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# taz.de -- Palästinensische Satire: Der Prophet liebt nicht
> Mohammad Saba’anehs zeichnet den herzlichen Islam. Trotzdem bekommt er
> dafür Ärger mit Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas.
Bild: Das ist nicht Mohammed!
RAMALLAH taz | Ein alter Mann im schwarzen Gewand steht auf einem Globus
und sät aus einer herzförmigen Tasche Samen der Liebe auf die Welt. Die
ersten scheinen auf Frankreich zu fallen. So sieht sie aus, die Karikatur,
die im Februar zur politischen Chefsache im Westjordanland wurde. Der Titel
der Zeichnung: „Prophet Mohammed“. Sie stammt von Mohammad Saba’aneh und
ist in der Zeitung Al-Hayat al-Jadida, dem offiziellen Organ der
Palästinensischen Autonomiebehörde, erschienen.
Einige Wochen später in Ramallah, im Vorzimmer des ehemaligen
palästinensischen Religionsministers Mahmud al-Habbasch: Arafat, in Gold
gerahmt, hängt schief an der Wand. In der linken hinteren Ecke, über dem
bröckelnden Putz, das deutlich kleinere Porträt von Präsident Mahmud Abbas.
Habbasch, heute dessen oberster Berater in Religionsfragen, sagt: „Die
Entscheidung des Präsidenten, eine Untersuchungskommission einzuleiten, war
weise.“
Die Kommission, von der Habbasch spricht, sollte klären, inwiefern
Saba’aneh mit seiner vermeintlichen Mohammed-Karikatur den Islam
verunglimpft hat. Seine Kritiker argumentieren, er habe mit der Zeichnung
gegen das umstrittene islamische Bilderverbot verstoßen.
Auf seiner Facebook-Seite erklärte Saba’aneh, er habe den Islam verteidigen
wollen. Während in Europa über Karikaturen diskutiert wird, die Mohammed
als Terroristen darstellen oder den Gründer des Islam ins Lächerliche
ziehen, erregte im Westjordanland dieses ganz andere Bild die Gemüter. „Es
ist nötig, mit abschreckenden Mitteln gegen jene vorzugehen, die für diesen
schrecklichen Fehler verantwortlich sind“, erklärte Abbas gegenüber der
heimischen Nachrichtenagentur Wafa nach Erscheinen der Karikatur. Nach den
Attentaten von Paris im Januar stand er noch in der ersten Reihe der
Demonstration für Meinungsfreiheit.
Nach der Aufregung entschuldigte sich die Redaktion der Zeitung Al-Hayat
al-Jadida. Die Figur stelle nicht den Propheten Mohammed dar, sondern sei
als personifizierter Islam zu deuten. Der Zeichner musste seine Arbeit zehn
Tage ruhen lassen. „Viele waren sehr erbost, und die Zeitung musste etwas
tun, damit sie aufhören, darüber zu streiten“, sagt Saba’aneh in seinem
Büro in der Arab American University in Ramallah. „Diese Erklärung ist für
mich nicht akzeptabel, aber aus Sicht der Zeitung kann ich es
nachvollziehen.“
## „Keine böse Absicht“
Aber auch er selbst streitet heute ab, dass es sich um eine
Mohammed-Karikatur handle: „Die Person in meiner Karikatur symbolisiert die
Muslime, die an Mohammeds Botschaft glauben.“ Saba’aneh berichtet, die von
Abbas angekündigte Untersuchung habe aus einer Befragung seines
Chefredakteurs und ihm selbst bestanden. Er grinst. Seine neueste Karikatur
ist bereits im Blatt. „Wir haben herausgefunden, dass es keine böse Absicht
aufseiten der Zeitung oder des Künstlers gab. Jetzt ist alles geklärt“,
sagt der präsidentielle Religionsberater Habbasch.
Seine Arbeit bei der Fatah-dominierten Zeitung Al-Hayat al-Jadida
beschreibt Mohammed Saba’aneh grundsätzlich so: Er könne alles zeichnen,
was er wolle. Was dann aber publiziert werde sei eine ganz andere Frage.
Die jüngsten Diskussionen über seine Karikatur aber zeigen, dass die
Pressefreiheit in Palästina nicht nur von den Konfliktparteien Hamas und
Fatah und von den israelischen Behörden beeinträchtigt wird, sondern auch
davon, was Saba’aneh als „gesellschaftliche Zensur“ bezeichnet. Moralische
Überzeugungen der palästinensischen Bevölkerung, insbesondere die religiöse
Tradition, beschneiden das Recht auf Meinungsfreiheit. Und das führte in
diesem Fall dazu, dass ein säkular orientierter Präsident eine
islamfreundliche Karikatur verteufelt, die als Bildnis des Propheten
interpretiert werden kann.
Saba’aneh hofft, dass seine Arbeit von der Debatte nicht beeinflusst wird –
schon gar nicht im Sinne einer Selbstzensur. Sicher ist er sich da aber
nicht.
4 May 2015
## AUTOREN
Kristina Milz
## TAGS
Palästinenser
Satire
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Schwerpunkt Myanmar
Israel
Jerusalem
Schwerpunkt Rassismus
Cumhuriyet
Charlie Hebdo
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