# taz.de -- Ein Watchblog für den Professor: „Blabla auseinandernehmen“ | |
> Studierende setzen sich auf einem Blog kritisch mit den Vorlesungen des | |
> Politikwissenschaftlers Herfried Münkler auseinander. Der ist empört. | |
Bild: Herfried Münkler 2013 in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. | |
BERLIN taz | „Blabla auseinandernehmen“ steht auf einem Aufkleber auf dem | |
Pult eines Hörsaals der Humboldt Universität. Der Aufkleber verweist auf | |
[1][das Blog „Münkler-Watch“], eine kritische Auseinandersetzung mit der | |
Vorlesung des Politikwissenschaftlers Herfried Münkler. Der große | |
sogenannte Kinosaal ist gut gefüllt. Auf einem Aufkleber einige Pulte | |
weiter steht „[2][Rassismus, Sexismus, Militarismus?]“ Das ist es, was die | |
anonyme Gruppe Münkler in ihren Einträgen vorwirft. | |
Seit Anfang des Sommersemesters 2015 [3][kritisiert eine Gruppe | |
Studierender auf Münkler-Watch] jede Vorlesung von Herfried Münkler. Sie | |
werfen ihm vor, nicht abseits des europäischen, männlichen | |
wissenschaftlichen Kanons nach Theorien zu suchen. Außerdem räume er dem | |
Militär eine zu große Rolle ein und militarisiere die Sprache. | |
Der Politologe Herfried Münkler lehrt seit 1992 an der HU, nebenbei ist er | |
unter anderem im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik vertreten | |
und [4][äußert sich häufig – nicht unumstritten – zu aktuellen politisch… | |
Themen]. | |
In der Veranstaltung der vergangenen Woche reagierte Münkler erstmals auf | |
das Blog. Münkler nannte die anonyme Gruppe „erbärmliche Feiglinge“ und | |
sagte, er werde das nicht zurücknehmen, solange die Verantwortlichen nicht | |
vor ihm auftauchten. Bis heute ist das nicht geschehen. | |
„Es ist eine eigentlich unerträgliche Situation, unter diesen Umständen der | |
permanenten Denunziationsdrohung mit sinnentstellenden bis das Gegenteil | |
des Gesagten behauptenden Zitaten eine Vorlesung halten zu müssen“, sagte | |
Herfried Münkler der taz. Es sei in seiner Situation sicher denkbar, die | |
Vorlesung abzubrechen – aber den anderen Studenten gegenüber sei das | |
unfair. „Deswegen kommt diese Option für mich nicht in Frage“. Die | |
HU-Leitung stellte sich hinter den Politikwissenschaftler. „Jedes Mitglied | |
der Universität kann ohne Angst wissenschaftliche Auffassungen äußern und | |
zur Diskussion stellen“, hießt es in einer Stellungnahme. Die StudentInnen | |
sollten ihre Anonymität verlassen. | |
## „Erbärmliche Feiglinge“ | |
Wie einer, der wegen eines Studierenden-Blogs darüber nachdenkt, seine | |
Vorlesung einzustellen, kommt Münkler an diesem Dienstagmorgen nicht daher. | |
Er beginnt mit einigen sarkastischen Bemerkungen zu Münkler-Watch. Seine | |
Bücher würden sich dank der Öffentlichkeit viel besser verkaufen. Schlechte | |
Nachrichten gebe es aber auch: „Das Lesen des Blogs, die Pressegespräche, | |
das kostet mich alles zuviel Zeit. Ich habe darauf keine Lust, deshalb höre | |
ich ab jetzt auf, mich mit Münkler-Watch zu beschäftigen“. Einige klopfen | |
daraufhin zustimmend auf die Tische. Jemand ruft: „Ich fühle mich von den | |
Aufklebern belästigt. Bitte nach der Vorlesung aufräumen!“ | |
Münkler verkündet noch, dass er mit der Beschimpfung „Erbärmliche | |
Feiglinge“, genau dieses Echo und die mediale Debatte habe erzielen wollen. | |
„Jetzt wurde darüber eine Woche diskutiert, jetzt denke ich, hat sich die | |
Sache erledigt und keine Zeitung wird wohl viel länger darüber berichten. | |
Verfolgen Sie mit mir, ob meine Strategie aufgeht“. Dann wendet er sich | |
seinem Vortrag über Souveränität und Infrastruktur der Macht zu. | |
Es kommen Gedanken und Taten der klassischen Staatsdenker zur Sprache: | |
Hobbes, Bodin, Machiavelli. Die Bücher von Hannah Arendt werden in einem | |
Satz erwähnt. Immer mal wieder spielt er sarkastisch auf das Blog an und | |
beginnt Sätze mit „Auf die Gefahr hin militaristisch zu sein,...“. Dem | |
Militär, das historisch gesehen zu einem souveränen Staat gehöre, widmet er | |
nach eigenen Angaben diesmal nur wenig Zeit. | |
## Fehlende Auseinandersetzung mit Kritik | |
Münkler-Watch [5][kommentiert nach dieser Veranstaltung]: „Wohl angesichts | |
des Pressewirbels und der anwesenden Journalist_innen zeigt Prof Dr. | |
Münkler, dass er Vorlesungen halten kann, in denen er nicht Rassismen und | |
Sexismen reproduziert“. Er habe sich diesmal Mühe gegeben. | |
Eine Teilnehmerin der Vorlesung versteht den „öffentlichen Rufmord eines | |
Individuums“ nicht. Wäre der Professor nicht so populär wie Münkler, könne | |
ihn dieser Blog seine Karriere kosten, meint sie. Andere finden Münklers | |
Sarkasmus im Bezug auf das Blog absurd: „Wieso tut er den Sachverhalt so | |
sarkastisch ab? Wieso beschäftigt er sich gar nicht mit den inhaltlichen | |
Kritikpunkten des Blogs?“ | |
Die Kritik sei nicht nur eine, die für Münkler gilt, sondern für politische | |
oder historische Theorie im Allgemeinen, wie manche auf Münkler-Watch | |
kommentieren. Immerhin scheint Münkler-Watch durch das Anprangern der | |
Tatsache, dass abseits des gängigen wissenschaftlichen Kanons nicht nach | |
Erwähnenswertem gesucht wird, einen empfindlichen Punkt getroffen zu haben. | |
14 May 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://hu.blogsport.de/muenkler-watch/ | |
[2] http://hu.blogsport.de/images/1234vawf.pdf | |
[3] http://hu.blogsport.de/2015/04/16/muenkler-watch-folge-1-14-4-2015/ | |
[4] /Debatte-Neue-Geopolitik-/!155475/ | |
[5] http://hu.blogsport.de/2015/05/13/muenkler-watch-folge-5/ | |
## AUTOREN | |
Anna Bordel | |
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