| # taz.de -- Berliner Humboldt-Universität: Professor entführt | |
| > Linke Aktivisten entfernen das Bild eines ehemaligen Dozenten mit | |
| > NS-Vergangenheit aus der Ehrengalerie der HU. | |
| Bild: Auch gegen Humboldt haben die Aktivisten was einzuwenden. | |
| Erster Stock des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität (HU), an der Wand | |
| reihen sich Porträts von NobelpreisträgerInnen, insgesamt mehrere Dutzend. | |
| Hier ehrt die HU ihre besten Professoren in einer Ausstellung für ihre | |
| wissenschaftliche Leistungen. Doch zwischen den Porträts des Chemikers Otto | |
| Diels und des Physikers Peter Debye ist eine große Lücke: Es fehlt das Bild | |
| des Chemikers Adolf Butenandt. Linke Hochschulaktivisten haben sein Porträt | |
| am Donnerstag „entführt“. Sie wollen damit gegen die Verehrung von, wie sie | |
| in ihrem Bekennerbrief schreiben, „NS- und Kolonialverbrecher_innen“ an der | |
| Hochschule protestieren. | |
| Butenandt, Mitunterzeichner eines „Bekenntnisses“ von Professoren „zu Ado… | |
| Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“ 1933 und NSDAP-Mitglied seit | |
| 1936, war von 1938 bis 1944 Professor an der Berliner Universität und | |
| zugleich Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biochemie. 1939 erhielt | |
| er für seine Forschungen über weibliche Sexualhormone den Nobelpreis, der | |
| ihm aufgrund eines Verbots Hitlers erst 1947 ausgehändigt wurde. 1960 bis | |
| 1972 schließlich war Adolf Butenandt Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, | |
| der Nachfolgeorganisation der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Er starb 1995 in | |
| München. | |
| ## Ein Bekennerschreiben | |
| Zur „Entführung“ des Bilds aus dem HU-Hauptgebäude bekannte sich eine | |
| Gruppe „Wissen im Widerstand“ in einem Schreiben auf der linken Plattform | |
| [1][linksunten.indymedia.org]. Die Aktivisten wollen damit darauf | |
| aufmerksam machen, „dass im Hauptgebäude der HU nationalsozialistische | |
| Nobelpreisträger in einer patriarchalen Ahnengalerie von | |
| ’Wissenschaftsvätern‘ geehrt werden“. Butenandt sei an menschenverachten… | |
| Forschungsprojekten beteiligt gewesen und habe eng mit | |
| nationalsozialistischen Akteuren zusammengearbeitet. | |
| Die Gruppe will das Porträt der Uni nur zurückgeben, wenn diese bis zum 20. | |
| Januar eine lange Reihe von Bedingungen erfüllt, darunter eine | |
| „unbefristete Bereitstellung von Ressourcen zur umfassenden Aufarbeitung | |
| der Kolonial- und NS-Vergangenheit der HU“, eine Öffnung der Universität | |
| für alle Menschen, die studieren wollen, und die Umbenennung der Hochschule | |
| selbst. Doch damit nicht genug: Zudem solle die HU Druck auf den Senat | |
| ausüben, um die Räumung des Flüchtlingscamps am Oranienplatz zu verhindern. | |
| ## Uni prüft Anzeige | |
| Nach Angaben von HU-Sprecher Hans-Christoph Keller wird die Hochschule auf | |
| die Forderungen nicht eingehen. Die Universitätsleitung prüfe derzeit, ob | |
| sie Anzeige gegen die DiebInnen erstattet. „Mit der Galerie ehrt die | |
| Humboldt-Universität ihre Nobelpreisträger und damit einzig deren | |
| wissenschaftliche Leistungen“, kommentiert Keller. Er fügt hinzu: „Dass | |
| Adolf Butenandts Forschung aufgrund seiner Bekenntnisse zum | |
| Nationalsozialismus als umstritten gilt, steht im erklärenden Text zu dem | |
| Bild.“ | |
| Derzeit füllt ein eingeschweißter weißer Zettel die Leere an der Wand: „Das | |
| Porträt von Adolf Butenandt ist durch Unbekannte gewaltsam entfernt | |
| worden.“ Es werde aber in Kürze „hier wieder zu sehen sein“. | |
| 8 Dec 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://linksunten.indymedia.org | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Kleeberger | |
| ## TAGS | |
| Humboldt-Universität | |
| Protest | |
| Erpressung | |
| Humboldt-Universität | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Ein Watchblog für den Professor: „Blabla auseinandernehmen“ | |
| Studierende setzen sich auf einem Blog kritisch mit den Vorlesungen des | |
| Politikwissenschaftlers Herfried Münkler auseinander. Der ist empört. | |
| NS-Geschichte in Berlin: Gegen die Verdrängung | |
| Auf einer Schifffahrt über die Spree und den Landwehrkanal kann man mit | |
| Studierenden der Geschichte nach den Spuren der NS-Zeit in Berlin suchen. | |
| Am Sonntag ist die letzte Fahrt. |