# taz.de -- Mayweather gewinnt gegen Pacqiao: Geld schlägt Gott | |
> Floyd Mayweather jr. siegt im „Kampf des Jahrhunderts“ über Manny | |
> Pacqiao. Zu gucken nur via Pay-per-View. Boxen als neoliberale | |
> Veranstaltung. | |
Bild: Starke Linke: Floyd Mayweather jr. (l.) trifft Manny Pacqiao (r.). | |
BERLIN taz | Den Kampf des 21. Jahrhunderts hat Floyd Mayweather jr. | |
gewonnen: Ein Profiboxkampf in der Nacht zum Sonntag im MGM Las Vegas, den | |
der 38-jährige Amerikaner gegen Manny Pacquiao (36) von den Philippinen | |
nach Punkten für sich entscheiden konnte. Nun ist Mayweather | |
Weltergewichtsweltmeister aller wichtigen Berufsboxverbände. | |
„Kampf des Jahrhunderts“ ist das Etikett, das sich die zwei | |
Fernsehanstalten ausgedacht hatten, die den Boxabend gemeinsam übertrugen, | |
auch wenn sie sonst in harter Konkurrenz zueinander stehen: HBO und | |
Showtime. | |
Zum Brimborium gehörte vor allem die nie da gewesene Kampfbörse. Garantiert | |
waren umgerechnet 120 Millionen Euro für Mayweather, 80 Millionen Euro für | |
Pacquiao. Nach seinem Sieg soll sich Mayweathers Börse auf insgesamt 400 | |
Millionen Euro belaufen. Wie um zu beweisen, dass diese Summen wirklich | |
maßlos sind, hatte Mayweather in seinen Mundschutz 100-Dollar-Noten | |
einarbeiten lassen. | |
Damit man von einem Kampf des Jahrhunderts spricht, muss er mehr sein als | |
eine bloß boxerische Auseinandersetzung: Der berühmte, auch sogenannte | |
„Fight of the Century“ fand am 8. März 1971 statt, zwischen Muhammad Ali | |
und Joe Frazier. Berühmt wurde er als boxerische Variante des Kampfes | |
zwischen dem Civil Rights Movement und der Antikriegsbewegung auf Alis | |
Seite und dem amerikanischen Establishments, als dessen Repräsentant Joe | |
Frazier galt (oder zumindest von Alis PR-Maschinerie dargestellt wurde). | |
## Demokratie gegen Faschismus | |
Als Kampf des Jahrhunderts gilt auch das zweite Aufeinandertreffen von Joe | |
Louis gegen Max Schmeling 1938: Das war Weltboxen, bei dem es um Demokratie | |
gegen Faschismus ging, die USA gegen Nazideutschland, ein schwarzer Boxer | |
gegen einen, den die Nazis als arischen Herrenmenschen verkaufen wollten. | |
Auch den „Rumble in the Jungle“, Muhammad Ali gegen George Foreman 1974, | |
kann man als einen Kampf deuten, in dem sich die großen | |
Auseinandersetzungen des Jahrhunderts verdichteten: Ali als Repräsentant | |
des Trikont, der nach Unabhängigkeit strebenden Dritten Welt, gegen | |
Foreman, der mit seinem unglaublichen Punch quasi die sportliche | |
Erscheinungsform der U.S. Army war: Wie Foreman auf den unglaublich | |
leidensfähigen Ali schlug, um letztlich doch zu verlieren – das war eine | |
Parabel auf den Vietnamkrieg, wie sie die Welt vorher noch nicht gesehen | |
hatte. | |
Und die Welt schaute zu. Die großen Louis- und Ali-Kämpfe waren | |
Generationenerlebnisse, dank Radio und Fernsehen in der ganzen Welt | |
wahrgenommen. | |
Nun also der Kampf des 21. Jahrhunderts. Gerade drei bis vier Millionen | |
Pay-per-View-Kunden in aller Welt schauten den Kampf. Drei Millionen von | |
sieben Milliarden Menschen auf der Welt. | |
Wenn man sich die Kämpfer, die in Las Vegas im Ring standen, anschaut, | |
haben HBO und Showtime eine Symbolik präsentiert, die sich als „Geld vs. | |
Gott“ zusammenfassen lässt: Floyd Mayweather hat sich den Kampfnamen | |
„Money“ gegeben, auf Manny Pacquiaos T-Shirt, mit dem er in den Ring trat, | |
stand: „All Glory and Honor belongs to God“. | |
## Auch außerhalb des Rings ein Schläger | |
Die Symbolik gibt noch mehr her: Mayweather ist mehrfach vorbestraft, | |
zuletzt 2012, weil er seine Exfreundin verprügelt hatte. Pacquiao hingegen | |
versteht sich als Evangelikaler, ist Reserveoffizier, hat sich für die | |
liberale PDP Laban in ein politisches Amt wählen lassen, genoss | |
universitäre Ausbildung und ist selbstverständlich Familienvater von fünf | |
Kindern – ein smarter Lächler mit der Bereitschaft, sich stets und überall | |
durchzusetzen. | |
Brutaler Schläger versus straighter Aufsteiger. Das ist die Alternative, um | |
die es beim Fight of the Century ging. Wer sich das in Las Vegas in der | |
Halle angeschaut hat, fragte sich die New York Times auch. „Viele sehen | |
aus, als kämen sie aus der Pokerszene“, heißt es da, „viele sind unwillig, | |
zu berichten, welche Art von Job sie ausüben oder wo sie herkommen.“ | |
Einen sprach der Reporter, der sagte, er käme aus Irland oder der Schweiz, | |
und er sei ein Hedgefondsmanager, der sich zur Ruhe gesetzt habe; seinen | |
Namen wollte der 40-Jährige aber nicht sagen. Und viele erzählten, dass sie | |
ihre Tickets vom Schwarzmarkt hatten: 65.000 Dollar zahlte ein Mann aus | |
Bahrain. Wie er so viel ausgeben könne, fragte der Reporter. „Meine Familie | |
ist reich“, war die Antwort. | |
In Anbetracht dieser sozialen Umstände, die so rein gar nichts mit Joe | |
Louis oder Muhammad Ali zu tun haben, war der Kampf, den sich Mayweather | |
und Pacquiao lieferten, dann doch von erstaunlich hoher Qualität: Pacquiao, | |
der nachher behauptete, mit verletzter Schulter in den Ring gestiegen zu | |
sein, ging mutig in den Kampf, machte Tempo, trieb Mayweather vor sich her, | |
aber – er konnte keine nennenswerten Treffer setzen. | |
Mayweather selbst blieb zu Beginn ruhig, glänzte durch gute Defensivarbeit | |
und kam erst ab der 5. Runde aggressiv in den Kampf. Ab da setzte er | |
wirkungsvolle Geraden und gewann letztlich zu Recht durch einstimmiges | |
Urteil der Punktrichter. Gewonnen hat also „Money“ Mayweather, und es war | |
der Kampf einer neoliberalen Ära. | |
3 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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