| # taz.de -- Messe sperrt Sterbehilfe-Verein aus: Worüber geschwiegen werden mu… | |
| > Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben darf nicht an einer | |
| > Fachmesse Ende der Woche in Bremen teilnehmen. Das hat die Evangelische | |
| > Kirche durchgesetzt. | |
| Bild: Kein Stellplatz in Bremen: Lkw der Kampagne "Mein Ende gehört mir! Für … | |
| BREMEN taz | Eine Veranstaltung mit dem Titel „Leben und Tod“ scheint so | |
| ziemlich alles zu umfassen, was Menschen im Allgemeinen betreffen könnte. | |
| Auf der gleichnamigen Bremer Messe, die am kommenden Freitag beginnt, ist | |
| das anders: Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) klagt | |
| darüber, dass ausgerechnet sie von der Teilnahme ausgeschlossen werde. | |
| Trotz frühzeitiger Anmeldung sei ihr der Aufbau eines Standes nicht | |
| gestattet worden – ohne nähere Erläuterung. Nachfragen seien unbeantwortet | |
| geblieben. | |
| Gegenüber der taz bestätigt Messe-Sprecherin Christine Glander die | |
| Ablehnung: Sterbehilfe sei „nicht das Thema der ,Leben und Tod‘“, erklärt | |
| sie. „Wir hoffen, dass unsere Besucher die Messe mit möglichst vielen | |
| Informationen, Hilfsangeboten und vor allem dem tröstlichen Gedanken | |
| verlassen, dass eine Selbsttötung nicht notwendig ist.“ | |
| „Natürlich wollen wir alle so lang wie möglich leben“, sagt nun aber auch | |
| Evelyne Gläß, die als ehrenamtliche Mitarbeiterin des DGHS den Messestand | |
| beantragt hat. Es könne eben auch Zustände geben, in denen die | |
| schmerztherapeutische Versorgung an ihre Grenzen komme: „Wenn jemand seine | |
| Situation als unaushaltbar erlebt“, so Gläß, „muss er individuell über | |
| seinen Tod entscheiden können.“ Und dabei seien Menschen möglicherweise auf | |
| Hilfe angewiesen. Formen von passiver Sterbehilfe – eine aktive lehnt auch | |
| die DGHS ab – seien auch auf der Messe „Leben und Tod“ präsent. Umso | |
| weniger begründeter sei da der Ausschluss der als gemeinnützig anerkannten | |
| DGHS, findet die Aktivistin. | |
| In der Tat befassen sich auf der Messe mehrere Veranstaltungen intensiv mit | |
| dem Thema Patientenverfügung. Bei ihnen geht es wesentlich um Bestimmungen | |
| darüber, unter welchen Umständen Patienten lebensverlängernde Maßnahmen | |
| ablehnen – also passive Sterbehilfe in Form von Behandlungsabbruch fordern. | |
| Während aktive Sterbehilfe in Deutschland unter Strafe steht, ist der | |
| ärztlich assistierte Suizid gesetzlich keineswegs verboten. Von Medizinern | |
| wird er allerdings mehrheitlich abgelehnt. So schließt die | |
| Muster-Berufsordnung der Bundesärztekammer passive Tötungsbeihilfe aus – | |
| beispielsweise, dass ein Arzt dem Patienten einen Giftcocktail zur | |
| Verfügung stellt und dann den Raum verlässt. | |
| Innerhalb der Landesärztekammern ist diese Position umstritten. In Berlin | |
| etwa sind Ärzte nicht in Gefahr, wegen Sterbehilfe ihre Approbation zu | |
| verlieren, ihre Bremer Kollegen hingegen schon. Doch gerade in Bremen waren | |
| kürzlich auf einem palliativmedizinischen Kongress Stimmen laut geworden, | |
| die das Verbot des ärztlich assistierten Suizids scharf kritisieren. | |
| Kongressleiter Hans-Joachim Willenbrink, Chefarzt der Bremer Klinik für | |
| Schmerztherapie und Palliativmedizin im Klinikum Links der Weser, | |
| kritisierte in dieser Frage scharf den Chef der Bundesärztekammer: „Mit | |
| welchem Recht schwingen Sie die rechtliche Keule über uns Mediziner?“ Eine | |
| etwaige Suizid-Assistenz, so Willenbrink, müsse die Entscheidung des | |
| behandelnden Arztes bleiben. | |
| Zu solchen Diskussionen soll es auf der Messe „Leben und Tod“ offenbar | |
| nicht kommen. Auf anderen Messen hingegen ist die DGHS durchaus vertreten: | |
| „Solche Absagen wie in Bremen hat es seit zehn Jahren nicht mehr gegeben“, | |
| sagt Wega Wetzel von der DGHS-Bundesgeschäftsstelle – „im Gegenteil“. Ih… | |
| Organisation werde häufig zur Teilnahme eingeladen. | |
| Während die DGHS in der Regel auf allgemeinen Senioren-Messen präsent ist, | |
| trifft sie in Bremen auf eine spezielle Situation: „Tod und Leben“ ist zwar | |
| eine Eigenveranstaltung der Bremer Messe-Gesellschaft, aber sie hat einen | |
| Beirat, und den prägen Hospizverbände und kirchliche Vertreter. Deren | |
| Ablehnung wertet Gläß als „unlautere politische Einflussnahme“. Die Messe… | |
| als zu Hundert Prozent städtische Gesellschaft – dürfe sich nicht einem | |
| Beirat beugen, der „eine Minderheitenposition“ vertrete, sagt sie. | |
| „Minderheit“ insofern, als laut einer Forsa-Umfrage 77 Prozent der | |
| deutschen Bevölkerung die Möglichkeit einer ärztlichen Suizidassistenz | |
| befürwortet. | |
| Das kommt nun wohl auch bei der Bremer Messe an. Deren Sprecherin betont | |
| auf weitere Nachfrage, dass sich die Ablehnung der DGHS nur auf die | |
| aktuelle Veranstaltung beziehe: „Wir werden über dieses Thema mit unserem | |
| Beirat im Gespräch bleiben.“ | |
| 4 May 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Henning Bleyl | |
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