# taz.de -- Finanzieren, Häuslebauen: Initiativen doch gerettet | |
> Was Kleinanleger schützen sollte, bedrohte vor allem selbstverwaltete | |
> Wohnprojekte. Ihr Protest hatte Erfolg, wie ein neues Gesetz zeigt. | |
Bild: Der Traum vom Gemeinschaftshaus lässt sich wieder in einem Zug realisier… | |
BREMEN taz | Die selbstverwalteten Wohnprojekte in Bremen können aufatmen: | |
Die Gefahr, die vom n[1][euen Gesetz zum Schutz von KleinanlegerInnen] | |
ausging, ist gebannt. Gerade hat es der [2][Bundestag] in dritter Lesung | |
beschlossen – mit weit reichenden Änderungen zugunsten sozialer, | |
gemeinnütziger und genossenschaftlicher Initiativen. Die sahen sich durch | |
den ursprünglichen Gesetzentwurf der schwarz-roten Bundesregierung | |
existenziell bedroht. Nun hatte ihr Protest Erfolg. | |
Das Problem: Die gemeinschaftlichen Wohnprojekte leihen sich in aller Regel | |
Geld bei FreundInnen oder MitbewohnerInnen. Die bekommen, anders als | |
Banken, keine formelle Sicherheit, dafür aber höhere Zinsen. Ohne solche | |
Direktkredite wiederum gibt es für die Projekte aber auch kein Geld von der | |
Bank. | |
Nun wollte die Bundesregierung für diese wichtigen Darlehen eine | |
„Prospektpflicht“ einführen. Die Wohnprojekte hätten dann einmal im Jahr | |
eine aufwändige Broschüre erstellen müssen, die KreditgeberInnen über alle | |
Chancen und Risiken aufklären soll. Die aber kostet schnell mal 50.000 | |
Euro. | |
Für viele Wohnprojekte hätte das radikale Mieterhöhungen oder sogar die | |
Insolvenz bedeutet, sagt Volker Möhrchen von der Genossenschaft „Wohnen in | |
Selbstverwaltung“, die die Stadtkommune „Alla Hopp“ trägt. | |
Auch neue Projekte dieser Art wären wohl nicht mehr entstanden, es sei | |
denn, die BewohnerInnen können auf Reichtümer zurückgreifen. „Die Lage hat | |
sich entspannt“, sagt Moritz Holtappels, der zusammen mit zwölf anderen | |
Menschen in einem selbstverwalteten Mietshaus im Steintorviertel lebt. | |
Es gehört inzwischen seinen BewohnerInnen, die heute 6,84 Euro pro | |
Quadratmeter an Miete zahlen. Auch beim [3][Mietshäuser-Syndikat,] einem | |
bundesweiten Zusammenschluss von 94 Hausprojekten und 25 Initiativen, ist | |
man erleichtert: „Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen.“ | |
Von der Prospektpflicht ausgenommen sind nun auch Initiativen, die als GmbH | |
organisiert sind, also in Unternehmensform – so wie Holtappels’ „[4][Frei… | |
Haus 3d]“ oder das Projekt „[5][Mosaik]“, das derzeit in Huckelriede baut, | |
für rund 40 Menschen. Nicht betroffen ist nun auch, wer weniger als 2,5 | |
Millionen Euro an Direktkrediten einwirbt. | |
Auch beim Zinssatz, den die Projekte für diese Darlehen zahlen dürfen, | |
kamen SPD und CDU den Initiativen nun entgegen: 1,5 Prozent dürfen’s sein. | |
Zunächst war geplant, dass Direktkredite nicht höher verzinst werden dürfen | |
als Hypothekenpfandbriefe mit ähnlicher Laufzeit – aktuell sind das 0,1 | |
Prozent. Damit wären sie aber völlig unattraktiv und kaum vermittelbar | |
gewesen. Das Mietshäuser-Syndikat forderte deshalb, zwei Prozent zahlen zu | |
dürfen. | |
Neu eingeführt wurde dafür ein generelles Provisionsverbot beim Vertrieb | |
von Vermögensanlagen genossenschaftlicher, sozialer oder gemeinnütziger | |
Projekte. FinanzmaklerInnen oder Banken dürfen kein Geld daran verdienen. | |
Aus Holtappels’ Sicht ist das kein Problem. Zudem bekommen | |
PrivatanlegerInnen nun ein 14-tägiges Widerrufsrecht. | |
Das Gesetz ist eine Reaktion auf die Pleite des Windkraftbetreibers Prokon, | |
bei der 75.000 AnlegerInnen einen großen Teil der investierten 1,4 | |
Milliarden Euro verlieren werden. Betroffen sind neben selbstverwalteten | |
Wohnprojekten auch Dorfläden, kleinere Energieanlagen, Kitas oder die | |
[6][Freie Gemeinschaftsschule], die im Sommer in Bremen eröffnen will. | |
„Wir haben im Gesetzgebungsprozess Verbesserungen mit Augenmaß für diese | |
Projekte durchgesetzt“, sagte der Finanzpolitiker Carsten Sieling, Bremer | |
SPD-Bundestagsabgeordneter. Die Verbraucherzentralen sprechen von einer | |
„passgenauen Regulierung“ und „handfesten Verbesserungen“. Sie kritisie… | |
das Gesetz an anderer Stelle: Beim Crowdinvesting, der Schwarmfinanzierung | |
via Internet, seien die Schutzstandards weiter „zu lax“. | |
27 Apr 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://gesetzgebung.beck.de/news/kleinanlegerschutzgesetz | |
[2] http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/kw17_de_kleinanlegerschut… | |
[3] http://www.syndikat.org/de/wirsindnichtprokon/ | |
[4] http://www.syndikat.org/de/projekte/freies_haus_3d/ | |
[5] http://www.bremer-wohnprojekte.de/ | |
[6] http://www.fgs-bremen.de | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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