# taz.de -- Streit über Satire in den USA: Keine Sympathie für „Charlie Heb… | |
> Das amerikanische PEN-Zentrum schmeißt einen Gala-Abend. Schriftsteller | |
> boykottieren ihn, denn „Charlie Hebdo“ sollte einen Preis bekommen. | |
Bild: Manche sind „Charlie“, andere nicht: Kundgebung in Paris am 11. April. | |
WASHINGTON taz | Aus Protest gegen die Verleihung des diesjährigen Preises | |
für Mut und Meinungsfreiheit an das französische Satiremagazin Charlie | |
Hebdo wollen mindestens sechs englischsprachige Schriftsteller den | |
Galaabend des amerikanischen PEN-Zentrums am 5. Mai boykottieren. | |
Der Kalifornierin Rachel Kushner, dem Kanadier Michael Ondaatje, der New | |
Yorkerin Francine Prose, der Britin Taiye Selasi, der aus Nigeria stammende | |
Teju Cole und dem Australier Peter Carey passt die antiklerikale Linie des | |
Blattes nicht. Zudem kritisieren sie die Darstellung des Propheten Mohammed | |
und die angebliche „kulturelle Intoleranz“ bei Charlie Hebdo, nennen dessen | |
Cartoons „islamophob“ und die Ehrungsentscheidung des PEN-Zentrums „falsc… | |
und „opportunistisch“. | |
Beim PEN-Galaabend in der kommenden Woche, einem der wichtigsten Fundraiser | |
des Jahres, zu dem 800 Teilnehmer erwartet werden, sollten die sechs | |
Autoren Tische präsidieren. In Briefen an das PEN-Zentrum in New York und | |
in Presseerklärungen erklärten sie jetzt, warum sie Charlie Hebdo trotz | |
ihrer Empörung über die Morde für den falschen Preisträger halten. | |
Carey nennt die Auszeichnung des französischen Magazins mit dem | |
diesjährigen „Freedom of Expression Courage“-Preis „selbstgerecht“. Er | |
fügte hinzu: „PEN erscheint blind gegenüber der kulturellen Arroganz der | |
französischen Nation, die ihre moralische Verpflichtung gegenüber einem | |
großen und machtlosen Teil ihrer Bevölkerung nicht erkennt.“ | |
Auch andere Schriftsteller haben sich in dem Streit zu Wort gemeldet. In | |
einem langen Briefwechsel mit dem PEN-Zentrum schüttet die | |
Kurzgeschichtenautorin Deborah Eisenberg einen ganzen Sack voller Injurien | |
über Charlie Hebdo aus. In ihren Briefen ist das Magazin unter anderem | |
„engstirnig“, „geschmacklos, hirnlos und rücksichtlos“, „vulgär“ … | |
„töricht“. Am Ende unterzeichnet die Autorin mit ihrem Namen und dem Zusatz | |
„jüdisch und atheistisch“. | |
## Die Amerikaner sind hin und hergerissen | |
Die bislang einzige prominente Gegenstimme stammt von dem früheren | |
PEN-Präsidenten Salman Rushdie, der selbst jahrelang wegen einer „Fatwa“ | |
gegen seinen Roman „Satanische Verse“ versteckt lebte. Er nennt Ondaatje | |
und Carey „alte Freunde“ – und fügt hinzu, dass sie sich „schrecklich | |
irren“: Das Zentrum „würde seinen Namen als Organisation für | |
Meinungsfreiheit nicht verdienen, wenn es die Leute, die für ihre | |
Zeichnungen ermordet worden sind, nicht verteidigen und feiern würde“, so | |
Rushdie. | |
Der Eklat im PEN-Zentrum dreht sich um Befindlichkeiten, die bereits im | |
Januar, unmittelbar nach der Ermordung von zwölf Personen in der Pariser | |
Charlie-Hebdo-Redaktion, aufgebrochen war. Damals berichteten die großen | |
US-Medien zwar empört über das Massaker, doch sie zensierten die Cartoons | |
„wegen ihres absichtlich beleidigenden Inhalts,“ wie die New York Times | |
begründete. US-Amerikaner, die wissen wollten, worum es bei Charlie Hebdo | |
überhaupt geht, mussten sich im Internet informieren. | |
Seither ist die Debatte darüber, was Satire – in Wort und Bild – darf und | |
was sie nicht darf, in den USA nie abgerissen. Im Zentrum dieser | |
Zensurdebatte steht der Respekt gegenüber religiösen Gefühle. | |
In dieser Frage sind US-Amerikaner zwischen Grundprinzipien hin und | |
hergerissen, die die Geschichte ihres Landes begleiten, darunter die beiden | |
in der Verfassung verankerten Rechte auf uneingeschränkte religiöse | |
Freiheit und ebensolche Meinungsfreiheit. | |
28 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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