. Immerhin habe | |
die US-amerikanische Behörde, die sich mit Anatomie auseinandersetzt, die | |
weibliche Prostata anerkannt, fährt Méritt in ihrer Nachhilfestunde fort. | |
Der Kampf des Freudenfluss Networks, zu dem auch die Mitreferentin Polly | |
Fannlaf gehört, ist nicht nur ein körperlicher, es ist auch ein | |
sprachlicher. „Wir wollen keine Schambegriffe!“, sagt Méritt. So würde | |
mittels des „Jungfernhäutchens“ zwischen Hure und Heiliger unterschieden. | |
Und die Vagina ist lateinisch für Scheide, also nichts weiter als eine | |
Hülle für das Schwert. | |
Selbst kolonistische Züge gebe es in der Terminologie. Das G in G-Punkt | |
steht nämlich nicht für Gedöns, sondern für Gräfenberg, dessen Entdecker. | |
Ähnlich sieht es bei der Bartholinschen Drüse aus. „Viva la vulva!“, laut… | |
stattdessen das Motto von Méritt und Fannlaf. Gerne reden sie auch vom | |
„Powerkomplex“. | |
Manu Schubert, Redakteur im taz.lab-Team, muss gar nicht moderierend | |
eingreifen. Das Publikum hängt den Vortragenden ohnehin an den Lippen. Auf | |
die Frage, wie frau den Beckenboden trainieren könne, antwortet Méritt, | |
dass Gewichtetraining nicht das ist, was die Möse will. Das gebe | |
„Mösenmuskelkatze“. Großes Gelächter. Eine lehrreiche Stunde geht zu End… | |
„Untersucht euch einfach mal ein bisschen mehr“, gibt die Referentin dem | |
Publikum noch mit auf den Weg. So, und jetzt gehen wir das neue taz-Bier | |
probieren. Prostata… äh… Prost! | |
25 Apr 2015 | |
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## AUTOREN | |
Marco Wedig | |
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Heinz Bude | |
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